„Rudi Anschober ist natürlich ministrabel“

Stefan Kaineder, Grüner Spitzenkandidat für Oberösterreich
Die Grünen sind im Aufschwung und setzen voll auf das Trendthema Klimaschutz. Sie fordern ein Jahresticket für die Öffis von 365 Euro.

Die Grünen liegen laut aktueller KURIER-Umfrage österreichweit bei 12 Prozent (ÖVP 36, FP und SP je 20, Neos 9). Stefan Kaineder ist ihr Spitzenkandidat in Oberösterreichs. Der 34-Jährige gehört seit 2015 dem Landtag an und ist stellvertretender Bundessprecher und Landessprecher.

KURIER: Vor eineinhalb Jahren haben sich die Grünen in der Linzer Tabakfabrik getroffen und gemeint, es sei höchste Zeit, dass die Jungen das Ruder übernehmen. Nun führt der alte Werner Kogler die Bundesliste an. Warum stehen nicht Sie an der Spitze?

Stefan Kaineder: Wir haben uns die Entscheidungen nicht leicht gemacht. Es gab kaum Diskussionen in der Partei, alle haben gesagt, Kogler soll bleiben und nicht ins EU-Parlament gehen. Er ist der völlig Richtige.

Glauben Sie wirklich, dass die Grünen weniger Stimmen bekommen würden, wenn Sie an der Spitze wären?

Die Frage hat sich nicht gestellt und stellt sich auch nicht.

Zuerst hat man den Wählern erklärt, Kogler geht als Spitzenkandidat ins EU-Parlament, was er nun nicht macht.

Durch das Ibiza-Video hat sich die politische Lage im ganzen Land verändert. Auch wir mussten darauf reagieren. Kogler hat sich schließlich dem Wunsch der Grünen gebeugt.

Schwarz-Grün ist derzeit als echte Koalitionsvariante für die Zeit nach dem 29. September im Gespräch. Sie haben sich bei unserer letzten Begegnung für diese Zusammenarbeit für die Zeit nach der Landtagswahl 2021 ausgesprochen. Sollen die Grünen auf Bundesebene ebenfalls mit der ÖVP koalieren?

Es geht zuerst einmal um den Sprung in den Nationalrat. Wir sind derzeit dort nicht vertreten. Die Frage einer Koalition stellt sich für uns jetzt nicht.

Natürlich stellt sie sich.

Sie stellt sich erst am 29. September. Der erste Schritt ist die Rückkehr in den Nationalrat. Wir benötigen dafür mehr als vier Prozent der Stimmen. Die größte Gefahr ist, dass die Menschen ihr Kreuzerl taktisch machen. Das hatten wir 2017 und danach gab es keine Grünen im Nationalrat. Wir rennen bis 29. September um jede Stimmen und gehen jeden Meter auf die Menschen zu, damit sie das Kreuzerl beim Klimaschutz machen. Erst nachher schauen wir, was ist.

Zwischen Schwarz-Grün und Türkis-Grün besteht ein Riesenunterschied. Die Richtung, in die Kurz mit seiner neuen ÖVP abgebogen ist, geht sich für mich gar nicht aus. Ich kann mir das nur ganz schwer vorstellen. Schwarz-Grün funktioniert, wenn man gut verhandelt. Das sehen wir in einigen Bundesländern.

Wer soll dann nach dem 29. September regieren?

Ich beteilige mich an diesem Diskurs nicht. Die Grünen gibt es im Nationalrat nur dann, wenn die Menschen den Klimaschutz ankreuzeln.

Rudolf Anschober ist als Minister für Umwelt- und Energiefragen im Gespräch.

Natürlich ist Rudi Anschober ministrabel.

Und Sie würden seine Position als Landesrat übernehmen?

Mich beschäftigen jetzt andere Fragen. Am 29. September ist eine Wahl. Wir werden nicht den Fehler machen und die Sachen einfach herhudeln. Die wichtigste Frage im 21. Jahrhundert ist, wie wir diese Klimakrise bewältigen. Wir brauchen eine umfassende Energiewende, eine Verkehrswende, wir müssen das Mercosur-Abkommen verhindern.

Sie sind im Frühjahr zum Landessprecher gekürt worden, um mit der Nationalratswahl nun gleich wieder nach Wien abzubiegen. Das ist doch überraschend. Man hat Ihren Einsatz im Landtag für Oberösterreich erwartet.

Ich bin nicht nach Wien abgebogen, ich bin Spitzenkandidat für Oberösterreich. Ich werde oberösterreichische Politik im Parlament machen.

Wie viele Prozentpunkt werden die Grünen auf Bundesebene machen, wie viele in Oberösterreich? Die Neos zum Beispiel wollen im Land zwei Nationalratssitze erringen.

Ich verstehe das Interesse an diesen spekulativen Fragen. Ich kann mich darauf nicht konzentrieren. Denn wenn nicht genügend Leute für den Klimaschutz votieren, gibt es ihn nicht.

Der Schock des Hinauswurfs aus dem Nationalrat sitzt offensichtlich immer noch tief.

Wenn es mehr als vier Prozentpunkte sind, werde ich feiern.

Die Grüne Quereinsteigerin und Journalistin Sibylle Hamann kann sich im Sinne der Gleichbehandlung von Männern und Frauen die Einführung der Wehrpflicht für Frauen vorstellen. Denken Sie das auch, vertreten Sie dieselbe Position?

Ich bin ein Befürworter von gleichen Rechten und Pflichten. Wir sollten aber mit den Rechten anfangen und nicht mit den Pflichten. Solange Frauen um ein Drittel weniger als Männer verdienen, haben wir andere Baustellen, um die wir ums kümmern müssen.

Wir haben mehrere Quereinsteigerinnen im Team. Leonore Gewessler von Global 2000 hat eine enorme Kompetenz im Klimaschutz. Das fordert uns als Organisation heraus, was ich für gut finde.

Sie treten für eine -Steuer ein, die die hunderttausenden Pendler trifft. Diese Menschen müssen alternativlos weite Anfahrten zu ihren Arbeitsplätzen in Kauf nehmen und sind allein dadurch schon bestraft.

Wir müssen mit dem Ausbau des öffentlichen Verkehrs beginnen. Es wird einfach nicht gehen, dass wir für die Pendler aus Haslach das Fahren verteuern.

Was soll für sie passieren?

Zuerst bauen wir die Mühlkreisbahn aus, binden sie durch zum Linzer Hauptbahnhof .

Haslach liegt aber nicht an der Mühlkreisbahn.

Wir brauchen entsprechende Park-and-Ride-Parkplätze, damit die Leute dort ihr Auto abstellen und in den Zug umsteigen können. Im halbstündigen Takt sollen sie bis zum Hauptbahnhof fahren können.

Landesrat Günther Steinkellner (FPÖ) will das machen.

Dann gibt es in Linz einen blauen Verkehrsstadtrat und einen roten Bürgermeister, die sagen, die Bagger stellen wir lieben zu den Baustellen für die Autobahn. Wir brauchen die Bagger aber bei den Schienenprojekten. Straßenverbindungen werden gebaut, bei den Zugverbindungen sagt man, man wird sie verbessern, man tut es aber nicht. Die Menschen brauchen bei den Zügen eine ordentliche Taktung. Es braucht eine ambitionierte Verkehrswende und ein 365-Euro-Ticket, das für das ganze Jahr und das gesamte Land gültig ist. Für Gesamtösterreich müssen drei Euro am Tag reichen.

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