Der Protest gegen die Gasbohrung entstand am Wirtshaustisch
Von Anna Perazzolo und David Retzer
Aus dem Autoradio dröhnt nur ein leises Rauschen. Nicht einmal die großen Radiosender erreichen einen, wenn man die letzten Häuser hinter sich lässt und auf der engen Forststraße weiter Richtung Talschluss fährt. Allein ist man dieser Tage hier trotzdem nicht. Das zeigen die Reifenspuren im Schnee.
Gasvorkommen in Molln: In der Bevölkerung regt sich Widerstand
Seit einer Woche ist das Jaidhaustal in Molln (OÖ) in aller Munde und dementsprechend viel besucht. Die Umweltschützer und Anrainer Christian Hatzenbichler und Florian Kogseder haben vergangenes Wochenende für Furore gesorgt, als sie die Gasförderpläne des australischen Unternehmens ADX Energy veröffentlichten.
„Das war eine echte Wirtshausgeschichte. Im Ort hatte sich herumgesprochen, dass ein Mitarbeiter des Energiespeicherunternehmens RAG beim Bürgermeister war. Danach haben wir im Internet recherchiert“, erzählt Kogseder dem KURIER. In den Unterlagen, die sie daraufhin zu Tage gefördert haben, berichtet ADX von 22 Milliarden Kubikmeter Gas, die in Molln gefördert werden könnten. Zum Vergleich: Österreich verbraucht pro Jahr etwa 8,5 Milliarden Kubikmeter Gas.
Dem Bürgermeister der Gemeinde, Andreas Rußmann (SPÖ), dagegen sei das Projekt im Dezember ganz vage präsentiert worden: „Ich war etwas verwundert, dass sich ein Projekt so unterschiedlich darstellen lässt. Einerseits sagt man, dass möglicherweise etwas zu finden ist und andererseits wird vom größten Gasvorkommen Mitteleuropas gesprochen“, sagt Rußmann.
Er selbst halte sich an die Geowissenschafter, die dem Vorkommen wenige Chancen zurechnen. „Und ich glaube, dass das Projekt nicht hierher passt.“
Keine physische Grenze
Ähnlich sehen das auch die beiden Umweltschützer. Die künftige Bohrstelle, von der derzeit nur ein Holzpfosten mit neon-oranger Markierung zeugt, liegt nämlich nur zwei Kilometer vom Nationalpark Kalkalpen entfernt. Das Naturschutzgebiet Jaidhaus befindet sich sogar in unmittelbarer Nähe. Nur ein schmaler Forstweg, ein im Winter ausgetrockneter Bach und ein paar hohe Fichten trennen das eine vom anderen. „So eine Unternehmung hat dann natürlich Auswirkungen auf das Naturschutzgebiet. Es gibt keine physische Grenze. Die existiert nur auf dem Papier“, sagt Hatzenbichler.
Gefahren bestünden deshalb nicht nur für das Grundwasser, sondern auch für die Flora und Fauna im Gebiet. „Wir haben eine Nachtfalterpopulation von 200 Arten. Durch die nächtliche Beleuchtung der Bohrstellen würden diese Tiere ins Licht fliegen und getötet werden. Allein an diesen Nachtfaltern hängt aber eine lange Nahrungskette“, sagt Hatzenbichler.
Betrachtet werden müsse das Projekt deshalb nicht nur vom geologischen und ökonomischen Blickwinkel aus, sondern auch vom ökologischen, ergänzt Kogseder. „Es müssen endlich alle Fakten auf den Tisch.“
Staatseigentum
Unterirdisch lagernde Rohstoffe wie Erdgas sind in Österreich per Gesetz staatliches Eigentum. Der Bund kann die Rechte zur Aufsuchung und Förderung gegen Entgelt an Dritte, also normalerweise kommerzielle Unternehmen vergeben
22 Milliarden
Kubikmeter Gas könnten laut dem australischen Unternehmen ADX Energy in Molln lagern. Experten sind sich jedoch uneinig über die Wahrscheinlichkeit eines tatsächlich relevanten Gasfundes
Heimischer Markt
ADX hat versichert, dass das Gas, das in Molln gefördert werden könnte, dem heimischen Markt zur Verfügung gestellt werden soll. Sollte der Gaspreis in Österreich aber sinken, könne ein gewisser Anteil auch im Ausland verkauft werden, hieß es seitens des Unternehmens am Samstag auf Ö1
Einen Teil dieser Fakten hat zumindest der Bürgermeister mittlerweile bekommen. Vergangenen Mittwoch habe das Unternehmen der Gemeinde berichtet, dass das Genehmigungsverfahren zur Probebohrung in Gang ist und bis Juni dieses Jahres abgeschlossen werden soll. Bohrungen könnten demnach mit Juli oder August beginnen, sagt Ortschef Rußmann.
Bürgerinitiative
Bis dahin wollen die beiden Umweltschützer Hatzenbichler und Kogseder aber nicht untätig bleiben: Derzeit steht die Gründung einer Bürgerinitiative auf dem Plan. Bei einem Treffen an den kleinen Holztischen der Ortskonditorei wird dabei nicht nur über Gegenwart und Zukunft, sondern auch über die bewegte Vergangenheit Mollns in punkto Umweltschutz gesprochen. Schon in den 70ern sollte im Jaidhaustal ein Staudamm entstehen. Durch den Widerstand der Bevölkerung konnte das Projekt allerdings verhindert werden. „Was den Naturschutz betrifft, sind wir ein kleines gallisches Dorf“, sagt Herbert Jungwirth, der schon seit Jahrzehnten im Naturschutz tätig ist. Mittlerweile in Naturschutz-Altersteilzeit, wie er selbst sagt.
Ganz so einig, wie es auf den ersten Blick scheint, dürfte sich diese kleine oberösterreichische Festung aber nicht sein. Unter den Mollnern gibt es nämlich auch diejenigen, die den Gasausbau befürworten. „Ich finde es großartig. Wir müssen nicht das teure russische Gas kaufen, wenn es bei uns ein Vorkommen gibt“, sagt etwa Franz. Dem schließt sich auch Sonja (beide wollten ihren Nachnamen nicht nennen, Anm.) an: „Ich bin dafür, es liegt ja nicht im Naturschutzgebiet, sondern daneben.“
Unwissenheit
Dass es auch diese Meinungen gibt, wissen die Naturschützer. „Ich kann verstehen, wenn jemand das Argument rund um die Abhängigkeit von importiertem Gas bringt. Für mich entsteht dieses Argument aber nur aus Unwissenheit darüber, welche Konsequenzen so ein Projekt hat“, sagt Hatzenbichler. Würden die Probebohrungen nämlich erst einmal beginnen, so wäre das erst der Anfang. Und damit gleichzeitig auch das Ende der Stille im Jaidhaustal. Auch wenn es keinen Radioempfang gibt.
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