Der Weihnachtsmann singt Schlager. Um ihn herum tanzen Cheerleaderinnen mit silbernen Pompons, er macht betont coole Bewegungen – und das ukrainische Lied klingt ein bisschen wie eine Speed-Version des Udo-Jürgens-Klassikers „Aber bitte mit Sahne“. Der ganze Saal klatscht mit.
Die Stimmung im Neuen Rathaus in Linz beim Benefizkonzert unter dem Motto „In Erwartung der Weihnachtswunder“, das Anfang der Woche über die Bühne ging, ist gut. Hauptsächlich sind geflüchtete ukrainische Mütter mit ihren Kindern gekommen, die meisten Väter durften ihr Heimatland nicht verlassen.
Natürlich überschattet der Krieg auch diesen Abend, durchbricht mit düsteren Momenten die glitzernde Weihnachtsatmosphäre, spiegelt sich in den Tränen der Mütter wider, die während der Veranstaltung mit dem KURIER ihre Erfahrungen teilen. Der Abend gehört aber nicht dem Krieg. Er gehört den anwesenden Kindern.
Sie sitzen lachend im Publikum, tanzen zwischen den Sitzreihen oder performen selbst auf der Bühne. „Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass Tanz und Musik über schwere Zeiten hinweghelfen können“, sagt Oksana Kuzo, Pianistin und Organisatorin des Benefizkonzerts.
Ein Stargast begeistert die Kinder
Die gebürtige Ukrainerin lebt seit zwölf Jahren in Österreich und hat kurz nach Kriegsbeginn den Verein „Point of Ukraine“ in Linz gegründet, um ihren geflüchteten Landsleuten zu helfen. Unterstützt wird sie dabei von der Caritas Oberösterreich. Kuzo war es auch, die den Stargast des Abends auf die Linzer Bühne geholt hat: Sängerin Illaria, die in der Ukraine sehr bekannt sei, erklärt Kuzo.
Die Kinder hätten sich „extrem gefreut, als sie gehört haben“, dass sie mit ihr auf der Bühne stehen dürfen. Illaria hat unter anderem im Jahr 2017 um die ukrainische Teilnahme beim Eurovision Song Contest (ESC) gerittert. Sie kennt also schillernde Popbühnen mit aufwendiger Lichttechnik und viel Publikum.
Beim Benefizkonzert ist jedoch alles anders. Das Setting erinnert mehr an eine Schulaula als an den ESC. Illarias Stimme ist fast zu groß für diese kleine Bühne.
Der Ruhm hat sie nicht vor der Flucht geschützt, sie lebt derzeit mit ihrer Familie in Italien.
Hilfe für ein Kinderspital
Ihre Bekanntheit nutzt sie für Hilfsprojekte – aktuell sammelt sie Geld für ein Stromaggregat, das ein Kinderspital in Charkiw versorgen soll. (Point of Ukraine, Spendenkonto: AT18 3400 0000 0513 1826, Verwendungszweck: Stromaggregat)
Maria ist mit ihren beiden Kindern Katie (12) und George (10) seit September in Linz, davor waren sie in Bratislava. Dass sie sich nun noch weiter von der Ukraine entfernt hätten, schmerze, aber vom Linzer Stadtteil Urfahr sei sie ganz begeistert. Insbesondere von der Familie, die sie aufgenommen hat. Mit ihnen werden Maria und die Kinder am 24. und am 25.12. feiern.
Ihr Mann ist in der Ukraine, aber sie hofft auf „ein Wunder“ – nämlich, dass er eine Möglichkeit bekommt, sie ein paar Tage besuchen zu kommen. Als ihr die Stimme bricht, drückt sich die Tochter sofort an die Mutter und schließt sie lange und fest in die Arme.
Bisher hätte die Familie immer, wie in der Ukraine üblich, am 7. Jänner gefeiert. Aber es fühle sich richtig an, das nun mit allen Europäern gemeinsam zu tun. Etwas, das an diesem Abend noch viele Ukrainerinnen sagen werden. Rückendeckung für die Vorverlegung gibt es von der ukrainisch-orthodoxen Kirche (UOK), die das offiziell erlaubt hat.
Das Gemeinsame ist auch das zentrale Element des Benefizkonzerts. Ein Mädchen und ein Junge moderieren – sie auf Ukrainisch, er auf Deutsch.
Emotional wird es bei der Darbietung von „Stille Nacht“, das auf beiden Sprachen gesungen wird. Drei Sängerinnen sind dabei in ukrainische Tracht gekleidet, zwei tragen ein Dirndl. „Wir wissen, dass das Lied ursprünglich aus Österreich kommt. Wir haben es ausgewählt, um den Zusammenhalt zwischen unseren Ländern zu zeigen“, sagt Evgenia von „Point of Ukraine“.
Sie ist seit März mit ihren drei Kindern und ihrem Mann in Linz. „Wir haben das Glück, dass wir gemeinsam flüchten konnten und mittlerweile beide eine neue Arbeit gefunden haben“, erzählt sie. Wegen ihrer früheren Nachbarn in der Ukraine wissen sie, dass ihr Haus noch steht. Auch wenn sie hier gut aufgenommen wurden, „wollen wir natürlich wieder zurück“.
Für das kommende Jahr wünscht sie sich mehr als Frieden: „Ich will, dass wir gewinnen, damit es mit dem Krieg endgültig und für immer vorbei ist.“
Mit diesem Wunsch ist sie nicht alleine, später wird Illaria ihren Auftritt mit dem Ausruf „Zusammen haben wir Macht, zusammen sind wir stark. Zusammen werden wir siegen!“, beenden.
Kurz davor herrscht auf der Bühne noch helle Aufregung. Kleine Teufel haben den Weihnachtsstern gestohlen, der zuvor von Engeln für die Menschen vom Himmel geholt worden ist. Engel und Teufel seien in der Ukraine oft Teil der Weihnachtsfeierlichkeiten, erklärt Evgenia. Sie kommen zu der Geburt vom Christkind, das sei dem österreichischen Krippenspiel ähnlich.
Unterschiede zwischen den Ländern habe sie aber schon entdeckt. In der Ukraine wird vor Weihnachten gefastet und danach gefeiert. Dass in Österreich die Adventmärkte schließen, findet sie kurios. „Die Österreicher ziehen sich in dieser Zeit zurück, wir Ukrainer gehen da hinaus“. Heuer habe sie das Fasten allerdings auch ausgelassen.
Die Kinder im Publikum rufen aufgeregt aus, als sie die Teufel entdecken, die sich zwischen den Sitzreihen versteckt halten. Der poppige Weihnachtsmann nimmt ihnen den Weihnachtsstern wieder ab und gibt den Menschen sein Licht zurück – was zu weiteren Tanzeinlagen und Gesängen führt. Die Teufel dürfen auch mitmachen, nachdem sie versprochen haben, den Weihnachtsstern künftig nicht mehr anzurühren.
Ist es töricht, dass man während der kindlichen Inszenierung hofft, dass sich dieses unkomplizierte Aussöhnen auch auf die Wirklichkeit überträgt?
Frieden, den kann der Tanzabend nicht bringen. Aber den Kindern einige sorglose Stunden. Und am Schluss hat der Weihnachtsmann sogar für jedes von ihnen ein Geschenk im Sack. Der Jubel darüber lässt einen fast vergessen, warum die Ukrainer im Neuen Rathaus feiern.
Der Abend gehörte eben den Kindern, nicht dem Krieg.
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