Winzig: „Das Verbrennerverbot verschieben“

Angelika Winzig ist die Kandidatin der ÖVP Oberösterreich für das Europaparlament. Auf der Bundesliste steht sie auf Platz zwei hinter dem Spitzenkandidaten Reinhold Lopatka
Angelika Winzig, Europaparlamentarierin der ÖVP, plädiert für eine Verschiebung des Verbrennerverbots, der Green Deal brauche Zeit für die Umsetzung.

Angelika Winzig (ÖVP) gehört seit 2019 dem Europaparlament an. Die 61-jährige Unternehmerin beschäftigt sich mit Fragen des EU-Budgets, mit internationalem Handel, Industrie, Technologie und Telekom.

KURIER: ORF-Moderator Armin Wolf hat auf X in einem Posting auf Ihren Plakatspruch „In Brüssel zählt für mich nur eines: Oberösterreich“ gefragt, wie denn Ihr Slogan in den anderen Bundesländern ankommen wird. Wie kommt er an?

Angelika Winzig: Wenn man pointiert auftritt, kommt man endlich einmal in den Medien vor (lacht). Ich finde das ein bisschen lächerlich, denn als Europäische Union haben wir das Motto „In Vielfalt geeint“, was heißt, dass die EU die Regionen abbildet. Ich bin im Wahlkampf auch in Niederösterreich und in Salzburg aktiv, weil diese Länder wollten, dass ich dort auftrete. Wenn in Europa etwas schiefgeht, haben wir als Oberösterreich am meisten zu verlieren. Wir sind das Industriebundesland und Exportbundesland Nummer eins, wir sind in Teilen der Landwirtschaft Nummer eins.

Oberösterreich will bis 2030 Modellregion fürKünstliche Intelligenz (KI) werden. Professor Sepp Hochreiter ist hier ein international anerkannter Wissenschafter. Der Bund gibt dafür 20 Millionen Euro. Welche EU-Gelder können Sie dafür requirieren?

Ich bin überzeugt, dass sie Geld von Horizon Europe (EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation, Anm. d. Red.) lukrieren. Unsere Betriebe sind deshalb so erfolgreich, weil sie mit anderen Ländern Forschung betreiben.

Können Sie als Abgeordnete hier einen Beitrag leisten?

Wir können uns das einmal anschauen. Es gibt einen großen Katalog, wo was und wann gefördert wird. Mich hat deshalb noch niemand kontaktiert. Wir als EU sind das einzige Parlament, das bisher eine Regelung für KI hat. Die Amerikaner überlegen nun, unser Modell zu übernehmen.

Die Industrie und Ihre konservative Fraktion will das Verbot von Verbrenner-Autos ab 2035 zu Fall bringen. Sie persönlich haben bei der Abstimmung gegen das Verbot gestimmt, einige in Ihrer Fraktion dafür.

Es war nur einer, das war Othmar Karas. Wir haben beim Green Deal alles auf Elektromobilität gesetzt. Es wurde dabei nicht nachgedacht, ob wir die entsprechenden elektrischen Netze und ob wir die notwendigen Kobaltvorkommen haben. Man braucht pro E-Auto mindesten acht Kilogramm Kobalt. 115 Millionen Tonnen gibt es davon weltweit, die meisten befinden sich in Diktaturen. Man wird sehen, ob wir in elf Jahren noch genügend davon haben.

Wir brauchen Technologieoffenheit, damit wir viele verschiedene Möglichkeiten haben. Wenn beim Verbrenner noch geforscht wird, wird es auch hier Fortschritte geben. Die Formel I startet nun mit synthetischen Kraftstoffen. 2035 kommt rasch für die Automobilindustrie. Man muss das auf der Zeitschiene verlängern.

Also eine zeitliche Verschiebung?

Ja. Wir müssen auch sehen, was sich beim Wasserstoff entwickelt. Auch hier haben wir dasselbe Thema. Wir zielen nur auf grünen Wasserstoff ab. Die Amerikaner machen es genau anders. Sie lassen alle Varianten zu, bis sich die beste herauskristallisiert. Wir in Europa begrenzen uns. Das stört mich.

