Anschläge in Graz: „Ein radikal islamisierter Antisemit“

Anschläge in Graz: „Ein radikal islamisierter Antisemit“
Verdächtiger Syrer soll Asylstatus verlieren. Die Anzahl der antisemtischen Vorfälle hat sich verdoppelt.

Die Angriffe auf die Synagoge in Graz sowie den Präsidenten der Kultusgemeinde, Elie Rosen, sind geklärt: Sonntagabend wurde ein 31-Jähriger gefasst, er ist laut Behörden geständig. Bezüglich seines mutmaßlichen Motivs war Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) am Montag deutlich: „Er ist ein radikal islamistischer Antisemit, der auch noch homophob ist.“ Der Verdächtige soll nicht nur das jüdische Gotteshaus mehrmals beschädigt haben, sondern auch eine katholische Kirche sowie das Vereinslokal der lesbisch-schwulen Bewegung.

„Wir gehen von einem islamistischen Motiv aus“, betonte Nehammer. „Der Verdächtige ist eine Person, die das gesellschaftliche Leben in Österreich ablehnt.“ Der Syrer lebe seit 2013 in Österreich, habe anerkannten Asylstatus und sei derzeit ohne Beschäftigung, wie der Minister weiter ausführte.

Mit Sesselbein attackiert

In seiner Wohnung wurden die „Tatwaffen“ gefunden: Ein Sesselbein, mit dem Elie Rosen, Präsident der Kultusgemeinde in Graz, attackiert worden sein soll, sowie Steine in einem Rucksack. Ein Laptop und mehrere Handys werden erst ausgewertet.

Aberkennung des Asylstatus

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl regierte noch am Montag: Das Verfahren zur Aberkennung des Asylstatus sei bereits eingeleitet worden, hieß es. Präsident Rosen warnte jedoch am Montag davor, in den Attacken von Graz nur einen Einzeltäter zu sehen. „Die Sozialisierung findet im Umfeld und im Internet statt. Taten wie diese bringen genau jene Publizität, die andere als Vorbild nehmen.“

Kein Personenschutz

Antisemitismus sei immer unappetitlich, merkte Rosen an. „Egal, woher er kommt, von rechts, links, oben, unten.“ Gleichzeitig warnte er jedoch auch davor, „politisches Kapital aus dem Fall zu schlagen. Das ist auch unappetitlich.“ Personenschutz nach den ersten Schmieraktionen an der Synagoge habe er sich jedoch nicht gewünscht, versicherte Rosen. „Dieser Angriff war nicht absehbar.“

Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien, warnte, dass „muslimischer Antisemitismus eine ernst zunehmende Bedrohung“ sei. „Aber die jüdischen Gemeinden lassen sich nicht einschüchtern“. Allerdings bedauerte er, dass jüdisches Leben ohne Schutzmaßnahmen in Österreich generell nicht möglich wäre: „Unsere Gebäude müssen geschützt werden. Sonst würden Eltern ihre Kinder nicht in jüdische Schulen schicken.“ Drei Millionen Euro investiere die Kultusgemeinde jährlich in Sicherheitsmaßnahmen.

Vorkehrungen, die nötig scheinen: Die Zahl der antisemitischen Vorfälle hat sich in Österreich in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt. Das zeigt ein erst im Mai von der IKG für das Jahr 2019 veröffentlichte Bericht. Von den 550 dokumentierten Vorfällen hatten 268 einen rechten bis rechtsextremen Hintergrund.

Es waren aber auch 25 Täter linker oder linksextremistischer Gesinnung zuzurechnen. In 31 Fällen gab es eine weltanschauliche oder religiöse Verbindung der Täter zum politischen Islam. Die anderen Vorfälle waren nicht zuordenbar. Das Spektrum reicht von verletzendem Verhalten über Sachbeschädigungen bis hin zu Bedrohungen (18 Fälle) und sechs physischen Übergriffen.

Hohes Bedrohungspotenzial

Die IKG strich bei der Veröffentlichung des Berichts hervor, dass der muslimische Antisemitismus auffällig sei, wenn es um Vorfälle mit hohem Bedrohungspotenzial geht.

Anschläge in Graz: „Ein radikal islamisierter Antisemit“

Die türkis-grüne Bundesregierung hatte sich in ihrem Regierungsprogramm auf die Einrichtungen einer „Forschungs- und Dokumentationsstelle für Antisemitismus, für den religiös motivierten politischen Extremismus (politischer Islam) und für den Rassismus im 21. Jahrhundert“ geeinigt. Eine inzwischen eingerichtete Dokumentationsstelle fokussiert aber nur auf den „politischen Islam“. Das sorgte sowohl für Kritik innerhalb der Grünen, als auch der muslimischen Community. Der Vorwurf: Es gehe um Religionsdiskriminierung.

Keine konkreten Pläne

„Ich halte es für sinnvoll, Antisemitismus in der Zusammenschau seiner unterschiedlichen Ausprägungen zu studieren, um die strukturellen Gemeinsamkeiten zu sehen“, sagt Bernhard Weidinger vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW). Hier sähen die Grünen gerne eine Forschungs- und Dokumentationsstelle für Antisemitismus angesiedelt. Konkrete Pläne gibt es hierfür aber bisher nicht.

Weidinger sieht jedenfalls bei Antisemitismus, egal ob von rechts, links oder mit islamischem Hintergrund, Gemeinsamkeiten in der Ursachenstruktur wie auch in den konkreten Ausdrucksformen – etwa der Assoziation von Juden mit Weltverschwörung und Finanzkapital.

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