Ära Bures: Millionenschwere Ministeriumskampagne war Plagiat

Ära Bures: Millionenschwere Ministeriumskampagne war Plagiat
Handelsgericht: Druck aus dem Ressort vor Vergabe. Werbeagentur beruft gegen „absurdes Urteil“.

Die Staatsanwaltschaft Wien sah „Vorgänge wie bei Karl-Heinz Grasser“ im Verkehrsministerium von Doris Bures. Zuvor hatte der KURIER die dubiose Vergabe einer schlussendlich mit sechs Millionen Euro dotierten Werbekampagne gegen Alkohol am Steuer aufgedeckt. Bis heute besteht der Verdacht, dass das Angebot verraten wurde. Der Rechnungshof verlangte (vergeblich) die Herausgabe zigtausender eMails aus dem Ministerium, um herauszufinden, wer den Inhalt des Spots nach außen gespielt haben könnte. Bis heute behaupten manche, dass dieser auch im Kabinett lag (was Bures und ihre Mitarbeiter stets bestritten haben).

In einem druckfrischen Urteil kommt das Handelsgericht Wien nun (nicht rechtskräftig) zu dem Schluss, dass die Kampagne der Lowe GGK, die schlussendlich die Vergabe gewann, ein Plagiat ist, also abgekupfert wurde.

Für den Spot gab es zunächst mehrere Bewerber, in der ersten Runde bot die Wien Nord eine Geschichte an, die viele in der Vergabejury überzeugte. Sie schildert im Zeitraffer das Leben eines Mannes, der von einem Alkolenker niedergemäht wird. Dann erscheint der Spruch Alkolenker sind das Letzte“.

Anrufe aus Ressort

Zu Überraschung einiger Jurymitglieder wurde der Spot aber nicht ausgewählt, sondern überraschend eine zweite Runde angekündigt. Eine Kabinettsmitarbeiterin soll Druck ausgeübt haben, dass die Lowe GGK gewinnt, sagten Zeugen vor Gericht. Auch im aktuellen Urteil des Handelsgerichts ist die Rede davon, dass es in der Folge Anrufe und Druck aus dem Ministerium gegeben habe.

Bei der endgültigen Vergabe im September 2009 kommt es zu absurden Szenen. Die Lowe GGK bietet nun plötzlich einen neuen Spot an: Er schildert im Zeitraffer das Leben eines Mannes, der von einem Alkolenker niedergemäht wird. Dann erscheint der Spruch „Alkohol am Steuer. Das Letzte“.

Die Punktevergabe der Jury wird an die Wand projiziert. Beteiligte schildern, dass Ministeriumsmitarbeiter augenscheinlich viele Punkte an die Lowe GGK vergeben und andere mit null Punkten bewerten. Am Ende gewinnt dieser Spot mit 0,3 Punkten Abstand.

Ära Bures: Millionenschwere Ministeriumskampagne war Plagiat

Für Kampagne: Ministerin mit Rapid

Das Verkehrsministerium schmettert Hinweise ab, dass dies alles sehr problematisch sei. Bures, die heute dazu nichts mehr sagen möchte, meinte stets, dass es sich nur um eine Auseinandersetzung von Agenturen handle. Der Spruch wurde aber geändert auf „Alkohol am Steuer: Könnten Sie damit leben?“.

Teure Folgen

Hält das Urteil, könnte es zur Zahlung einer sechs- oder eventuell sogar siebenstelligen Zahlung der Lowe an die unterlegene Wien Nord führen. Laut Urteil muss nicht nur der Erlös aus dem Spot, sondern vermutlich auch der Imagegewinn (etwa aus der Nominierung für den Staatspreis Werbung) abgegolten werden. Die Lowe war danach im Verkehrsbereich gut im Geschäft, so zog sie einen millionenschweren Rahmenvertrag der Asfinag an Land. Ob so etwas auch abgegolten werden muss, ist noch unklar.

Die Wien Nord (vertreten durch die Salzburger Kanzlei Schöpf, Maurer und Bitschnau) will zum aktuellen Urteil gar keinen Kommentar abgeben. Der damals zuständige Agenturchef der Lowe GGK, Rudi Kobza, der stets die Eigenkreation betonte und ein Plagiat abstritt, hat das Unternehmen verlassen. Sein Nachfolger Michael Kapfer nennt das Urteil „völlig absurd“ und kündigt eine Berufung an.

Sein Anwalt Gerald Ganzger fügt hinzu: „Nach neun Jahren Verfahrensdauer erging nun ein Teilurteil. Bis zur endgültigen Entscheidung werden sicher noch weitere Jahre vergehen. Irgendwelche Beträge wurden noch gar nicht zugesprochen.“

Die Ära Bures im Verkehrsministerium (2008 bis 2014) scheint jedenfalls weitere Kratzer abzubekommen. Der Rechnungshof kritisierte erst vor wenigen Wochen, dass (teils auch in ihrer Amtszeit) Millionen in der Bundesanstalt für Verkehr versickerten. Die Rettungsgasse wurde ebenfalls zu einem Desaster - trotz Millionen Euro an Kosten für die Einführung ist bis heute keine Sekunde Zeitersparnis für die Retter nachweisbar.

Die Chronologie der Vergabe:

Im Jahr 2009 macht der Verkehrssicherheitsfonds, der aus den Einnahmen der Wunschkennzeichen gespeist wird, 3,5 Millionen Euro locker. Der Fonds wurde schon von Verkehrsminister Werner Faymann für Eigenwerbung verwendet, nun nutzt dies auch seine Nachfolgerin Doris Bures. Damals waren Ministerfotos in Werbungen noch erlaubt.

Die Kampagne gegen Alkohol am Steuer läuft 2010, wird – auch mit externen Geldern – auf sechs Millionen Euro aufgestockt und 2011 mit einer Nominierung zum Staatspreis Werbung vom Wirtschaftsministerium ausgezeichnet.

Im Jahr 2012 berichtet der KURIER über die „Goldader Wunschkennzeichen“ und die eigenartige Verwendung von für die Verkehrssicherheit zweckgebundenen Geldern – etwa für Inserate mit Ministerfotos im Boulevard. Auch die fragwürdige Vergabe des Werbespots gegen Alkohol am Steuer wird dadurch erstmals zum Thema.

Ab 2013 ermittelt die Staatsanwaltschaft und spricht davon, dass das Angebot verraten wurde – es sei aber unklar von wem. Der Rechnungshof startet ebenfalls eine Prüfung der Vergabe. Er fordert die Herausgabe von Zigtausenden eMails aus dem Verkehrsministerium, was höchstgerichtlich untersagt wird.

2014 stellt die Staatsanwaltschaft einen Teil der Ermittlungen ein, einen anderen Teil nur ruhend. Im Jahr 2015 meint der Rechnungshof, die Vergabe der Kampagne sei „dahingehend beeinflusst worden, eine bestimmte Agentur zu beauftragen“.

2016 sagt Ex-Verkehrsministerin Doris Bures im Prozess der beiden Agenturen aus. „Niemals gab es meinerseits den Wunsch für eine bestimmte Agentur“, sagt sie vor dem Handelsgericht.

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