Die vom damaligen ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz und Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) in Wahlkampfzeiten "erfundene" Digitaluniversität in Linz kommt auch zu Beginn des neuen Jahres nicht aus den Schlagzeilen.
Einerseits ist die nun als IT:U firmierende Universität aufgrund des Linzer Bürgermeisterwahlkampfes laufend Thema, andererseits gibt es nun auch die Antworten von Noch-Bildungsminister Martin Polaschek auf eine Anfrage von Neos-Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre.
Antworten, die weiterhin viele Fragen offen lassen. Aber der Reihe nach.
Minister will an "Wunschstandort" festhalten
Gleich bei der Frage nach dem Standort lässt Polaschek aufhorchen. Zwar wird es keine Widmung für den ins Auge gefassten Standort bei der Johannes-Kepler-Universität (JKU) in Linz geben, Polaschek sagt dennoch: "Derzeit wird am ursprünglich geplanten Standort als Wunschstandort festgehalten."
Alternative Standorte für die IT:U würde nicht näher geprüft. Das sei "aufgrund der derzeitige Sach- und Rechtslage nicht zielführend", ist er überzeugt. Um dann doch einzuräumen, dass die Bundesimmobiliengesellschaft Alternativvorschläge sammle.
Konkret heißt das: Im Gesetz zur Errichtung der Digitaluni ist Linz als Standort festgeschrieben. Demnach bedürfe ein Standort außerhalb von Linz einer Gesetzesänderung. Darüber hinaus wurde eine sogenannte 15a-Vereinbarung zwischen dem Bund und dem Land Oberösterreich abgeschlossen, die die Errichtung der Digitaluni exakt auf jenem Grundstück beinhaltet, das aus Natur- und Klimaschutzgründen nicht umgewidmet wird.
Polaschek will Kostenteilung neu verhandeln
Wenn das Gebäude also nicht auf genau diesem Grundstück errichtet wird, sieht Polaschek den Bund nicht mehr in der Pflicht, den "Bundesanteil Gebäudekosten" zu übernehmen. Denn im Zuge einer neuen 15-a-Vereinbarung "könnte auch die Beteiligung an den Baukosten neu geregelt werden und der Bund frustrierte Kosten zurückbekommen", richtet Polaschek dem Land Oberösterreich und der Stadt Linz aus.
Aber man stehe laufend in Abstimmung mit der Bundesimmobiliengesellschaft, die die Uni errichten soll, dem Land und der Stadt, versichert Polaschek. Die Stadt will er offenbar stärker in die Pflicht nehmen: "Hinsichtlich der Frage, welche Ressourcen die Stadt Linz einbringen kann, bleibt die Neuwahl des Bürgermeisters bzw. der Bürgermeisterin abzuwarten."
90 Personen arbeiten bereits an der Digital-Universität
An der "Summerschool" nahmen 40 Personen aus 26 Nationen teil.
11 Gründungsprofessuren wurden vergeben, von ihnen wurden elf Forschungsgruppen eingerichtet: Complex Systems and Network Science, Computational Neuroscience, Designing Human-Computation Relationships, Explainable Artificial Intelligence, Game Theory and Evolutionary Dynamics, Geosocial Artificial Intelligence, Human Rights and Technology, Intelligent User Interfaces, Machine Learning in Earth Science, Natural Language Processing und Understanding and supporting (inter-)professional transformations.
Im November 2024 wurden 6.000 Quadratmeter Büro- und Laborflächen im Donaufeld Center Linz angemietet - dort soll die Uni sein, bis der eigene IT:U-Campus errichtet wird. Wann das sein wird, ist offener denn je
Laut einer Aussendung werden heuer 30 Doktoratsstudierende in den beiden PhD-Programmen der IT:U studieren
Die Entwicklungspläne der Universität sehen bis zum Jahr 2030 einen Anstieg der Studierendenzahlen auf bis zu 2000 vor
Fix sei aber, dass sich der Zeitplan aufgrund des Stillstands wegen der Ablehnung des geplanten Standorts verzögere. Wie massiv, sei derzeit nicht abschätzbar, so Polaschek, der ergänzt: "Eine Bewertung der finanziellen Auswirkungen wird im Zusammenwirken von IT:U, Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) und Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung erstellt."
Das sei auch aufgrund der wegfallenden Synergien mit der JKU noch nicht endgültig abschätzbar.
