Neue Hinweise auf Amtsmissbrauch

Anti-Alkohol-Kampagne Bures
Nach sechs Monaten Ermittlungen wurden wichtige Zeugen noch nicht einvernommen.

Der Fall rund um möglichen Amtsmissbrauch im Verkehrsministerium weitet sich aus. Wie im Herbst berichtet, gibt es Vorwürfe, dass die Vergabe einer 3,5 Millionen Euro teuren Kampagne gegen Alkohol am Steuer manipuliert worden sein könnte. Nach neuen KURIER-Recherchen gibt es nun auch Hinweise auf die Beteiligung einer Spitzenbeamtin des Ressorts.

Für die Staatsanwaltschaft Wien scheint das alles kein Grund für übertriebene Eile zu sein. Seit sechs Monaten wird in der Causa mit Skandal-Potenzial bereits ermittelt. Mehrere Mitglieder der für die Vergabe des Spots zuständigen Kommission bestätigen aber, bisher noch nicht einmal einvernommen worden zu sein. Dabei könnten sie einiges erzählen. Sie berichten (teilweise in einem Zivilverfahren vor dem Handelsgericht und teilweise gegenüber dem KURIER) von einem mutmaßlichen Amtsmissbrauch, der bis in höchste Stellen reichen könnte.

Bisher gab es nur eine Konsequenz: Jener Ministerialrat, der über die Vorgänge rund um den Spot in einem Zivilprozess ausgesagt hat, ist aus der Geschäftsführung des Verkehrssicherheitsfonds, aus dem die Millionen für die Alkohol-Kampagne stammen, ausgeschieden. „Auf eigenen Wunsch“, wie im Ministerium erklärt wird. Übrigens zwei Monate, nachdem der KURIER erstmals über die umstrittenen Vorgänge berichtet hat.

Hintergrund dieser Causa ist der Wunschkennzeichenfonds (siehe unten), aus dem das finanziert wurde. Ein Expertenbeirat aus Vertretern von Automobilclubs, Kuratorium für Verkehrssicherheit oder der Wirtschaftskammer wacht darüber, dass die Gelder der Autofahrer aus diesem millionenschweren Topf so eingesetzt werden, wie sie zweckgebunden sind – für die Verkehrssicherheit.

Experten ausgeschaltet

Im Jahr 2008 wurde offenbar erstmals in großem Stil am Beirat des Fonds vorbeigearbeitet. Zwei Millionen Euro wurden – ohne die Experten zu fragen – für die Kampagne „Erst denken, dann lenken“ verbucht. So nennt sich eine Reifenprüf-Aktion von Bridgestone und ÖAMTC, die in diesem Jahr durchgeführt wurde. Beide erklären, nie auch nur einen Cent des Fonds dafür erhalten zu haben. Im Büro von Verkehrsministerin Bures heißt es, dass damit verschiedenste Inseraten-Kampagnen über das Jahr verteilt bezahlt wurden. Allein das wäre wohl aufklärungswürdig. Aber es kommt noch dicker: Mitbegünstigter dieser Kampagne, die es so nicht gegeben hat, ist die Agentur eines Werbers, der wenig später beim Alkohol-Spot unter merkwürdigen Umständen die Ausschreibung gewinnt.

Fix ist, dass mehrere Agenturen Vorschläge für diesen Spot gegen Alkohol am Steuer einbringen. In der ersten Sitzung wird die Kampagne einer Wiener Agentur als beste bezeichnet. Dann geschieht – laut Zeugen – Folgendes: Eine (dem KURIER namentlich bekannte) hohe Ministeriumsbeamtin erklärt, dass der Zweitgereihte gewinnen solle. Es wird eine zweite Sitzung einberufen. In dieser präsentiert der zweitgereihte Werber so plötzlich wie überraschend einen neuen Spot. Dieser ist praktisch ident mit dem des Erstgereihten (dem KURIER liegen entsprechende Unterlagen vor). Der Jurist der Bundesbeschaffung (BBG) verlässt den Raum, es wird der ursprünglich zweitgereihte (30.000 Euro teurere) Spot zum Sieger erklärt.

Im Bures-Büro betont man, dass diese Entscheidung „in einem zweistufigen Verfahren“ von der BBG durchgeführt wurde und diese verantwortlich sei. Der BBG-Chef behauptet, alles sei mit rechten Dingen zugegangen. Die Staatsanwaltschaft könnte aufklären, hat aber noch „nicht einmal ein Teilkapitel“ abgeschlossen.

Neue Kampagne geplant

Vor wenigen Tagen wurde der Geschäftsbericht des Fonds für 2012 vorgelegt. Erneut wurden 4,5 Millionen Euro ohne Empfehlung des Beirats genehmigt. Auch soll es wieder eine Verkehrssicherheitskampagne geben. Statt der geplanten bis zu 4,5 Millionen Euro werden aber nun aber doch nur 2,5 Millionen dafür ausgegeben. Derzeit läuft die Ausschreibung.

200 Euro: So viel zahlen Autofahrer für ein Wunschkennzeichen. Dieses Geld fließt seit 1989 direkt in den Verkehrssicherheitsfonds, dazu kommen die Einnahmen aus Geldstrafen. Im Vorjahr waren das insgesamt 5,2 Millionen Euro.

Beirat: Verkehrsexperten diverser Institutionen wachen darüber, dass das (zweckgebundene) Geld für sinnvolle Projekte ausgegeben wird. 2012 genehmigten sie rund 800.000 Euro. Weitere 4,5 Mio. Euro werden vom Ministerium am Beirat vorbei ausgegeben.

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