Scheuer: „Auferstehung heißt, es wird wieder gut“
Für die Christenheit ist Ostern das zentrale Fest. Rund 900.000 Menschen der 1,5 Millionen Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher sind römisch-katholisch. Ihr oberster Hirte ist Manfred Scheuer, der seit acht Jahren Bischof von Linz ist. Zuvor war er 13 Jahre Bischof von Innsbruck. Der 68-Jährige stammt aus Haibach ob der Donau (Bez. Eferding) und ist auch stellvertretender Vorsitzender der österreichischen Bischofskonferenz.
KURIER: Was bedeutet Ostern, das Fest der Auferstehung?
Manfred Scheuer: Es ist ein Vollzug, ein Ereignis, zu dem Leben, Tod und Auferstehung Jesu zusammengehören. Auferstehung heißt, es wird wieder gut, der Tod hat nicht das letzte Wort. Hass, Vergiftung Feindschaft werden überwunden. Der Ostergruß lautet „Der Friede sei Euch“. Das halte ich in der gegenwärtigen Situation für bedeutend.
Das Positive siegt über das Negative?
Wir vertrauen darauf, dass Gott mit den Toten etwas anfangen kann, dass Leute zusammenfinden, die nicht miteinander können.
Das ist nicht einfach.
Es ist nicht einfach ein Sieg, wo es Sieger und Besiegte gibt, sondern es hat mit Versöhnung und Frieden andere Dimensionen.
In den römisch-katholischen Messen heißt es, er, Jesus, ist für uns am Kreuz gestorben. So manche Menschen haben mit dieser Aussage ein Problem. Sie sagen, für mich hat er nicht sterben müssen.
Es ist die durch das Kreuz gegangene Liebe, die zu Ostern wirklich ist. Das ist etwas anderes als die Aussage, er hat für diese oder jene sterben müssen. Jesus hat in der Feindschaft oder im Tod die Liebe und das Verzeihen durchgehalten. Das ist damit gemeint.
In der traditionellen Verkündigung wird den Gläubigen gesagt: Ihr habt so viel gesündigt, dass Jesus für euch am Kreuz hat sterben müssen.
Ich drehe das um. Wie wird das, was an Gewalt in der Welt geschieht, wieder gut? Wie wird das, was im Leben kaputt ist, wieder lebendig? Wie wird das, was Menschen ruiniert, wieder mit Hoffnung und Zuversicht erfüllt? Die Antwort, die vom Kreuz her kommt, ist, dass die Liebe stärker als der Tod ist.
Wenn wir uns die Kriege in der binären Logik ansehen, gibt es da die Guten, dort die Bösen, da die Sieger, dort die Besiegten, da die Aggressivität und dort die Opfer. Aber damit kommen wir nicht weiter. Die Frage ist, wie werden die negativen Folgen von ganz schlimmen Taten abgearbeitet? Wird das wieder gut?
Zum Thema Leiden kenne ich ein Gebet, das lautet: „Gott, lass’ uns das Leiden verändern, wo wir es verändern bzw. aus der Welt schaffen können. Und lass’ uns das aushalten und tragen, was wir jetzt nicht aus der Welt schaffen können. Und gib’ uns den Mut und die Fähigkeit, das eine vom anderen zu unterscheiden. “ Es gibt auch die Situation, wo es jetzt nicht möglich ist, das Leid zu beenden, und wo man trotzdem eine Beziehung oder Liebe nicht aufgibt.
Wird mit dem Satz „Jesus ist für die Sünden der Menschen gestorben“ den Menschen nicht ein schlechtes Gewissen gemacht?
Das schlechte Gewissen sollten wir dann haben, wenn wir uns gegenseitig umbringen. Von Bert Brecht gibt es das Wort, es gibt ganz unterschiedliche Weisen, Menschen umzubringen, nur ganz wenige sind vom Staat verboten. Wenn zum Beispiel Mobbing oder Rufmord betrieben wird.
Wenn in den sozialen Medien jemand an den sozialen Pranger gestellt und damit quasi öffentlich hingerichtet wird?
