Sexuelle Belästigung: Wenig Verfahren

Symbolbild
Das Problembewusstsein nimmt zu, doch der Gerichtsweg wird wenig beschritten.

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz – beinahe jede Frau ist im Laufe ihres Berufslebens damit konfrontiert. "Wenn man den Begriff weit fasst und sexuelle Belästigung nicht erst beginnt, wenn schon Hand angelegt wird, ist das gut nachvollziehbar", verweist der oö. Arbeiterkammer-Präsident Johann Kalliauer auf entsprechende Studien. Bei den Tätern soll es sich häufig um Vorgesetzte handeln. Aktuell sorgt beim Roten Kreuz Oberösterreich ein Belästigungs-Vorwurf gegen einen hochrangingen Mitarbeiter für Aufregung.

"Sexuelle Belästigung gilt bereits als häufigste Form der Diskriminierung", sagt Kalliauer. Das zeigt auch die Bilanz der AK-Gleichbehandlungsberatung. "Fast drei Viertel der im Jahr 2015 aufgenommenen Akten im AK-Frauenbüro betreffen sexuelle Belästigung", sagt Kalliauer. Nur sehr wenige gehen aber tatsächlich vor Gericht. In Wien etwa wurden im Vorjahr lediglich zwanzig Verfahren geführt. Kalliauer: "Viele willigen lieber in einen außergerichtlichen Vergleich ein."

Dies bestätigt auch Waltraut Schlögl von der Beratungsstelle für sexuelle Belästigung der Universität Wien: "Leider haben viele Angst, vor Gericht zu gehen." Angst, dass einem nicht geglaubt werde, dass man dem Beschuldigten gegenübertreten müsse oder dass man gar den Job verliere. In ihrer Beratungsstelle verzeichne man in den vergangenen 15 Jahren eine etwa gleichbleibende Anzahl von Beschwerden.

Sexuelle Belästigung: Wenig Verfahren
AK-OÖ-Präsident Kalliauer: Aktuelle Regelung ist ungerecht
Kalliauer wiederum schätzt, die Zahl der einschlägigen Fälle habe sich im AK-Frauenbüro in den vergangen Jahren mehr als verdoppelt: "Das hat mit dem steigenden Problembewusstsein zu tun. Immer mehr Frauen sind inzwischen der Ansicht, sich auch gegen Anzüglichkeiten zur Wehr setzen zu müssen." Auch in den Führungsetagen sei das Problembewusstsein gestiegen.

Wie wichtig es ist, gegen schwarze Schafe vorzugehen, zeigt der Fall einer Sales Managerin, die von ihrem Vorgesetzen sexuell belästigt wurde. Er fragte nach ihrer Verhütungsmethode, machte anzügliche Bemerkungen und forderte sie bei Geschäftsreisen auf, in sein Zimmer zu kommen. Die Akademikerin beschwerte sich über den Mann. Doch anstatt Hilfe zu bekommen, wurde sie versetzt und musste 1000 Euro Gehaltseinbußen hinnehmen. Als die Frau das verweigerte, wurde ihr gekündigt. Die AK verhalf ihr zu 8500 Euro Entschädigung.

Rotkreuz-Chef

Am Montag wurden die Mitarbeiter des oö. Roten Kreuzes darüber informiert, dass ihr Landesrettungskommandant seit Freitag mit sofortiger Wirkung von allen Funktionen entbunden sei. Eine ehrenamtliche Mitarbeiterin einer Rotkreuz-Ortsstelle beschuldigt Christoph P., sie während eines Dienstes sexuell belästigt zu haben. Rotkreuz-Landespräsident Walter Aichinger erfuhr Freitagvormittag von den schwerwiegenden Anschuldigungen und berief eine Krisensitzung ein. "Dem Landesrettungskommandanten wurde ein schwerwiegendes Fehlverhalten als Führungskraft vorgeworfen, wir mussten umgehend reagieren", sagt Aichinger. Da P. die Anschuldigung nicht völlig entkräften konnte, habe man sich einvernehmlich von ihm getrennt: "Bei Vorgesetzten ist der Maßstab extra streng, sie unterliegen einer ganz besonderen Verantwortung."

Sexuelle Belästigung gilt als Gewaltausübung und Anschlag auf die Würde eines Menschen. Maßgeblich ist das Empfinden der belästigten Person und nicht die Absicht des Belästigers. Strafrechtlich ist der Diskriminierungstatbestand im §6 des Gleichbehandlungsgesetzes geregelt.

Die Liste der bereits in der Praxis abgehandelten Fälle geht weit über das Begrapschen hinaus. Das Aufhängen von sexuell anzüglichen Bildern am Arbeitsplatz oder das Verwenden solcher Bilder am Computer gilt als vielfach unterschätzte Belästigung. Auch das Zeigen und Verteilen pornografischer Utensilien oder Bilder kann von Opfern als Demonstration von Macht empfunden werden. Das in Bürorunden oft praktizierte Erzählen anzüglicher Witze oder das Hinterherpfeifen könnte für die "Witzbolde" teuer werden.

In einem Katalog der AK OÖ wird auch davor gewarnt im Berufsalltag Kosenamen wie "Schätzchen" zu verwenden. Ebenso können Bemerkungen über die Figur oder Kleidung einer Kollegin als belästigend bewertet werden. In der Konversation haben Bemerkungen zum eigenen Intimleben oder dem anderer nichts verloren.

Unangenehme Folgen kann das Versenden von eMails oder SMS mit sexuellem Inhalt haben. Naheliegend ist, dass das Starren auf Brüste oder in Ausschnitte, aufgezwungene Küsse oder unerwünschte Umarmungen strafrechtliche Folgen haben können.

Bei sexueller Nötigung, Vergewaltigung oder Erpressung bei sexueller Abweisung stehen dann nicht mehr saftige Entschädigungszahlungen, sondern Haftstrafen bis zu zehn Jahre für die Täter an.

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