Alle reden vom Wasserstoff, die Industrie braucht ihn dringend, die Lkw ebenso. Warum geht hier nicht mehr weiter?

Die Produktion von Wasserstoff ist derzeit nicht billig. Man weiß auch noch nicht so genau, welche Anwendungen optimal sind. Es tut sich momentan sehr viel. Es ist erfreulich, dass Oberösterreich hier investieren und ein Hub für Wasserstoff werden will. Wasserstoff ist derzeit noch ein knappes Produkt. Man sollte ihn dort einsetzen, wo man ihn am dringendsten benötigt.

Das ist wo?

Man muss einmal vornehmlich die Industrie bedienen. Die Umsetzung des Green Deal ist für unsere Industrie schwierig. Die Deindustrialisierung ist spürbar, vor allem in Deutschland. Das sind keine bloßen Sprüche.

Wo investieren dann die Unternehmen?

Zum Beispiel in den USA. Dort ist die Bürokratie gering und die Energie billig. Zudem gibt es lukrative Steuergutschriften. Die BASF als weltgrößter Chemiekonzern verdient in Europa keinen Euro und investiert nun Milliarden in China.

War der Green Deal ein Fehler?

Klimaschutz ist wichtig, aber die Umsetzung ist falsch. Den Firmen werden Vorschriften über Vorschriften gemacht, aber es gibt kaum Anreize. Der Green Deal ist falsch aufgesetzt worden.

Ursula von der Leyen ist als Kommissionspräsidentin dafür verantwortlich, sie gehört Ihrer Fraktion an und möchte neuerlich Präsidentin werden.Sie ist umstritten, IV-Präsident Stefan Pierer kritisiert sie massiv.

Ja, sie ist umstritten. Sie ist im Parlament mit einer Mehrheit von lediglich acht Stimmen gewählt worden. Der Preis, den sie den Linken bezahlt hat, war der Green Deal. Sie hat dann auch noch das Heft aus der Hand gegeben, denn umsetzt hat ihn ihr Stellvertreter, der Sozialist Frans Timmermans. Im Green Deal sind Auflagen enthalten, bei denen man sich auf den Kopf greift.

Wo zum Beispiel?

In der Entwaldungsrichtline. Die Linken wollen nicht, dass der Wald bewirtschaftet wird. Die Auflagen sind extrem hochgeschraubt. Da greift sich jeder Bauer auf den Kopf.

Sollte anstelle von Ursula von der Leyen eine andere Persönlichkeit Präsident/in werden?

Ich bin leider nicht befugt, Kandidaten auszuwählen. Es wäre zum Beispiel die Parlamentspräsidentin Roberta Metsola aus Malta eine sehr gute Kandidatin.

Bei unserem Interview vor fünf Jahren haben Sie sich gegen die Sanktionen der EU gegen Russland wegen der Besetzung der Halbinsel Krim ausgesprochen. War das nicht angesichts des Krieges, den Putin 2022 gegen die Ukraine vom Zaun gebrochen hat, eine Fehlhaltung? Hat diese zahnlose Haltung Putin nicht zum Krieg ermutigt? 85

Ich glaube nicht, dass das ein Fehler war. Auch wenn Sanktionen verhängt werden, gibt es immer Möglichkeiten, ihnen auszuweichen.

Der frühere Handel mit Russland läuft jetzt über den Umweg Türkei, russisches Erdöl kommt nun über Indien nach Europa. Die Produkte sind halt teurer.

Vielleicht sind Sanktionen die einzige Möglichkeit, die wir haben oder vielleicht sollten wir etwas anderes machen? Am effektivsten bestraft man, indem man den Leuten das Geld nimmt. Das sehen wir am Beispiel des ungarischen Ministerpräsidenten Orbán. Ich finde es gut, dass man nun den russischen Oligarchen das Geld wegnimmt.

Und der Ukraine zur Verfügung stellt?

Ja, das finde ich richtig.

Wie sollte die EU mit Putin umgehen?

