Ärztestreik: Das planen die Bundesländer

Ärzteprotest in Wien im September gegen neue Arbeitszeitregelungen.
Nach der Streikdrohung für Wien. Die Ärztekammern in den Bundesländern sind zwar gegen die 15a-Vereinbarungen, ein Streik ist aber für die meisten noch kein Thema.

Nach dem angekündigten Generalstreik der Wiener Ärzteschaft regt sich auch in den übrigen Bundesländern Widerstand. In Salzburg ist aber ein Generalstreik derzeit kein Thema, sagte der Salzburger Ärztekammer-Präsident Karl Forstner am Mittwoch zur APA. Er kündigte allerdings eine breite Information der Bevölkerung "auf allen Ebenen der Kommunikation" an.

Auslöser für die Streikdrohung in Wien sind sogenannte 15a-Zusatzvereinbarungen zum Finanzausgleich, die in groben Zügen und – das ist das Neue – dank Verordnungen künftig gesetzlich verbindlich regeln, welche Kapazitäten (Spitäler, niedergelassene Ärzte, etc.) für bestimmte Regionen notwendig sind. Die Ärzte-Vertreter wettern gegen diesen Plan, weil ihrer Ansicht nach der "ärztliche Sach- und Hausverstand" plötzlich nicht mehr gefragt sein soll. "Gesundheitsbürokraten" würden künftig die Gesundheitsversorgung entwerfen, und "Gewinn-orientierte Konzerne" anstatt der freiberuflichen Ärzte die Gesundheitsversorgung übernehmen.

"Wir wollen nicht der Mangelverwalter des österreichischen Gesundheitssystems werden"

Finanziell geht es laut Forstner um insgesamt 4,3 Milliarden Euro, die mit der Reform bis 2021 weniger zusätzlich ins Gesundheitssystem fließen sollen als nach der bisher geltenden Regelung. Diese sah vor, dass die Ausgaben im Gesundheitswesen jährlich um 3,6 Prozent steigen sollen, nun soll dieser Prozentsatz von 2017 bis 2021 schrittweise auf 3,2 Prozent gesenkt werden. "Was heißt das? Die Warteräume werden voller, die Wartezeiten - etwa für ein MRI - werden länger, die Betten auf den Gängen werden mehr", sagte der Salzburger Kammerpräsident. "Und gleichzeitig werden wir mehr und älter, und die Innovationen sind teuer." Das österreichische Gesundheitswesen werde mit der Kürzung nicht zusammenbrechen, aber die Menschen würden diese spüren. "Was wir zutiefst ablehnen: Wir wollen nicht der Mangelverwalter des österreichischen Gesundheitssystems werden."

Strukturell befürchtet Forstner, dass Kassenverträge künftig leichter gekündigt werden können. Zudem könnten Ambulatorien dann ohne jegliche Bedarfsprüfung errichtet werden. "Viele Ärzte werden den Schritt in die Selbstständigkeit nicht mehr wagen", befürchtet der Präsident. Denn ein Kassenvertrag sei bisher die Sicherstellung für die Kredite gewesen, die für die Ausstattung der Ordination notwendig sind. Letztlich werde es in Zukunft größere Einheiten geben. Wenn man die Patienten mit Ambulatorien zwangsbeglücke, falle die freie Wahl des Arztes nach dem Vertrauen weg. Zudem äußerte Forstner die Befürchtung, dass Ambulatorien vor allem privat betrieben werden, und dann müssten die Investitionen mit Renditen zurückkommen.

Tirol will sich der ÖÄK anschließen

Auch in Tirol gibt es zwar Unmut, ein Generalstreik wie in Wien sei aber derzeit nicht geplant, sagte Tirols Ärztekammerpräsident Artur Wechselberger, seines Zeichens auch Präsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK). Man werde sich der Vorgangsweise der ÖÄK anschließen.

"Wir werden die Informationsaktionen der Österreichischen Ärztekammer mittragen", erklärte Wechselberger und verwies auf entsprechende Kurienversammlungen in den kommenden zwei Wochen. "Bestimmte Schritte" behalte man sich jedenfalls vor. Tirol sei "genauso betroffen wie alle anderen Bundesländer", so Wechselberger, und diese Betroffenheit werde man mit Maßnahmen zum Ausdruck bringen.

Die Vorarlberger Ärztekammer hat noch keine Entscheidung über allfällige Maßnahmen getroffen. Man werde in der kommenden Woche in den Gremien darüber diskutieren, kündigte Präsident Michael Jonas an. Gleichzeitig betonte er, dass man die Kritik der Kollegen aus den anderen Bundesländern an den von der Regierung geplanten Schritten teile. Aber: "Bei uns wird es ganz sicher keinen Generalstreik geben", kündigte er in den "Vorarlberger Nachrichten" an.

In seiner Funktion als Präsident der Bundesärztekammer hatte Wechselberger bereits am Dienstag eine Informationskampagne angekündigt. Sowohl in den Medien als auch in den Spitälern und Praxen soll die Bevölkerung informier werden. Zudem will die Bundesärztekammer die Aktivitäten der Länderkammern koordinieren.

