Betroffener nach Amokfahrt in Linz: "Ich bin psychisch krank"
Ein rot-kariertes Hemd, Vollbart und lange, zurückgekämmte Haare. So erscheint der 42-jährige Iraker zu seinem Prozess. Er wird von vier vermummten Justizbeamten in den Gerichtssaal geführt. Seine Schuhe sind mit seinem Namen beschriftet - er ist seit etwa einem Jahr im Neuromed-Campus untergebracht. Dort werden unter anderem Erkrankungen im psychischen Bereich behandelt.
Der Mann ist unzurechnungsfähig - er leidet an paranoider Schizophrenie. Deshalb wird er bei der Verhandlung nicht als Beschuldigter, sondern als Betroffener geführt. Die Staatsanwaltschaft beantragt eine Einweisung in ein forensisch-therapeutisches Zentrum.
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Mehrfach vorbestraft
Der vierfach vorbestrafte Mann, unter anderem wegen Körperverletzung und gefährlicher Drohung, soll am frühen Morgen des 9. Januar dreimal mit einem Messer auf seine 42-jährige Frau eingestochen haben. Im Anschluss habe er mit einem Strick aus Schuhband und Nylonband versucht, seine Ehefrau zu erwürgen.
Er habe nur mit ihr reden wollen, weil sie die Scheidung einreichte. Auf sie eingestochen habe er weil sie schrie. "Hätte ich geplant, sie zu töten, dann hätte ich sie getötet", sagt der Betroffene zur Richterin. Die Frau hatte Stichwunden in Bauch, Brust und am linken Oberarm. Nach der Attacke flüchtete der Iraker und suchte einen vermeintlichen Nebenbuhler an dessen Arbeitsplatz auf. Er soll ihn mit zwei Messern bedroht haben.
Prozess nach Amokfahrt durch Linz startet
Aussage via Video
Seine Noch-Ehefrau war im Vorfeld kontradiktorisch einvernommen worden. Ihre Aussagen wurden via Video vorgespielt, um ihr ein Erscheinen vor Gericht zu ersparen.
Sie schilderte ihn als sehr eifersüchtig. Er sei auch immer wieder beleidigend, teils auch gewalttätig gewesen, sie war deswegen in Kontakt mit dem Gewaltschutzzentrum. Nach der Trennung sei er immer wieder in ihrer Nähe aufgetaucht, habe sich etwa auf dem Dachboden versteckt und sei im Stiegenhaus plötzlich hinter ihr gestanden, und er habe sie auch „non-stop“ mit wechselnden Telefonnummern angerufen.
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Am Tattag wollte sie mit ihrer Tochter zur Polizei gehen und ihn anzeigen, weil er sie nicht in Ruhe ließ. An die Tat selbst könne sie sich nur bruchstückhaft erinnern. Sie wisse aber noch, dass er sie mit dem Messer gestochen und danach auf einem Bett gewürgt habe. Ihre Tochter habe „irgendwas gemacht und ich war wieder frei“. Am Bett sei das Messer gelegen, das sie außer Reichweite geworfen habe, und ein Handy, mit dem sie den Notruf wählte. Daraufhin sei ihr Mann geflüchtet.
Auf der Flucht
Als er auf seiner Flucht in eine Straßensperre fuhr, soll er eine 21-jährige Polizistin und einen 26-jährigen Polizisten angefahren und schwer verletzt haben. Sein Auto wurde gegen einen Brückenpfeiler geschleudert und konnte nicht mehr weiterfahren. Die Richterin fragt den Betroffenen, weshalb er auf die Polizisten zugefahren ist. Er habe sich umbringen wollen. "Entweder Sie erschießen mich oder ich nehme eine Waffe und erschieße mich."
Daraufhin stieg er aus, entriss dem bewusstlosen Polizisten das Sturmgewehr. Er habe nicht gewusst, was er tue, er sei psychisch krank, betont der Iraker.
An einer Kreuzung an der Stadtgrenze von Linz versuchte er sich ein neues Auto zu beschaffen. Er soll mehrere Pkw-Lenker mit dem Sturmgewehr bedroht haben. Erst beim vierten Versuch gelang es ihm, ein Fahrzeug zu rauben.
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Mit diesem verursachte er kurz darauf einen Unfall. Der Versuch, ein weiteres Fahrzeug zu rauben, scheiterte. Der Lenker weigerte sich und hatte großes Glück. Der 42-Jährige zielte auf den Lenker und habe das Sturmgewehr bereits repetiert, konnte aufgrund einer Ladehemmung aber keinen Schuss abgeben. Mehrere Warnschüsse der Polizei ließen ihn schließlich aufgeben.
"Reines Glück"
Mehr als fünf Stunden dauerte die Amokfahrt des 42-Jährigen, von 6.35 bis 11:50 Uhr. Dass es dabei zu keinen Toten gekommen sei, war "reines Glück", wie der Staatsanwalt anmerkt. Der Betroffene widerspricht sich immer wieder in seinen Aussagen. "Ich erinnere mich nicht. Ich bin psychisch krank", sagt der 42-Jährige immer wieder, wenn er darauf angesprochen wird.
Der Prozess wird am 30. Januar und am 1. Februar fortgesetzt.
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