Schaller: „Die Sparer werden mit den Negativzinsen enteignet“

Heinrich Schaller
Der Generaldirektor von Raiffeisen OÖ über explodierende Mieten und Immobilienpreise, wachsende Schuldenberge und hohe Aktienkurse.

Heinrich Schaller, seit 2012 Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, feiert morgen, Montag, seinen 60. Geburtstag.

KURIER: 60 ist das neue 40, heißt es. Das gibt Hoffnung, dass Sie noch lange Generaldirektor bleiben können.

Heinrich Schaller: (lacht). Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht.

Welche Gefühle verbinden Sie mit Ihrem Geburtstag?

Gemischte. Wenn ein Sechser davorsteht, beginnt man nachzudenken, wie alt man wirklich ist.

Weil eine Diskrepanz zwischen dem besteht, wie man sich fühlt und der Ziffer, die am Papier steht?

Genau so ist es. Eigentlich fühle ich mich jung. Man merkt aber da und dort schon, dass die Regenerationsphasen längere werden. Im Geiste, so hoffe ich, jung geblieben zu sein. Aber das zu beurteilen, ist immer schwierig.

Was haben Sie noch vor?

Das Unternehmen in eine Zeit hineinzuführen, die für die Banken sehr herausfordernd ist. Und persönlich möchte ich das schöne Leben so weiterführen.

Es war nun Weltspartag. Sparen ist vielen Menschen immer noch wichtig, obwohl es kaum Zinsen gibt.

Das ist auch richtig so. Die Menschen legen großen Wert auf Sicherheit. Sie können darauf vertrauen, dass sie das Kapital wieder zurückbekommen, wenn sie das Geld bei uns anlegen. Ich halte es für wichtig, dass man einen Notgroschen auf der Seite hat, für den Fall, dass etwas passiert. Wir versuchen unsere Kunden weiters dahingehend zu beraten, dass sie einen Teil ihres Vermögens in Wertpapieren wie Fonds veranlagen. Die Renditen sind hier besser als am Sparbuch.

Sie kritisieren die Politik der Negativzinsen, die die Europäischen Zentralbank (EZB) betreibt (Banken müssen Zinsen zahlen, wenn sie Geld bei der EZB anlegen, Anm.). Warum?

Das ist eine Enteignung der Sparer. Die Banken können den Sparern keine Zinsen zahlen. Der deutsche Staat hat bisher von dieser Negativzinspolitik der EZB im Ausmaß von 370 Milliarden Euro profitiert, weil er weniger Zinsen für das aufgenommene Geld zahlen muss. Das geht im Ausmaß von 350 Milliarden zu Lasten der Sparer. Das ist behördlich mehr oder weniger so eingeführt. Das Geld wandert vom Sparer zum Staat.

Dennoch sanieren die Verantwortlichen in der Politik europaweit nicht ihre öffentlichen Haushalte.

Das ist das Riesenproblem. Ich vermute, dass das einer der Hauptgründe für die Niedrigzinspolitik der EZB ist, um den hoch verschuldeten Staaten weiterhin die Möglichkeit zu bieten, weitere Schulden zu machen, aber keine Reformen durchzuführen. Das ist das Schlimme daran.

Sie haben sich dafür ausgesprochen, die Negativzinsen an die Kunden weiterzugeben.

Sie werden bei größeren Beträgen an institutionelle Kunden bereits weitergegeben. Bei Privatkunden dürfen wir das nicht, das ist gesetzlich so geregelt. Das ist auch gut so. Aber man muss das Bewusstsein schaffen, dass die Banken das zu tragen haben.

Da sagt der Stammtisch, die Banken haben viel Geld, sie halten das aus.

Man sollte schon bewusst machen, dass die Banken hier Verluste erwirtschaften. Ich halte es für ein Problem, dass die EZB hier eine Politik betreibt, die zu Lasten nur einer Branche geht.

Die weltweite Verschuldung ist heute wesentlich höher als zur Zeit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09. Sie beträgt inzwischen das Dreifache der Wirtschaftsleistung aller Staaten der Erde. Ist das ein Problem?

Ich halte jede wachsende Verschuldung für ein Problem, weil man früher oder später nicht mehr die Möglichkeit hat einzuschreiten, wenn man einschreiten muss.

Im Fall einer echten Wirtschaftskrise haben die Notenbanken nicht mehr die Möglichkeit, die Zinsen weiter zu senken.

Die Notenbanken haben schon noch Möglichkeiten. Die Frage ist, ob die Politik aufgrund der Verschuldung noch in der Lage ist, ihren Beitrag zu leisten. Zum Beispiel in Form von Programmen für die Infrastruktur. Wenn die Politik in dem Fall überhaupt noch Geld bekommt, wird es verdammt teuer.

Glauben Sie, dass die Schuldenberge jemals zurückbezahlt werden?

Ich hoffe es. Sie gehen zu Lasten unserer Kinder und Kindeskinder. Daher sollte man mehr auf nachhaltiges Wirtschaften schauen.

Selbst in den USA liegt die Staatsverschuldung nun über 100 Prozent des BIP (Bruttoinlandsprodukts). Das US-Haushaltsdefizit beträgt mehr als eine Billion Dollar.

Das ist definitiv ein Problem. Nur traut man den westlichen Staaten noch die Wirtschaftskraft zu, das Geld tatsächlich zu verdienen. Wir sehen bei Schwellenländer immer wieder, dass sie ihre Schulden nicht mehr begleichen können. Aktuell bei Argentinien. Das löst nicht nur international ein Problem aus, sondern es ist auch innerhalb eines Landes chaotisch.

Siehe Argentinien, siehe Griechenland, wo die Menschen einfach verarmen.

Man muss immer aufpassen, dass die Schulden nicht zu groß werden.

Die Schuldenberge steigen, die Aktienkurse auch. Wie lange kann der Anstieg der Aktienkurse noch andauern?

Es kommt ganz darauf an, wie sich die Unternehmen entwickeln. Die meisten haben sich gut entwickelt, es wundert mich nicht, dass ihre Kurse steigen. Wenn die Zinsen so niedrig sind, wissen die Leute nicht mehr, wo sie investieren sollen, um eine vernünftige Rendite zu bekommen. Insbesondere große Investoren gehen viel eher in den Aktienmarkt, denn bei Anleihen verdienen sie nichts mehr. Man treibt sie mit den niedrigen Zinsen in andere Anlageformen, zum Beispiel in die Immobilien.

Wegen der niedrigen Zinsen wird sehr viel gebaut, gleichzeitig explodieren die Mieten.

Das ist auch kein Wunder. In den Ballungszentren hat man noch immer nicht genügend Wohnungen. Die Immobilieninvestoren erwarten, dass sie aufgrund der Nachfrage eine vernünftige Verzinsung bekommen. Für die Wohnungssuchenden wird es immer teurer.

Gibt es eine Immobilienblase?

Derzeit noch nicht. Österreich war im internationalen Vergleich auf einem sehr niedrigen Niveau. Ein Teil wurde aufgeholt.

Wie beurteilen Sie die wirtschaftliche Situation?

In Oberösterreich ist sie gut. Wir merken natürlich den Abschwung, der im Wesentlichen von Deutschland hereingetragen wird. Aber wir sind besser aufgestellt, weil wir im Export breiter gestreut und nicht allein von Deutschland abhängig sind. Das federt ab.

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