Der Präsident der Ärztekammer für Oberösterreich, Peter Niedermoser, kündigte gegenüber der APA an, vorerst sei kein Generalstreik geplant. Man wolle bei Protestmaßnahmen in den kommenden Wochen eigene Wege gehen, die aber derzeit nicht dargelegt werden sollen. Die Kammer will zunächst die Patienten und die Bevölkerung informieren, was die 15a-Vereinbarung bedeutet: eine staatlich gelenkte Medizin und Entscheidungen unter Ausschluss der tatsächlich in diesem Bereich Arbeitenden, nämlich den Ärzten. Auch nicht eingebunden seien jene, die das bezahlen - die Patienten.

Zunächst will die Interessenvertretung abwarten, wie die Politik auf die Einwände der Ärzte reagiert. Angesprochen auf eine eventuelle Kündigung aller Kassenverträge durch die oö. Ärztekammer bestätigte Niedermoser, dies stehe im Raum. Zur Drohung mit einem Generalstreik stellte er fest, sollte dieser unter der Dachmarke der Ärztekammer ausgerufen werden, werde man sehen, wie man sich österreichweit verhalte.

In Kärnten rechnet man mit österreichweitem Streik

Auch die Kärntner Ärztekammer hat am Donnerstag Maßnahmen gegen die im Zuge des Finanzausgleichs geplanten Reformen im Gesundheitswesen angekündigt. Wie Präsident Josef Huber sagte, werde man das Volksbegehren der niederösterreichischen Ärztekammer unterstützen. Und: "Wenn es tatsächlich zu einem Generalstreik kommt, so kann ich mir vorstellen, dass das österreichweit passiert."

Im ganzen Land plane die Ärztekammer eine Infokampagne: "Es ist dringend notwendig, dass wir aufklären, welche Einschnitte über den Finanzausgleich auf uns zukommen", so Huber. Als eines der gravierendsten Themen der Reform bezeichnete Huber die Arbeitszeiten der Spitalsärzte: "Es kann nicht sein, dass ausgerechnet Ärzte die Berufsgruppe sein sollen, die kein Recht auf eine 48-Stunden-Woche haben." Weiters befürchtet Huber, dass man mit den geplanten Primärversorgungseinheiten das Mitspracherecht der Ärzteschaft beschneiden will. "Hinzu kommt die Konkurrenzsituation - die Bereitschaft junger Kollegen, eine Praxis zu eröffnen, wenn man ihnen ein Versorgungszentrum vor die Nase setzt, wird wohl enden wollend sein."

Der dritte Kritikpunkt betrifft laut Huber einen drohenden Entfall des Rückersatzes von Wahlarztkosten: "Hier wurden zwar Formulierungen fallengelassen. Aber es ist nicht auszuschließen, dass man das trotzdem vorantreibt."

Steiermark: Rote Linie überschritten

Die steirische Ärztekammer stellt sich entschieden gegen die im Zuge des Finanzausgleichs geplanten Reformen im Gesundheitswesen. Damit sei eine "rote Linie" überschritten. Die Kurienversammlung der niedergelassenen Ärzte habe bereits beschlossen, den Vertrag mit der steirischen Gebietskrankenkasse (GKK) zu kündigen, sollten vorgeschlagene Änderungen nicht berücksichtigt werden.

Laut der Kammer würden auch die angestellten Mediziner die Absicht vollinhaltlich unterstützen und hätten ebenfalls einen entsprechenden Beschluss gefasst, erklärte der steirische Kammerpräsident Herwig Lindner bereits vergangene Woche. Er sehe in der 15a-Vereinbarung auch "eine Gefahr für die steirische Gesundheitsreform". Die Mitarbeit der steirischen Mediziner daran sei bedroht, wenn bundesweit die Ärzteschaft aus der Mitgestaltung der Gesundheitsversorgung hinausgedrängt werde.

Lindner nahm das Parlament in die Verantwortung, die Entwürfe zum Umsetzungsgesetz "in dieser Form nicht zu akzeptieren". Die ärztliche Freiheit und die Versorgungssicherheit für die Patienten sind als "unabdingbarer Bestandteil eines funktionierenden Gesundheitssystems zu erhalten", hieß es in einer Aussendung.

In Wien hatte die Ärztekammer beschlossen, Maßnahmen bis hin zu einem einwöchigen Generalstreik umzusetzen. "Die Art 15a-Vereinbarung und die dazu gehörigen Umsetzungsgesetze, die im Ministerrat am 15. November 2016 beschlossen wurden, werden von der Ärztekammer für Wien vehement abgelehnt", heißt es in einer Resolution.

Und in Niederösterreich initiiert die Ärztekammer ein österreichweites Volksbegehren. Die von Bund und Ländern im Rahmen des Finanzausgleichs beschlossene 15a-Vereinbarung stelle einen massiven Angriff auf das österreichische Gesundheitssystem dar, argumentieren die Spitzen der niederösterreichischen Kammer. Von den dadurch bevorstehenden gravierenden Änderungen seien sowohl Patienten als auch Ärzte betroffen. Daher werde das Volksbegehren eingeleitet.

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