Prozess um rechtsextremen Anschlag auf Flüchtlingsheim vertagt
"Es hätte jederzeit sein können, dass da jemand um die Ecke biegt und schwer verletzt wird", merkt der Staatsanwalt an. "Oder stirbt." In der Nacht zum 11. September 2010 wurde vor einem Caritas-Heim in Graz ein Sprengsatz abgelegt und gezündet. Dabei soll es sich um eine Mutprobe im rechtsextremen Milieu gehandelt haben: Im Straflandesgericht Leoben sind seit Dienstag drei Männer vor Gericht, die nicht nur wegen Gefährdung angeklagt sind, sondern auch wegen NS-Wiederbetätigung.
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Der selbstgebaute Sprengsatz aus Nägeln, Zündschnur und Schwarzpulver soll nämlich vor der Tür des Flüchtlingsheimes gezündet worden sein, um "den Bewohnern dort zu zeigen, dass sie in Österreich nichts verloren haben", beschreibt der Ankläger.
Mehr als ein Jahrzehnt blieb der Anschlag ungeklärt. Erst 2020 bekam der Verfassungsschutz einen Tipp eines Zeugen, der auf den Haupttäter verwies - einen heute 29-jährigen Steirer. Sein Mandant ist geständig, beteuert sein Verteidiger. "Er hat damals Anschluss in einer Clique gesucht, als 15-Jähriger. Er hatte nie eine Gesinnung, er hat sich dem Umfeld angepasst."
Im Treffpunkt der Rechtsextremen
Dieses Umfeld sah laut Anklage so aus: Man bewegte sich in einem Lokal in der Obersteiermark, das als bekannt für rechtsextremes Publikum galt. "Dort versammelten sich Leute, die sich mit erhobenem rechten Arm begrüßten", beschreibt der Ankläger.
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Am Dienstag beginnt der Prozess gegen drei Steirer, mittlerweile 28, 29 und 32 Jahre alt. Der 29-Jährige, der die Bombe anbrachte, ist von Beginn an geständig, die beiden anderen Angeklagten 28 und 32 Jahre, wollen mit dem Anschlag nichts zu tun haben.
Worauf die Anklage aufbaut
Auf dem Geständnis des 29-Jährigen baut jedoch die Anklage auf: Der 28-Jährige soll laut Anklage die "Mutprobe" gefordert, der 32-Jährige den Sprengsatz gebaut haben. Doch sie geben nur zu, was nicht abstreitbar ist, ihre damalige rechtsextreme Gesinnung. Wegen dieses Umfelds ist auch NS-Wiederbetätigung angeklagt, deshalb sind Geschworene zuständig und der Strafrahmen mit bis zu 15 Jahren Haft hoch.
"Heute schämt er sich dafür", versichert der Verteidiger des Zweitangeklagten und meint den Rechtsextremismus. Der Anwalt des Drittangeklagten merkt an, man mache "seltsame Dinge", wenn man jung sei.
Geständnis widerrufen
Aber mit dem Anschlag hätten diese beiden, nunmehrigen Familienväter, nichts zu tun: Sie säßen nur vor Gericht, weil der 29-Jährige sie belaste, fälschlich, wie die Verteidiger meinen. Und tatsächlich: Dienstagnachmittag zieht der 29-Jährige plötzlich sein Geständnis zurück - er habe alles bloß erfunden, um die beiden anderen "einzutunken". Und überhaupt: Auch er sei nicht am Tatort gewesen und habe nichts mit dem Sprengsatz zu tun gehabt. Tatsächlich wurden keine DNA-Spuren des Mannes auf den Resten des Sprengsatzes gefunden.
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Das sorgt für Verwirrung im Schwurgerichtssaal in Leoben, wo der Fall verhandelt wird.
Unter dem Druck der Vernehmung durch den Verfassungsschutz habe er gestanden, behauptet der 29-Jährige nun. "Ich wollte in Ruhe gelassen werden." Ganz plausibel scheint das der vorsitzenden Richterin nicht: "Warum gestehen Sie dann etwas, wofür Sie lebenslang ins Gefängnis gehen könnten?" fragte die Richterin.
Der Prozess geht weiter
Der Angeklagte beschreibt, er habe "wohl etwas falsch verstanden" bei der Vernehmung durch die Polizisten: "Ich habe es so verstanden, dass ich meine Unschuld beweisen muss.“ Ein Geständnis sei ihm als der sicherste Weg erschienen, "auf Bewährung" dennoch frei zu bleiben.
Trotz der Wendung wird der Prozess fortgesetzt, der Schwurgerichtshof will wie geplant sämtliche Zeugen befragen.
Verhandlung vertagt
Der Prozess ist für drei Tage angesetzt, doch am frühen Mittwochabend wird vertagt: Es soll ein kriminaltechnisches Gutachten erstellt werden, um zu prüfen, ob der Hauptangeklagte jener Mann auf dem Überwachungsvideo sein könnte. Zudem sind einige Zeugen erkrankt. Die Verhandlung wird im Februar fortgesetzt.
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