Bislang 26,5 Millionen Euro investiert
Bislang sind vom Bund rund 26,5 Millionen Euro aufgewendet worden, um die IT:U dorthin zu bringen wo sie jetzt ist. Und Polaschek verfolgt weiter den Weg, die IT:U als neue Uni zu etablieren.
Der angesichts der Schwierigkeiten beim Start der Digitaluni immer wieder aufkommenden Forderung, diese doch als Fakultät in der JKU zu integrieren, erteilt er ein Absage: "Für die Gründungsentscheidung zur IT:U als neue Universität mit ihrer spezifischen Ausrichtung waren mehrere Ziele maßgeblich, unter anderem Spezialisierung auf das Themenfeld der Digitalisierung, interdisziplinäre Ausrichtung, eine neue Organisationsform, geringe rechtliche Korsette, generell mehr Freiheiten, um neue Wege gehen zu können."
Diese Gründe hätten weiterhin Gültigkeit und "lassen sich realpolitisch im Rahmen existierender Universitäten in dieser Form nicht verwirklichen", ist Polaschek überzeugt.
Wer davon nicht überzeugt ist, ist weiterhin die Universitätskonferenz. Deren neue Sprecherin Brigitte Hütter, selbst Rektorin an der Kunstuniversität in Linz, sieht die Kritik der Universitäten an der Digitaluni, die bei der Begutachtung des Gesetzes eingebracht wurden, längst nicht entschärft.
"Vieles ist unklar, wie die Positionierung und die inhaltliche Ausrichtung", sagt Hütter, die auch betont, man könne "nicht so tun, als hätte die anderen Universitäten nichts mit digitalen Themen zu tun".
Auch nach einer über einjährigen Gründungsphase ist für Hütter nicht erkennbar, wo der Forschungsschwerpunkt liegen soll: "Ich lese die Schlagworte interdisziplinär, transformativ und digital, aber was tut man inhaltlich? Das bleibt offen."
Dabei gehe es ihr nicht um die Frage, ob man diese Universität wolle oder nicht, sondern hauptsächlich darum, wie sie sich inhaltlich festlegt. Ob die 25 Millionen Euro besser in anderen Universitäten eingesetzt wären, könne jetzt noch nicht beantwortet werden. Aber wenn es keine klare inhaltliche Festlegung für die neue Uni gibt, sei das Geld wohl nicht gut eingesetzt, lässt Hütter durchklingen.
Und sie ist überzeugt: "Eine individualisierte Art des Studiums wie das jetzt für wenige Studierende gemacht wird, ist für tausende Studentinnen und Studenten nicht möglich."
Seitens der neuen Universität ist man hingegen zuletzt sehr zufrieden mit der laufende Entwicklung gewesen.
Das wurde bei der Präsentation des vorübergehenden neuen Uni-Standortes deutlich: "Mit dem Wintersemester 2024/25 hat die IT:U Interdisciplinary Transformation University Austria mit zwei neu entwickelten Doktoratsstudien regulär ihren Studienbetrieb aufgenommen. Das erste Masterstudium geht ab Wintersemester 2025/26 an den Start."
Linzer Lokaldebatte geht weiter
Der Linzer Neos-Gemeinderat Georg Redlhammer spricht im Zusammenhang mit der Entwicklung der Digitaluni jedoch von einem "Management by Moses: Das Volk wird in die Wüste geführt und man hofft auf ein Wunder.“
Auf die Frage, ob es dem Steuerzahler zu erklären ist, dass die Digitaluni nicht am ursprünglich geplanten Standort kommt, sagt der geschäftsführende SPÖ-Vizebürgermeister Dietmar Prammer: "Das müssen Sie die BIG fragen, und auch das Land und den Bund."
Denn er sei zwar für den Standort gewesen, habe aber immer auf die noch fehlende Widmung hingewiesen: "Es war ein großes Projekt unter Zeitdruck. Wahrscheinlich wäre es gescheiter gewesen, sich die Zeit zu nehmen. Aber das ist jetzt einmal so."
Er plädiert jedenfalls - wie ein Großteil der Bürgermeisterkandidaten - für die PostCity als Alternative: "Das bietet die meisten Vorteile." Hier könne man sich "bisher gestrandete Kosten in Auhof" ersparen und diese gegenrechnen. Prammer: "Beispielsweise wird man in der Innenstadt keinen Beitrag für die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel zahlen müssen. Die BIG hätte ja einen Beitrag für die Verlängerung der Straßenbahn zahlen müssen. Auch die Energieversorgung mit Fernwärme und Fernkälte ist in der Stadt günstiger."
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