Die EU hat hier eine klare Position und sie verfestigt sich durch die osteuropäischen Länder. Viele meiner Kolleginnen und Kollegen hatten mit Putin bzw. Russland zu tun, sie hassen Putin bzw. die Russen. Putin ist ein gefährlicher Mensch.

Wann wird die Ukraine der EU beitreten?

Wir haben zehn Länder, die auf der Beitrittsliste stehen. Das wird lange dauern. Zuerst muss einmal der Krieg vorbei sein. Dann müssen die Kriterien wie Rechtsstaatlichkeit und Demokratie erfüllt werden. Die Ukraine ist beim Korruptionsindex führend. Das hat sich im Krieg sicher nicht gebessert. Ich weiß nicht, ob ich einen Beitritt der Ukraine noch erleben werde.

Die EU tut sich im Umgang mit China schwer. Einerseits besteht ein reger Handel und Firmen investieren in China, andererseits gibt es Kritik am Umgang mit Minderheiten (Uiguren, Tibeter) und an der kommunistischen Diktatur (Menschenrechtsaktivisten in Hongkong). Hiesige Firmen beklagen den teilweise unfairen Wettbewerb, China subventioniert zum Beispiel der Produktion von E-Autos und überschwemmt unsere Märkte. Wie soll man mit China umgehen?

So wie man mit einer Diktatur umgehen muss. Man darf sie nicht als Freunde behandeln, man muss wissen, dass sie nur Interessen verfolgen. In einer Diktatur kann man anordnen, dass man nur mehr Elektroautos produziert, in einer Demokratie ist das nicht möglich.

Halten Sie Strafzölle für gerechtfertigt, wie Von der Leyen angedeutet hat?

Man muss schauen, was man mit Zöllen belegt. Es gilt hier auch das Motto „wie du mir, so ich dir“. In einigen Bereichen wie bei Zement belegen wir China schon mit Zöllen. Wir müssen etwas machen, denn wir müssen unseren Markt schützen. Der Binnenmarkt ist unser wertvollstes Gut.

Es gibt in Oberösterreich unterschiedliche Positionen zu China. Fronius-Chefin Elisabeth Engelbrechtsmüller-Strauß fordert Schutzmaßnahmen gegen die von China staatlich subventionierte Produktion von Wechselrichtern (Photovoltaik), KTM-Chef Stefan Pierer meint, unsere Firmen sollten auch Produktionsstätten in China errichten.

Es wird sicher einige geben, die nach China gehen müssen. Wir müssen andererseits auch schauen, dass die Industrie im Land bleibt. Wie problematisch das werden kann, sieht man am Beispiel der Medikamente. 95 Prozent der Medikamente kommen aus China. Wenn es dann plötzlich zu Ausfällen oder zu extrem hoher Nachfrage bei Krisen kommt, sind wir nicht mehr versorgt. Wir haben das auch am Beispiel der Chip-Produktion in der Covid-Zeit gesehen. Wir werden in kritischen Sektoren Produktion nach Europa zurückholen müssen. Die Lieferketten sind sehr fraglich. Ich war

auf Betriebsbesuch beim Schlachtbetrieb Großfurtner. Er hatte durch die Angriffe der Huthi-Rebellen auf Handelsschiffe Problem bei seinen Fleisch-Exporten nach China.

Österreich bezieht nach wie vor den Großteil seines Gases aus Russland. Ist das aus Ihrer Sicht problematisch?

Es wäre uns allen lieber, wenn das nicht mehr der Fall wäre. Es muss zum Beispiel die Gasleitung im Mühlviertel geschlossen werden, damit wir mehr Gas aus Deutschland beziehen können. Das geht alles nicht von heute auf morgen. Wenn es so einfach wäre, hätten wir es schon gemacht. Wir müssen auf erneuerbare Energien umstellen, das geht auch nicht von heute auf morgen. Die Umsetzung braucht Zeiträume. Wir werden das machen müssen, aber wir brauchen Zeit für die Transformation. Der Green Deal umfasst 136 Gesetze, manche glauben, das kann man alles von heute auf morgen ändern. Das geht nicht so schnell.

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