Die Digitalisierung ist ebenfalls ein Dauerthema, speziell seit dem Aufkommen von ChatGPT & Co.
Die digitale Grundausstattung an den Schulen ist noch immer nicht flächendeckend zufriedenstellend. Diese Möglichkeiten haben wir noch nicht genutzt. Mit ChatGPT ist etwas Neues dazugekommen, wir müssen schauen, wie wir damit umgehen. Das ist keine Gefahr für unser Bildungssystem, sondern eine neue Chance, die es zu nutzen gilt – besser früher als später. Wir sollten das nicht verschlafen.
Wie kann das praktisch im Unterricht eingesetzt werden?
Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Unsere Deutschlehrerin hat schon gesagt, dass sie ChatGPT mehr einsetzen möchte. Bei einer Textsorte kann man die KI einen Text schreiben lassen und das Ergebnis dann analysieren. In Geschichte kann man sich kritisch mit dem Thema Automatisierung auseinandersetzen. Prinzipiell gibt es in allen Fächern Anwendungsmöglichkeiten.
Die Kritik daran ist unter anderem, dass Lehrpersonen nicht mehr wissen, ob Hausübungen, Referate von Schülerinnen und Schülern oder von einer KI gemacht wurden.
Hausübungen werden langfristig nicht mehr so funktionieren, wie sie bisher funktionieren. Es wird immer einfacher, das eine KI machen zu lassen. Das ist natürlich eine Herausforderung. Es hat immer schon Eltern gegeben, die ihre Kinder stark bei den Hausübungen unterstützt haben. Durch das Anpassen der Aufgabenstellung kann man aber viel verändern, Dinge werden dann mit ChatGPT gemacht. Das wird in Zukunft eine viel größere Relevanz haben.
Digitale Grundbildung ist derzeit mit einer Fixstunde in der Unterstufe im Lehrplan verankert. Ist das ausreichend?
Es ist ein wichtiger Schritt, dass es das überhaupt gibt. Jetzt kommt es darauf an, wie diese Stunde genutzt wird. Wenn in dieser Stunde Word-Funktionen auswendig gelernt werden, ist das sicher nicht sinnvoll. Es braucht die richtige Vermittlung des Wissens. Da kommt es nicht auf die sogenannten „Hard Skills“ an, sondern darauf, zu wissen, wie man diese Programme interpretiert: Wie erkenne ich Fake News? Was sind Gefahren in sozialen Medien? Das sind ja Themen, die viel relevanter sind als Sachen, die eh schon jeder weiß.
Wie stehen Sie als Landesschulsprecher zu den Klimaprotesten?
Natürlich müssen Schulen klimagerechter werden, der Klimawandel ist ein allseits präsentes Thema, das im Unterricht unbedingt Platz finden muss – und zwar auf abwechslungsreiche Art und Weise. Eine Positionierung auf politischer Ebene ist für uns schwierig, weil wir uns rein mit bildungspolitischen Themen auseinandersetzen.
Suizidale Gedanken und Handlungen haben sich bei unter 18-Jährigen seit 2018 verdreifacht, Expertinnen und Experten schlagen deshalb Alarm. Bemerken Sie diese Tendenz in Ihrem Umfeld?
Es ist ganz unterschiedlich, es sind sicher nicht alle depressiv. Aber selbverständlich merke ich, dass das Thema viele betrifft und aktuell ist, auch im Freundes- und Bekanntenkreis. Auch in den Schulen ist Suizidalität sehr präsent, da braucht es viel mehr Präventionsarbeit, mehr Schulpsychologie und Sozialarbeit direkt vor Ort. Wir fordern, dass es für Schülerinnen und Schüler jährlich ein fixes Gespräch mit zuständigen65Personen gibt, ähnlich wie der Besuch beim Schularzt. Der ist ja auch Standard. Wir sehen jetzt diese alarmierenden Zahlen und es ist doch noch immer ein Tabuthema, sich Hilfe zu holen. Wir wollen niederschwellige Angebote und fordern einen Fixtermin für psychische Gesundheit an den Schulen.
