Bruckner-Film: Annäherung an ein "rätselhaftes Genie"
Flusskrebse, die mit brennenden Kerzen auf dem Rücken am Friedhof in Windhaag herumlaufen. Mit einer Skurrilität Bruckners steigt Filmemacher Thomas Macho in sein Portrait über Anton Bruckner zu dessen 200. Geburtstag ein.
Bruckner hat diesen Streich an seiner ersten Wirkungsstätte als Schulgehilfe den dortigen Ortsbewohnern gespielt, ist überliefert.
Dann nähern sich Musikjournalistin Marie König und Schauspieler und Autor Michael Dangl diesem kaum zu fassenden Musiker, Künstler, Komponisten, einem der größten seiner Zeit, an.
In, wie Filmemacher Macho betont, nicht per Drehbuch vorgegebenen Dialogen, sondern in einem Gespräch zweier Bruckner-Auskenner, die bei den Dreharbeiten in fünf Tagen die Reise des Lebens von Anton Bruckner nachgezogen haben. Und sich an jedem Standort über Bruckner unterhalten und ausgetauscht haben.
Dazu immer passend diese ausdrucksstarke Musik, Ausschnitte aus den Sinfonien und anderen Werken Bruckners. Werke, die er selbst nie als fertig annehmen konnte, wie die vielen Überarbeitungen Bruckners beweisen.
Widersprüchlicher Bruckner
Dangl bringt es auf den Punkt: "Vielleicht ist die Widersprüchlichkeit Bruckners das, was sein Leben schlüssig macht, vielleicht macht gerade das unser Menschsein aus."
Und Musikjournalistin König ergänzt: "Bruckner lässt durch die Entwurfhaftigkeit in seinem Leben Platz, sich ihm anzunähern." Und genau das macht der Film. Eine Annäherung an dieses "rätselhafte Genie", dessen Rätsels Lösung es einfach nicht gibt.
Bruckner, gefeierter Orgelstar in Paris und London, wo er vor zigtausenden Menschen auf der Orgel improvisierte, in Wien aber lange um Anerkennung ringen musste.
Bruckner, der als "Bückling" zu einem Orgel-Vorspiel kommt, um danach stolz, mit erhobenem Haupt und glänzenden Augen zu jenen zu kommen, die ihn bewerten sollen und feststellen: "Eigentlich sollten Sie uns beurteilen."
Der Film geht auch der Frage nach, die Landeshauptmann Thomas Stelzer vor der Präsentation stellte: "Was bedeutet es eigentlich für den Menschen selbst, der so eine Gabe des Schaffens erhält?"
Rätsel bleiben ungelöst
Eine letztgültige Antwort gibt es nicht. Aber Zeitzeugen Bruckners, dargestellt von Erwin Steinhauer oder Martina Ebm, geben authentische Einblicke in Bruckners Gefühlswelt, Lebensumstände und Verhaltensweisen.
"Diese gewaltige Energie hat Bruckner in seinen Sinfonien sublimiert", erinnert sich ein Arzt, dessen Nähe Bruckner in Wien gesucht hat. Der dann auch versichert, dass Bruckner, der sich zeitlebens permanent in junge Mädchen verliebte, "als Jungfrau gestorben" sei.
Einsamkeit Bruckners
Auch diese Einsamkeit Bruckners, die ihn sogar in die psychiatrische Kuranstalt Bad Kreuzen brachte, ist Thema des Films. Und Bruckners Suche nach der perfekten Sinfonie, die ihn immer wieder auch nach St. Florian zurückbrachte. Dort, wo er als Kind schon nach strengen Regeln leben musste, habe Bruckner vielleicht "jene Art der Reglementierung" erfahren, die ein Genie brauche, um sich nicht zu verlaufen.
Für Markus Poschner, der als Chef des Brucknerorchesters genauso zu Wort kommt, wie der oberösterreichische Dirigent Franz Welser-Möst, ist es Bruckners "Kreuzweg", nicht aufzugeben und immer weiter als Komponist zu arbeiten, anstatt sich als Organist feiern zu lassen.
Beispielhafte Resilienz
Eine Empfehlung für den Film kommt auch von Norbert Trawöger, Intendant der Bruckner-Expo des Landes Oberösterreich: "Wir sind doch alle widersprüchlich und komplex. Der Film schließt nicht ab, sondern macht auf. Mit Bruckner muss man sich auseinander- und dazusetzen."
Anton Bruckner sei ein Beispiel an gelebter Resilienz: "Er hat in seinen Krisen immer wieder weitergemacht, lassen wir uns von ihm anstiften, denn seine Musik führt uns ins Weite. Und zu uns."
Der Film, laut Trawöger für sich selbst "eine Art Sinfonie", wird am 6. September, um 22.30 Uhr auf ORF 2 ausgestrahlt.
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