"Wir haben in den vergangenen zehn Jahren alles das nicht gemacht, was es für eine digitale Allgemeinbildung braucht. Wir haben es nicht geschafft, dieses Thema in die Breite zu bringen." Wolf Lotter ist Journalist, gefragter Redner und erfolgreicher Buchautor.
Soeben ist sein neues Werk "Echt. Der Wert der Einzigartigkeit in einer Welt der Kopien" erschienen. Die Angst vor Transformation, vor Digitalisierung und vor Künstlichen Menschen stecke in den Menschen drin, so Lotter.
"Diese Angst ist zum Teil legitim", sagt Martina Mara. Die Linzer Wissenschaftlerin forscht intensiv zum "Anthropomorphismus". Das ist die Übertragung menschlicher Eigenschaften auf Künstliche Intelligenzen oder Maschinen.
"Darin sind wir Menschen erstaunlicherweise gut. Wir sehen schnell Menschliches in unserem nicht-menschlichen Gegenüber, etwa wenn wir einem Auto einen Spitznamen geben oder sagen, dass der Roboterrasenmäher müde ist, wenn er zur Ladestation zurückfährt."
Originelles Denken als Muss
Technologien wären ein tolles Werkzeug, wenn wir wüssten, wie wir sie einsetzen sollen, konstatiert Lotter. "Wir brauchen Wertschätzung für alle, die originell denken und Probleme individuell lösen können. In einer Welt voller Fälschungen ist Einzigartigkeit das einzige, was uns bleibt."
Fälschungen aller Art, Fake-News kommen in den Monaten des Super-Wahljahrs 2024 auf uns alle zu, sind sich Mara und Lotter einig: "Es gibt so genannte AI-Influencerinnen, das sind gefälschte Profile virtueller Figuren, für die ein komplettes Leben entwickelt wird. Die beziehen dann unter anderem auch politisch Stellung", erklärt Mara.
Im letzten US-Präsidentschaftswahlkampf sei dieses Phänomen schon verstärkt zu beobachten gewesen: "Es muss allen bewusst sein, dass dahinter Interessen und Motive menschlicher Natur stecken." Auch für den Wahlkampf in Österreich sei dieses Konzept der AI-Influencer leicht umzusetzen und "das ist gar nicht teuer. Deswegen ist das wirklich ein relevantes Thema", sagt die Roboter-Psychologin.
Die Grenze zwischen Lügen und Manipulation sei fließend, warnt Lotter. "Alles, was nett, freundlich und ohne Kritik daherkommt, das ist der Feind. Ein kritisch-zweifelnder Mensch zu sein, ist der einzige Weg." Dafür brauche es viele kompentente, digital gebildete Menschen: "Dazu braucht es das Bewusstsein, dass das jetzt keine Übung mehr ist, sondern eine ernste Sache."
Das belegen auch Daten aus der Digital Skills Studie 2023: Nur 16 Prozent der Befragten gaben an zu wissen, was KI überhaupt bedeutet. "Wie gesagt: Europa ist abgehängt, digital und damit dann auch wirtschaftlich", resümiert Lotter. Und Mara ergänzt: "Und wir sind somit abhängig von Produkten aus anderen Erdteilen und anderen Wertesystemen."
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