Sex and the City: Wie Linz gendergerechte Stadtplanung machen will

Radstreifen Nibelungenbrücke Linz
Auf Initiative von Verkehrsstadtrat Martin Hajart diskutierten Expertinnen über geschlechtergerechte Stadtplanung.

LH-Stellvertreterin Christine Haberlander (ÖVP), Eva Kail, Stadtplanungsexpertin und Pionierin der geschlechtergerechten Stadtplanung und Claudia Falkinger, Co-Founderin und Geschäftsführerin des Mobilitäts-Startups "Punkt vor Strich", stellten sich am Donnerstag Abend in Linz der Frage nach einer gendergerechten Stadtplanung. 

➤ Mehr lesen: Unverhofft kommt nicht oft: Grüne loben Radstrategie der Linzer ÖVP

"Sex and the City" lautete der provokante Titel, ÖVP-Verkehrsstadtrat Martin Hajart geht es dabei aber um eines: "Wie kann der Platz in einer Stadt gestaltet werden, dass sich alle wohl fühlen?" Gibt es und braucht es eine gendergerechte Planung?

Sex and the City: Wie Linz gendergerechte Stadtplanung machen will

Die Wiener Stadtplanerin Eva Kail, als Koryphäe in Sachen gendergerechter Stadtplanung vorgestellt, brachte es in ihrem Eingangsstatement auf den Punkt: "Städte werden seit jeher von alten, autofahrenden Männer geplant, und so schauen sie auch aus."

Denn die eigenen Abläufe würden - bewusst oder unbewusst - in die Planung einfließen. Claudia Falkinger pflichtete ihr bei: "Es macht einen Unterschied, ob mein Weg von zu Hause in die Arbeit und zurück geht, oder ob ich in den Kindergarten, dann in die Schule, danach zum Einkauf, dazwischen zu den Schwiegereltern und dann wieder zu Kindergarten oder Schule unterwegs bin." 

Unterschiedliche Wege

Und immer noch sei das zweite Beispiel hauptsächlich ein weiblicher Weg. Auch bei der Nutzung der Verkehrsmittel unterscheiden sich Mann und Frau. Während fast 30 Prozent der Frauen ihre Wege zu Fuß zurücklegen, sind es nur 21 Prozent der Männer. 

Modal-Split Linzu

Mit dem Fahrrad sind Männer fast doppelt so viel unterwegs in Linz wie Frauen: 13,8 zu 7,7 Prozent. Für Mobilitätsexpertin Falkinger der Beweis: "An der Zahl der fahrradfahrenden Frauen lässt sich die Qualität der Infrastruktur ablesen." 

Womit klar ist: Die Infrastruktur in Linz für Radfahrerinnen ist "ausbaufähig", wie auch Verkehrsstadtrat Martin Hajart einräumte. 

➤ Mehr lesen: Linz könnte Kopenhagen werden

Falkinger appellierte aufgrund dieser Voraussetzung und der Tatsache, dass "30 Prozent der Emissionen vom Verkehrssektor kommen und das der einzige Sektor ist, in dem diese noch steigen", dass für nachhaltiges Verkehrsverhalten aktiv Schritte gesetzt werden müssen. 

Weibliche Daten zu wenig genau erhoben

Darüber hinaus betonte Falkinger, dass schon in der Datenerhebung wichtige, nämlich weibliche, Infos fehlen: "In der Markt- und Meinungsforschung werden oft die falschen Fragen gestellt oder Frauen-Bedürfnisse zu wenig geklärt." Das Ergebnis sei eine Datenlücke, auf der dann auf- und weitergebaut werde. 

Einige waren sich die drei Frauen, dass bei der Stadtplanung die Perspektiv der Frau wesentlich stärker Beachtung finden muss. Für Christine Haberlander auch eine Frage der Sichtbarkeit, etwa von guten weiblichen Vorbildern in maßgeblichen Positionen.  

Ein weiterer Bereich, den Frauen in der Stadtplanung anders erleben als Männer, ist die Sicherheit. "An dunklen Plätzen etwa fühlen sich Frauen unwohl", weiß Haberlander, "sie steigen deshalb auch auf das Auto um, weil sie sich sicherer fühlen." 

Sicherheit ist auch eine Frauenfrage

Verbesserungen könnte die Begehung aller Straßen bei Dunkelheit bringen, wie das bei einem Pilotprojekt in Wien erfolgreich versucht worden sei, versicherte Kail: "Dabei konnte man erkennen, wo die Angsträume für Frauen liegen." Diese wurden dann sicherer gestaltet. Eine Idee, die Hajart mitnehmen wolle.

Frauen sind im Verkehrsbereich unterrepräsentiert. Einerseits, weil sie laut Expertinnen viel weniger Autos besitzen und es aber auch um 20 Prozent weniger oft benutzen, wenn sie über eines verfügen. Dazu kommt, dass der Frauenanteil von Beschäftigen im Mobilitätsbereich bei nur 22 Prozent liegt. 

Dass Linz generell "wenig Erfahrung an gendergerechter Planung" habe, attestierte auch Petra Stiermayr von der Linzer Abteilung Stadtplanung im Publikum. Immer noch würde sie Lacher ernten, wenn sie frauenspezifische Themen, wie die Beachtung von besseren Eingangssituationen von Wohnhausanlagen, einbringe. 

Attestiert wurde schließlich auch, dass mehr Frauen in Stadt- und Verkehrsplanung bessere Planungen ergeben könnten - wie das wissenschaftliche Studien laut Kail für alle Teams, die divers aufgestellt sind, belegen. Hajart räumte dabei ein, dass der Linzer Verkehrsausschuss ausschließlich männerdominiert sei.

 Jedenfalls sei es unabdingbar, so Kail und Falkinger, die Interessen vieler Gruppen, und nicht nur jene der Frauen, bei allen Planungen viel stärker und aktiv mitzudenken und "soziale Anliegen in technische Anforderungen" zu übersetzen. 

Haberlanders richtete abschließend einen Appell an Mädchen und Frauen, die Chancen und Möglichkeiten zu ergreifen und selbst mitzugestalten: "Tut es!" Und den Herren möchte sie zurufen: "Fürchtet euch nicht davor."

Kommentare