"Linz ist eine Stadt für Senioren": Tourismusvideo erregt Gemüter

"Linz ist eine Stadt für Senioren": Tourismusvideo erregt Gemüter
Dafür bekommt der Linz Tourismus nicht nur Beifall, sondern auch Kritik. Vor allem Bürgermeister und Vize fühlen sich hintergangen.

Tourismuswerbung auf Linzerisch "ohne Schnick-Schnack"

Wie stellt man sich ein Video vor, das einen Ort bewerben soll? Gespickt mit Sonnenschein, hier und da die wichtigsten Sehenswürdigkeiten, Leute, die shoppen und essen – alles natürlich in feinstem Ambiente.

Und all das erfüllt das neue Tourismusvideo des Linz Tourismus nicht. Seit Mittwochfrüh ist es online und „geht ab wie eine Rakete“, wie Tourismusdirektor Georg Steiner es formuliert – sogar Armin Wolf hat darüber getwittert. „Und das macht er ja nicht bei jedem Video“, sagt Steiner im KURIER-Gespräch hörbar stolz. Waren es Mittwochabend noch 6.000, die auf Youtube das Video geklickt haben, sind es heute, Donnerstagnachmittag, bereits über 80.000.

"Linz ist eine Stadt für Senioren": Tourismusvideo erregt Gemüter

Videoausschnitt.

"Underdog"

Das neue Video, das Linz bewerben soll, strotzt nämlich nur so von Selbstironie. „Linz ist eine Stadt für Senioren. Altmodisch“, beginnt das dreiminütige Video. „Wir sind der Underdog. Außenseiter waren bei uns immer willkommen“, heißt es dann nach etwa einer Minute. Alles mit Bildern hinterlegt, die den einen schmunzelnd, den anderen schockiert zurücklassen.

Doch wie kam es dazu?

„Wir haben beobachtet, dass die Werbefilme nach dem touristischen Neustart (nach den Corona-Lockdowns, Anm.) alle sehr vergleichbar waren. Überall springt einer ins Wasser oder wandert auf einen Berg“, erklärt Steiner.

Drehbuch

Man holte sich die Firma Fora Ultra 4000 ins Boot – eine „mutige Agentur“, wie Steiner sie bezeichnet. Seit einem Jahr habe man an dem Video gearbeitet. „Die haben wirklich viele Linzer und Linzerinnen interviewt und daraus ein Drehbuch geschrieben.“ Schließlich sei daraus das Video entstanden.

Und dieses erntet laut Steiner viel Beifall, aber auch das ein oder andere Stirnrunzeln. So auch vom Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ): "Ich halte das Video von dem was es bezweckt für misslungen und ich bin auch etwas irritiert über manche Botschaften. Ich verstehe schon dass es kreativ, anders und mit Augenzwinkern ist. Aber wenn Linz als bissi rassistisch bezeichnet wird, dann hört sich für mich das Augenzwinkern auf", sagt Luger.

Fehlende Zusammenarbeit

Viel problematischer sieht Luger jedoch den Alleingang des Tourismusverbands, denn gesehen hat es der Bürgermeister vorab nicht. Zudem arbeite man seit eineinhalb Jahren eigentlich an einem gemeinsamen City-Branding-Prozess. "Wir haben uns in diesem geeinigt, die Stadt Linz so zu zeigen wie sie ist, als stärkste Industriestadt, die zur grünsten Industriestadt werden möchte. Ein Ort für Junge, wo es genügend Arbeit gibt, Kinderbetreuungsplätze und es trotzdem grün ist." In dem nun veröffentlichten Video komme nichts davon vor, "nicht einmal mit Augenzwinkern", so der Bürgermeister. Man werde deshalb ein klärendes Gespräch mit dem Linz Tourismus führen müssen - auch wenn dieser ein eigenständiger Verein sei.

Vizebürgermeister Markus Hein (FPÖ) geht hier einen Schritt weiter: "Ich fordere, dass das Video zurückgezogen wird." Es ist eine "Schande für Linz".

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Videoausschnitt.

Steiner nimmt die Kritik aber nicht so hart. „Linz will ja den Tourismus verändern, authentischer, ehrlicher machen.“ Am Schluss des Tages zähle es Menschen nach Linz zu bewegen, aber „es geht auch darum, dass man Linz nicht auf ein paar Sehenswürdigkeiten reduziert. Reisen heißt, einen Ort in ihrer Ganzheitlichkeit zu erleben. Die Menschen und nicht die Häuser sind die Stadt“, sagt Steiner.

Nächtigungen

Da scheinen sich Luger und Steiner zumindest einig zu sein, denn auch Luger gehe es nicht um seinen persönlichen Geschmack, sondern darum, dass wieder Touristen in die Stadt kommen:  "Man wird nach einem Jahr, nicht an den Klicks, sondern an den tatsächlichen Nächtigungen prüfen müssen, welchen Schaden das Video angerichtet hat."

Für Claus Ebster, Konsumentenforscher an der Universität Wien, sei das aber nicht sinnvoll: „Bei den Nächtigungen spielen viele Faktoren mit. Die Wirkung des Videos kann man daran nicht messen“, sagt er.

Vor allem jüngere und besser gebildete Menschen würden sich trotz der Provokation von solchen Videos angesprochen fühlen, "denn diese setzen sich generell kritischer mit Werbung auseinander und wissen, dass eine Werbestrategie dahinter steckt", sagt Ebster.

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Videoausschnitt.

Aufmerksamkeit nutzen

Deshalb müsse man sich vielmehr fragen, was denn das Ziel der Kampagne war und das hätte laut Ebster der Tourismusverband nicht verfehlt: „Mit dem Video hebt man sich von der Konkurrenz ab und das ist etwas sehr Positives. Was dem Video auch gelungen ist, ist den Bekanntheitsgrad für die Marke Linz zu steigern.“ Diesen Effekt gelte es jetzt zu nutzen:  „Die Aufmerksamkeit ist da. Jetzt heißt es nicht stehen bleiben, sondern  zeigen, was Linz wirklich zu bieten hat.“

Vorbilder hat das Video auf alle Fälle: So veröffentlichten die Berliner Verkehrsbetriebe 2019 ebenfalls einen sehr selbstironischen Spot. Auf Youtube verzeichnet dieser mittlerweile über acht Millionen Aufrufe.

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