Was heißt niederschwellig in diesem Fall?
Derzeit ist es ja so, dass ich es meinem Klassenvorstand sagen muss, wenn ich während des Unterrichts zur Schulpsychologin gehen möchte. Das checken natürlich alle in der Klasse, das kann speziell für Menschen mit psychischen Problemen eine Hürde darstellen. Deswegen ist unser Ansatz der, dass einfach alle ein Mal pro Jahr zur Schulpsychologin gehen. Das schadet ja auch denen nicht, die glauben, dass eh alles okay ist. Und für alle, die die Hilfe wirklich benötigen, ist es so viel einfacher.
Die Zeiten, die Kinder und Jugendliche vor Bildschirmen verbringen, werden ständig mehr. 96 Prozent der 12- bis 19-Jährigen haben ein eigenes Smartphone, die durchschnittliche Online-Zeit in dieser Altersgruppe liegt bei 204 Minuten täglich.
Man muss zwischen Oberstufe und Unterstufe unterscheiden. Je älter, desto reifer. Da sind wir in gewisser Weise alle an einem Punkt, an dem wir das selbst kontrollieren können. In der Volksschule nimmt das eine dramatische Entwicklung. Meine Schwester ist acht Jahre alt, geht in die 2. Klasse. Dort haben fast alle ein Handy, das sie zumindest teilweise benutzen dürfen. Manche haben das Handy sogar fast immer mit. Diese Entwicklung ist für Kinder sicher nicht gut, diese extreme Präsenz in diesem jungen Alter kann langfristige Folgen haben.
Wer hat die Verantwortung und was lässt sich dagegen tun?
Man muss darüber nachdenken: Wie kann man Kinder auf diese Entwicklung vorbereiten? Es ist natürlich eine große Verantwortung der Eltern, das zu beschränken, aber die Schule hat durch diese digitale Grundbildung sehr wohl die Aufgabe, Kinder und Jugendliche darauf vorzubereiten, dass Medien einen immer größeren Raum in unserem Alltag einnehmen. Das ist meiner Meinung nach eine geteilte Verantwortung zwischen Eltern und Schulen.
Abschließend noch eine Frage zur Kleidung in der Schule: Was halten Sie von Kleidervorschriften? Soll die Schule mitbestimmen, was Schülerinnen und Schüler anziehen dürfen?
Grundsätzlich ist Kleidung etwas sehr Persönliches und sollte es auch bleiben. Jeder soll die Möglichkeiten haben, sich so anzuziehen, wie er oder sie will. Diese individuelle Komponente ist entscheidend.
Andererseits drückt Kleidung auch einen Stellenwert aus: Wie ich mich anziehe, zeigt, wie wichtig mir etwas ist. Man kann es also durchaus so sehen, dass man sich in der Schule, genauso wie auch am Arbeitsplatz, halbwegs angemessen anziehen sollte. Wir sind absolut gegen grundsätzliche Kleidervorschriften. Sollte es aber ein konkretes Problem an einer Schule geben, kann man schon darüber reden. Diesbezüglich gibt es ja Schulautonomie, daran man muss jetzt auch nichts ändern.
Und gibt es noch weitere Aspekte?
Was bei dieser Debatte immer mitschwingt, ist diese alte Einstellung: Mädchen müssten sich nur weniger aufreizend anziehen, dann würde es auch keine sexuelle Belästigung geben. Kleidervorschriften können dieses Bild verstärken und das halte ich für sehr gefährlich. Bei diesen Diskussionen geht es ja oft nicht um Jogginghose oder Jeans, sondern um bauchfrei und Ausschnitt. Und da müssen wir ganz vorsichtig sein, welche Botschaft wir damit transportieren. ich halte fest: Wenn sexuelle Belästigung passiert, kann niemals die Kleidung schuld daran sein, sondern immer der Täter.
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