Eine bestimmte Gewissensbildung würde uns hier guttun, statt kaltschnäuzig, vollkommen gleichgültig und kalt zu sein. Gerade auch im Hinblick auf die sozialen Medien zu schauen, wie man öffentlich miteinander umgeht und wie man übereinander redet. Ein schlechtes Gewissen ist notwendig, wenn uns Humanes noch kostbar und wichtig ist.
Wie soll man das Zeichen des Kreuzes sehen? Es steht primär dafür, dass Jesus brutal hingerichtet wurde. Es ist total negativ besetzt.
Es ist nicht das Kreuz und das Leiden an sich, das in die Mitte gestellt wird, sondern die gekreuzigte Liebe. Die Kirchenväter sagen, das Kreuz ist das Zeichen dafür, dass Gottes Liebe bis ins Letzte und bis zum Ende geht. Sie hört nicht an einem bestimmten Punkt auf, sie ist auch nicht kalkulierend. Sie hält durch, auch im Unglück. Das ist die Botschaft, die uns in Erfahrungen von Einsamkeit, Zerrüttung und Krankheit guttut. Dass da Menschen sind, die nicht kalkulieren und in Freundschaft da sind. Jesus hat nicht die Welt verändert, er war einfach da.
Papst Franziskus hat sich zum Krieg in der Ukraine geäußert, was dort auf großes Unverständnis gestoßen ist. Wie sehen Sie die Sätze des Papstes?
Das Wort vom Mut zur von der weißen Fahne dürfte ihm in den Mund gelegt worden sein, das er dann aufgegriffen hat. Es ist ganz klar, dass die Ukraine das Recht hat, sich zu verteidigen. Es ist ein gerechtfertigter Krieg. Das hat auch der Papst gesagt. Das militärische Schlachtfeld ist nicht die einzige Form der Auseinandersetzung.
Wo sind die anderen Formen?
Es gibt auf anderen Ebenen Verhandlungen, zum Beispiel über den Austausch von gefangenen Soldaten oder über Handelslieferungen. Es gibt nach wie vor wirtschaftliche Verflechtungen zwischen den Amerikanern und den Russen.
Es gibt vermutlich auch die Interessen der Rüstung, die gar nicht wollen, dass das aufhört. Das muss man auch benennen dürfen. Der Papst sagt nicht, die Ukrainer sollen sich einfach ergeben und hinrichten lassen. Er will das Leiden der Menschen reduzieren, um die Gewalt so niedrig wie möglich zu halten, was gegenwärtig nicht möglich ist.
Es gibt derzeit keine Aussicht auf Frieden.
Als einer, der den Frieden im Auge hat, ist man in der gegenwärtigen Phase der Dumme. In den Köpfen hat sich bereits etwas verändert. Man fasst die Möglichkeit von Verhandlungen und von Frieden gar nicht mehr ins Auge. Das ist ein schlimmes Zeichen. Es muss sich eher die Kritik am Papst die Frage gefallen lassen: „Wo seid ihr hingekommen?“
Neben der Ukraine und dem Gaza-Streifen gibt es auch Kriege in Afrika. Im Sudan, in Mali, in Nordnigeria.
Wir dürfen diese Brennpunkte der Gewalt nicht vergessen. Die internationale Aufmerksamkeit ist eher mit wirtschaftlichen Interessen verbunden als mit den konkreten Geschicken von Menschen und Völkern. In den vergangenen zehn Jahren hat sich Grundlegendes verändert. Gerade in Afrika. Ich war 2011 in Mali, das Land war damals noch stabil. 2005 und 2008 war ich in Burkina Faso. Die Situation ist auch dort ganz schwierig. Auch in der Diözese Dori, die Partnerdiözese von Innsbruck ist, hat es viele Morde gegeben.
Mich beschäftigt auch, wie Armenien in Europa wahrgenommen wird (150.000 Armenier wurden von aserbaidschanischen Soldaten aus der Enklave Bergkarabach vertrieben. Europa hat zugesehen und Kommissionspräsidentin Van der Leyen hat nun ein Rohstoff-Abkommen mit dem Diktator Alijew unterzeichnet, Anm. d. Red.)
