Fast 100 Seiten umfasst der Bericht des Kontrollamts über die Brucknerhaus-Affäre und den früheren künstlerischen Leiter Dietmar Kerschbaum.
So hat das Kontrollamt penibel 50 künstlerische Engagements von Kerschbaum während seiner Zeit als Leiter des Brucknerhauses aufgelistet. Engagements in Amsterdam, Peking und Hamburg finden sich darunter, ebenso in London, Berlin und Nürnberg. Und in Jennersdorf im Burgenland.
Kerschbaum habe laut den vorliegenden Aufsichtsrats-Protokollen angegeben, nach seiner Bestellung zu versuchen, Engagements aufzulösen und hatte davon gesprochen, mit Ausnahme Jennersdorf "grundsätzlich keine Nebenbeschäftigungen" auszuüben und keine zusätzlichen Verträge anzunehmen.
Woran er sich bei Durchsicht der Engagements offenbar nicht gehalten hat.
Diskrepanzen bei Urlauben
Laut dem Kontrollamt vorliegenden Protokollen hat Kerschbaum auch versichert, für die Engagements Urlaub zu nehmen. Auch das konnte das Kontrollamt widerlegen.
Denn in Kerschbaums Aufzeichnungen finden sich lediglich Urlaube für Peking- und Hamburg-Auftritte, nicht jedoch für den überwiegenden Teil der anderen Engagements - in London war Kerschbaum laut Kontrollamt an sechs Werktagen mit Auftritten beschäftigt, die er in der Dienstzeit des Brucknerhauses absolvierte.
Gleiches gelte für das Opernfestival in Jennersdorf, wobei das Kontrollamt anmerkte, dass wohl davon auszugehen sei, dass ein Intendant auch im Vorfeld intensive organisatorische Leistungen zu erbringen habe. Und auch dafür wurde nirgends ein Urlaub von Kerschbaum gefunden.
Dubiose Rolle bei Lido Sounds
Bei der Prüfung sind dem Kontrollamt im Zusammenhang mit dem Musikfestival Lido Sounds Vorgänge ins Auge gestochen, die möglicherweise auf "erhebliche Treue- und Sorgfaltspflichtverletzungen" von Kerschbaum hinweisen könnten.
So war im ersten Jahr von Lido Sounds die Rede davon gewesen, dass die LIVA davon profitieren würde - weil aber die After-Show-Party in den Berechnungen gefehlt hat, blieb am Ende ein Minus von etwas mehr als 3.000 Euro über.
Eigene Firma begünstigt?
Hinzu kommen noch nicht ganz aufgeklärte Verbindungen zwischen Lido Sounds, der LIVA, in der Kerschbaum als Geschäftsführer tätig war, und Kerschbaums Firma pannART Consulting.
Die Rede ist von teilweiser Verschiebung von verrechenbaren Leistungen zugunsten Kerschbaums Consulting-Firma.
Der Versuch des Kontrollamts, mit den Veranstaltern von Lido Sounds Licht ins Dunkel zu den Verträgen mit pannArt zu bringen, scheiterte. Die Firma habe mitgeteilt, dass keine Gesprächsbereitschaft bestehe.
Sollte der Vertrag aber so abgeschlossen worden sein, wie aus den derzeit bekannten Unterlagen hervorgeht, könnte dies jedenfalls zu einer Erlösminderung bei der LIVA - also der städtischen Tochtergesellschaft - geführt haben. Und auf der anderen Seite Kerschbaum mit der privaten Firma eine zusätzliche Einnahmequelle eröffnet haben, sagt das Kontrollamt.
Offen liegen jetzt auch die Werkverträge. Kerschbaum hat sich insgesamt zehn Mal selbst engagiert und dafür 65.000 Euro Honorar verrechnet. Seine Frau wurde neun Mal engagiert - um ein Honorar von 58.500 Euro.
Außer Spesen nicht gewesen?
Der Reisegebühren- und Spesenaufwand in der LIVA kann sich auch sehen lassen. Dieser ist von 52.000 Euro im Jahr 2017 auf 95.000 Euro im Jahr 2023 gestiegen, Geschäftsanbahnungsspesen lagen im Jahr 2023 bei weiteren fast 40.000 Euro. Darunter fanden sich Rechnungen für Wein, Spirituosen und Zigarren im Wert von 6.600 Euro.
Die ÖVP Linz legt nun angesichts der aufgetauchten Vorwürfe nach. Für Kulturstadträtin Doris Lang-Mayerhofer ist offen, ob die Einzelgenehmigungen "von oben gedeckt" waren, unklar sei auch, ob und in welcher Höhe der LIVA ein Schaden entstanden sei, der auch arbeitsrechtlich relevant sei.
Und sie fordert erneut: "Für ein objektives Bild muss den beiden freigestellten LIVA-Geschäftsführer Dietmar Kerschbaum und Rainer Stadler die Möglichkeit eingeräumt werden, zu den Vorwürfen im Kontrollamtsbericht eine Stellungnahme abzugeben und zur Aufklärung beizutragen."
Was wusste Luger?
In dieses Horn stößt auch Ursula Roschger von den Grünen: „Es braucht auf alle Fälle eine tiefgehende Debatte im Kontrollausschuss und eine umfassende Aufklärung. Dafür ist aber notwendig, dass auch der Prüfbericht der KPMG dem Ausschuss zur Verfügung steht.“
Und auch sie wirft die Frage auf, ob bzw. ab wann Bürgermeister Klaus Luger als Eigentümervertreter von den kolportierten Verfehlungen gewusst hat und ob er früher reagieren hätte müssen.
Luger selbst hatte bislang immer betont, nichts gewusst und von Kerschbaum "persönlich enttäuscht" zu sein.
Kommentare