Anklage: Truppe von 2840 Schwarzarbeitern am Bau

Rund 10.000 Baufirmen gibt es in Österreich, aber nur knapp 400 Finanzpolizisten, die Kontrollen durchführen.
Mutmaßlicher Drahtzieher Zoki S. soll Wiener Gebietskrankenkasse um 5,72 Millionen Euro geschädigt haben

„Die Anmeldung der Arbeiter bei der Sozialversicherung in der Slowakei und die Beantragung wahrheitswidriger Entsendebestätigungen dienten letztlich dazu, die Tätigkeit der Arbeiter auf (österreichischen) Baustellen als legitim darzustellen und eine allzu leichte Aufdeckung zu erschweren“, heißt es in der 27 Seiten starken Anklageschrift. „Um den Anschein einer legalen Geschäftsbeziehung zu erwecken, wurden Subunternehmerverträge zwischen den österreichischen Auftraggebern und den Scheinunternehmen geschlossen.“

Was der Staatsanwalt hier beschreibt, ist der Modus Operandi, der einer mutmaßlich kriminellen Vereinigung um den 42-jährigen Zoki S. jahrelang saftige Gewinne bescherte. Seit 2006 sollen S. und seine Truppe Tausende Arbeiter hierzulande von einer zur nächsten Baustelle vermittelt haben – ohne die Sozialversicherung und die Lohnabgaben zu bezahlen.

Am 22. Oktober muss S. sich mit drei weiteren Beschuldigten vor dem Wiener Straflandesgericht für angeblich millionenschwere Betrügereien und organisierte Schwarzarbeit zulasten von Gebietskrankenkassen und der Bauarbeiter- Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) verantworten. Diese Teilanklage betrifft aber nur den Zeitraum Februar 2013 bis September 2017.

Der Machthaber

Laut Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft soll Zoki S. mit drei mitangeklagten Handlangern als einer der größten „Arbeitsvermittler“ im Fassadenbau fungiert haben. Die Arbeiter wurden in Österreich rekrutiert, viele stammten aber aus Südosteuropa. S. soll allein die Wiener Gebietskrankenkasse mit 25 Scheinfirmen und 2840 Arbeitskräften um 5,725 Millionen Euro geschädigt haben, die Buak um rund 5,07 Millionen Euro.

Er soll als „faktischer Machthaber“ Scheinfirmen in Österreich und der Slowakei gegründet haben. Als Strohmänner soll er „Personen aus der Slowakei, aus Ex-Jugoslawien und Ungarn angeheuert und deren Unbedarftheit und deren Identitäten benutzt haben: um Gewerbeberechtigungen zu beantragen, Bankkonten zu eröffnen und Dienstnehmer bei der Sozialversicherung anzumelden.

Da aber keine Lohnabgaben und Sozialversicherungsbeiträge bezahlt wurden, konnte S. seine Arbeitskräfte „besonders billig“ anbieten. „Die Preise wurden aber von den (österreichischen) Auftraggebern vorgegeben“, heißt es in der Anklage. Gegen deren Firmenchefs sind ebenfalls Ermittlungsverfahren anhängig.

Flog eine Scheinfirma auf, wurde mit der nächsten ungeniert weitergemacht.

Zoki S. hielt Kontakt zu den Auftraggebern und gab im Bedarfsfall die Rekrutierung neuer Arbeiter in Auftrag“, heißt es in der Anklage weiter. „Für die Arbeiter stellte er eigene Quartiere zur Verfügung und legte auch die Löhne fest.“ Von seinem mitangeklagten Sekretär und Kurier wurden insgesamt 2,9 Millionen Euro von Scheinfirmen-Konten in der Slowakei behoben und nach Österreich gebracht.

Zehn Jahre Haft drohen

„Die Arbeiter erhielten ihren Lohn üblicherweise in bar auf der Baustelle, zum Teil wurden die Löhne auch über Western Union angewiesen“, wirft der Staatsanwalt vor.

Ende September 2017 stoppten die Finanzpolizei und die Kripo mit umfangreichen Hausdurchsuchungen in drei Bundesländern die Machenschaften. Zoki S. und angebliche Komplizen wanderten in U-Haft.

Fünf Wochen später wurde ihm aber bereits die erste „Rechnung“ vom Gericht präsentiert. Denn seit 2012 war schon gegen ihn ermittelt worden. S. wurde wegen schweren Betrugs (in den Jahren 2006 bis 2013) zu fünf Jahren Haft verurteilt. Jetzt drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft. S. soll sich zuletzt umfassend geständig gezeigt haben. Er belastet auch seinen Ex-Sekretär, der aber alles bestreitet. Letzterer hat im ersten Strafprozess bereits viereinhalb Jahre unbedingt ausgefasst.

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