Die Diözese Linz hat sich ein Sparprogramm verordnet. In den kommenden vier Jahren müssen zusätzlich 17 Millionen Euro eingespart werden. Aufgrund erhöhter Baukosten und verursacht durch die Inflation.
Die Kosten sind gestiegen, die Einnahmen aus den Kirchenbeiträgen sind weniger geworden.
Es stehen knapp unter 100 Millionen Euro zur Verfügung.
Entscheidend ist nicht, dass man von Zahlen ausgeht, sondern wir uns fragen, wo wir wir positiv etwas aufbauen wollen und was uns das Wichtigste ist.
Um es vereinfacht zu sagen: Wir wollen, dass mehr Liebe und Freude in die Welt kommt, dass Hoffnung und Zuversicht in Oberösterreich bezeugt werden. Mut und Vertrauen sind etwas ganz Entscheidendes. Wir werden in manchen Bereichen schlanker und ärmer, wir setzen jedoch in der Solidarität, der Caritas, einen Schwerpunkt. Der zweite Schwerpunkt wird die Bildung sein.
Der Bildungscampus wird neu gebaut.
Es ist zum Großteil eine Renovierung und eine Bündelung von mehreren Standorten. Wir wollen Zeichen setzen, dass wir in der Gegenwart und in der Zukunft eine Aufgabe haben.
Die Renovierung des Linzer Mariendoms ist mehr oder weniger abgeschlossen?
Wir haben in den vergangenen Jahren Entscheidendes vorangebracht, vor allem die Renovierung des Turmes. Die Renovierung der Fenster geht noch bis 2030. Abgeschlossen ist zum Beispiel die Renovierung der Krippe. In einem gewissen Sinn ist der Dom immer eine Baustelle.
Ich bin sehr dankbar, dass sich hier viele sehr engagiert haben. Ich habe den Eindruck, dass der Dom in den vergangenen Jahren den Herzen der Menschen näher gekommen ist.
Die Kosten der Renovierung betrugen rund 14 Millionen Euro.
Ja, in etwa. Vielleicht werden sie unterschritten. Das Jubiläum 100 Jahre Domweihe, das wir Ende April feiern, ist für mich ein Anlass für Dankbarkeit.
Es gibt in der Erzdiözese Wien Überlegungen, Kirchen zu verkaufen. Kaum mehr genutzte römisch-katholische Kirchen sind bereits anderen christlichen Glaubensgemeinschaften zur Nutzung überlassen worden. Findet Derartiges auch in der Diözese Linz statt?
Wir haben Kirchen bereits orthodoxen Glaubensgemeinschaften überlassen. Gegenwärtig sind fast alle orthodoxen Kirchen in römisch-katholischen Kirchen zu Gast und sie haben da und dort auch eine Kirche übernommen. Wir werden uns auch in Zukunft Gedanken machen, wie wir die orthodoxen und orientalischen Kirchen unterstützen.
Es gibt viele, die aufgrund der Migration und auch der Flucht zu uns gekommen sind. Sie brauchen gerade in der Anfangsphase unsere Unterstützung. Wobei sie schon das Interesse haben, ihre liturgische Tradition in der architektonischen Symbolik zu verwirklichen.
Ist auch daran gedacht, Kirchen für weltliche Investitionen zu verkaufen?
Das haben wir als Diözese bisher nicht gemacht. Aber natürlich wird man überlegen müssen, wie es weiter geht. Wenn sich zum Beispiel einzelne kirchliche Gemeinschaften auf Dauer einen Standort nicht mehr leisten können.
Vertreter der Katholischen Aktion haben kürzlich Soziallandesrat Wolfgang Hattmannsdorfer ihre Ablehnung der Arbeitspflicht für Asylwerber mitgeteilt. Begründung: Das widerspräche den Menschenrechten und der Katholischen Soziallehre. Teilen Sie deren Meinung?
Die Katholische Aktion hat das Recht, politische Stellungnahmen abzugeben, die ich meinerseits nicht kommentiere.
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