Kritische Ausstellung in Linz: Aus der Traum vom Einfamilienhaus?
Die aktuelle Ausstellung des Architekturforums Oberösterreich (afo) in Linz stellt die Frage nach einem Ende des klassischen Einfamilienhauses im Grünen – und das in einem Bundesland, das für seinen Flächenverbrauch zuletzt massiv kritisiert wurde.
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In einem Bundesland, in dem der so heftig kritisierte ÖVP-Landesrat Markus Achleitner keine Zweifel daran lässt, wie die Politik des Landes Oberösterreich in dieser Frage auch künftig ausgerichtet wird: „Familien sollen ein Eigenheim errichten können, Jungunternehmer oder internationale Betriebe sollen sich weiter in Oberösterreich ansiedeln können.“
Beliebte Wohnform
Das Einfamilienhaus ist statistisch betrachtet die beliebteste und am meisten genutzte Wohnform in Österreich. Österreichweit wohnen 36,7 Prozent der Menschen in einem Einfamilienhaus.
Spitzenreiter ist das Burgenland mit 67,8 Prozent vor Niederösterreich, der Steiermark und Oberösterreich, wo 43,7 Prozent der Menschen in einem Hauseigentum leben. Ganz hinten, mit 5,4 Prozent, rangiert naturgemäß die Bundeshauptstadt Wien.
Aber woher kommt dieser Traum, der unbändige Wunsch, ein eigenes Haus am Land zu besitzen? Im afo hat man sich im Zuge der beiden ersten Teile der Ausstellung „schee schiach“, die von afo-Chef Franz Koppelstätter initiiert wurde, auch mit dieser Thematik auseinandergesetzt.
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Wolfgang Stempfer, Architekt und Kurator des dritten Ausstellungsteils, geht dabei zurück zu den alten Römern: „Schon damals war es erstrebenswert und elitär, aufs Land zu flüchten.“ Lange sei das aber elitären Schichten vorbehalten gewesen.
Aus den Städten rauskommen
Ende des 19. Jahrhunderts sei es, auch über genossenschaftliche Zugänge, vielen möglich geworden, aus den Städten „rauszukommen“. Wobei Stempfer bedauert: „Dieser Gedanke ist verloren gegangen.“ Gekommen sei die NS-Ideologie, in der propagiert wurde: „Der deutsche Mann lebt nicht in der Stadt.“
Diese sei physisch und psychisch ungesund, so der Architekt in einer historischen Einordnung der Entwicklung des Einfamilienhauses. Nach dem Krieg ist das heute bekannte, klassische Einfamilienhaus, gleichsam aus den USA eingeführt worden.
Stempfer: „Als Stütze der Wirtschaft und der Bauindustrie.“ Wirtschaftsliberalismus in Reinkultur, der auch die Ghettoisierung in den USA fortgeschrieben habe, wie Stempfer ausführt: „Vorstädte in den USA waren durchwegs von Weißen besiedelt.“
Von Mobilität befeuert
Befeuert wurde der Einfamilienhaus-Boom auch durch die Verknüpfung mit der immer bedeutender werdenden individualisierten Mobilität. Sprich: Durch das Auto.
Dass das nicht in Stein gemeißelt sein muss, davon ist Stempfer überzeugt: „Das Einfamilienhaus ist nicht für jede und jeden historisch. Für den Durchschnittsbürger ist diese Wohnform keine hundert Jahre alt.“
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Die Forschungen zeigen: Jetzt habe das Streben nach dem eigenen Haus viele emotionale Gründe. Ein grünes Umfeld, etwas Eigenes schaffen, viel Platz, ein Gefühl der Sicherheit, wofür auch schlechtere Infrastruktur oder weite Wege in Kauf genommen werden.
Und es ist eine Form der Selbstverwirklichung. „Deshalb spielen Architekten bei Einfamilienhäusern auch keine große Rolle, weil sich niemand dreinreden lassen will“, resümiert der Architekt.
Dass das Einfamilienhaus politisch wie etwa in Oberösterreich gewollt ist, zeigen die Förderungen – aktuell hat LH-Stellvertreter Manfred Haimbuchner (FPÖ) 1,4 Millionen Euro für 16 Einfamilienhäuser als Fixzinsförderung gewährt.
Dass nicht mehr so viele Häuser gebaut werden, ist aber fix. Michael Pecherstorfer, Obmann der Sparte Gewerbe und Handwerk in der Wirtschaftskammer, spricht gegenüber dem KURIER im Bau und Baunebengewerbe bei den privaten Einfamilienhäusern von einem Rückgang von 60 bis 80 Prozent. Was zu einem Gutteil auf die massiv gestiegenen Kosten beim Hausbau zurückzuführen sei.
Hohe Kosten
Aber nicht nur, ist Stempfer hingegen überzeugt. Dass sich viele das Haus nicht leisten können, ist die eine Seite. Dazu kommen immer höher werdende Kosten des motorisierten Individualverkehrs. Sprich: des Autos.
Die andere sei auch, dass vielen der Umweltgedanke bewusst werde – nämlich, was die Zersiedelung und der Bodenverbrauch auch in Sachen Klimawandel bedeute.
Alleine aus der Tatsache, dass sich der zur Verfügung stehende Wohnraum pro Person seit den 70-er-Jahren verdoppelt habe, lasse sich die Dimension des Wohnraum- und Wohnhauszuwachses ableiten.
Auch damit befasst sich der dritte Teil der Ausstellung „schee schiach“, die auch in die Zukunft blickt. Und dabei an verschiedenen Stellschrauben dreht und deren Auswirkungen ableitet bzw. antizipiert.
Pendlerpauschale
Etwa, dass die Pendlerpauschale gegen eine Abgabe für jeden Kilometer Entfernung des Arbeitsortes vom Wohnort ersetzt wird. Also eine Umkehr der aktuellen Besteuerung, bei der „belohnt“ wird, wer weiter in die Arbeit fährt.
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Darüber hinaus spricht die Ausstellung Themen wie spürbare Abgaben für leer stehenden Wohnraum an. Nach dem Krieg hat es etwa eine Verpflichtung gegeben, leer stehenden Wohnraum zu melden – dort wurden dann Menschen untergebracht, die keine Wohnung hatten.
Die Ausstellung im afo stellt verschiedene spannende Annahmen und geänderte Rahmenbedingungen einer Entwicklung gegenüber, in der alles so weiter geht, wie bisher gehabt – hier kommt die Ausstellung zu dramatischen Ergebnissen mit dystopischen Entwicklungen, raumplanerisch genauso wie gesellschaftspolitisch.
„Das ist natürlich alles spekulativ“, sagt afo-Chef Koppelstätter. Wenngleich die Szenarien realistisch anmuten.
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