"Kurz und ich haben das sehr deutlich an- und ausgeredet"

Thomas Stelzer
Der Landeshauptmann über Spannungen und Freuden seiner ersten neun Monate und über seine Pläne für 2018.

Thomas Stelzer (50) ist seit 6. April Landeshauptmann von Oberösterreich.

KURIER: Sind jung und blond die neuen Kriterien für ein Ministeramt?

Thomas Stelzer: (lacht) Nachdem ich mich selbst für halbjung erachte und ich fast noch blond bin, sind das genauso Kriterien im Land. Aber Scherz beiseite.Ich lege Wert darauf, dass ich mir als Regierungschef mein Team auswählen kann. Dasselbe gilt auch für den Bundeskanzler, der in einer sehr herausfordernden Situation die Regierungsgeschäfte übernimmt. Ich setze darauf, dass wir als starker Standort mit der Bundesregierung sehr gut zusammenarbeiten.

Ihr Stellvertreter Michael Strugl war in die Koalitionsverhandlungen eingebunden. Er hat gemeinsam mit KTM-Chef Stefan Pierer und IHS-Direktor Martin Kocher ein Standortministerium nach oberösterreichischem Vorbild vorgeschlagen. Kurz hat auf diese Aufwertung des Wirtschaftsministeriums verzichtet.

Wir haben in Oberöstereich aus guten Gründen ein Standortressort eingerichtet, wo Wirtschaft, Forschung, Wissenschaft und Energie in einer Hand geführt werden. Das ist ein Erfolgsmodell. Ich hätte das auch gerne auf Bundesebene gesehen. Aber Koalitionsverhandlungen haben es an sich, dass man auf das Gegenüber eingehen muss. Nachdem die Bundesregierung das Standortthema als ein primäres Ziel definiert hat, setzen wir darauf, dass das stark vorangetrieben wird.

Kurz stellt aber die Interessen der Bünde und der Länder hintan. Das hat sich bereits bei der Aufstellung der Bundesliste für den Nationalrat gezeigt und nun neuerlich bei der Nominierung der Minister. Diese Politik geht eindeutig auf Kosten der Länder.

Es wird unsere und speziell auch meine Aufgabe sein, dass sich die Länder, gerade auch Oberösterreich, nicht nur stark bemerkbar machen, sondern auch Erfolge ins Land bringen. Nicht aus einem Justamentstandpunkt heraus, sondern weil wir sagen, nur wenn so ein starker Standort wie Oberösterreich gut funktioniert, gut performt und gute Werte bringt, dann kann auch die gesamte Republik gut gelingen. Das weiß auch das Vis-à-vis (Kurz, Anm.d.Red.) .

Nachdem man der ÖVP lange und zu Recht vorgeworfen hat, es würde mit Zwischenrufen und Hineinregieren so agiert, dass die Bundes-ÖVP nicht erfolgreich sein kann, muss man verstehen, und ich unterstütze das auch, dass die neue Volkspartei anders geführt wird. Am 15. Oktober ist damit ein Erfolg gelungen.

Aber es werden doch Spannungsverhältnisse zwischen Bund und Ländern sichtbar. Ein Beispiel ist die Reform der Sozialversicherungen, wo Sie sich deutlich gegen Zentralisierungstendenzen zu Wort gemeldet haben. Ähnlich Spannungsverhältnisse zwischen Bund und Land gibt es auch bei den Freiheitlichen.Manfred Haimbuchner kritisiert ebenfalls das mangelnde Verständnis der Wiener für die Länder.

Das stimmt. Es gibt bei sachlichen Fragen unterschiedliche Zugänge. Das halte ich für wichtig und das zeigt, dass lebendig diskutiert wird, auch in unserer Partei. Jeder nimmt Verantwortung für seinen Teil wahr und versucht, aus seiner Sicht das Beste herauszuholen. Wichtig ist nur, dass man am Ende zu einem gemeinsamen Nenner kommt. Das ist im Regierungsprogramm beim Passus über die Sozialversicherungen gelungen. Indem wir stark auf die eigene Budgetierungsmöglichkeit, auf das Bilden von Rücklagen im eigenen Land gedrängt haben. Dass ist auch festgehalten worden.

Kurz war vor Weihnachten zu einem Überraschungsbesuch bei Ihnen. Haben Sie da mit ihm bereits Vereinbarungen getroffen?

Es war ein gutes Gespräch und ich habe ihm sehr deutlich gesagt,dass der Standort Oberösterreich für ganz Österreich wichtig ist. Das, was sich hier abspielt, dient ganz Österreich. Deshalb brauchen wir auch eine gewisse Unterstützung bei den Schwerpunkten. Dazu gehören die Entwicklung der Wissenschaft und der Universität, weiters die Infrastruktur und anderes mehr. Das haben wir sehr deutlich an- und ausgeredet.

Hatten Sie den Eindruck, dass Kurz das akzeptiert hat?

Ich habe im Gespräch den Eindruck gewonnen, dass wir da eine gemeinsame Sichtweise haben.

Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu Kurz beschreiben?

Es ist ein tragfähiges Verhältnis, das offene Aussprachen ermöglicht und, dass man manche Themen von verschiedenen Gesichtspunkten sieht. Diese tragfähige Verhältnis ermöglicht auch manch’ unangenehme Gespräche. Weil wir beide am Ende immer versuchen, zu tragfähigen Lösungen zu kommen.

Sie sind nun seit 6. April Landeshauptmann. Welche Erfahrungen haben Sie in diesen neun Monaten gemacht?

Es ist wichtig, dass man ganz massiv bei den Schwerpunkten bleibt, die man gesetzt hat. Und dass man ins Tun und Umsetzen kommt. Darum war es mir wichtig, schon im ersten Jahr die Neuaufstellung des Landeshaushalts sichtbar zu machen. Es regt die Menschen auf, dass in der Politik über vieles geredet wird, aber was dann tatsächlich passiert, ist ein anderes Paar Schuhe. Es geht darum, aus Worten auch Taten zu machen. Man muss hier viel Energie dahintersetzen. Das wird auch geschätzt.

Welche Erfahrungen aus den ersten Monaten nehmen Sie für die Zukunft mit?

Viel und ausgiebig reden ist ganz wichtig. Manche wollen aber trotz vielen Redens einen Wirbel veranstalten. Manchmal zählt auch das beste und schlagkräftigste Argument nicht.

Der Landeshaushalt für 2018 war wohl die stärkste Herausforderung?

Er war eine große Herausforderung, weil ich dafür weniger Zeit als geplant gehabt habe. Denn es ist die Nationalratswahl dazwischengekommen. Es ging für mich als neuen ÖVP–Chef darum, wie sich die Partei in Oberösterreich schlägt. Es war eine große Freude, dass wir Stärkste geworden sind. Es war in einem halben Jahrhundert erst das zweite Mal, das wir Nummer eins geworden sind.

Welche Schwerpunkte haben Sie für das neue Jahr geplant?

2018 steht unter dem Motto das Jahr der Möglichkeiten. Es geht um die Themen bestmögliche Infrastruktur. Das beginnt beim Breitband und reicht bis zu den Linzer Brückenbauten. Mit der Landesausstellung Die Rückkehr der Legion wird es einen großen kulturellen Schwerpunkt geben. Sie hat das Potenzial ein großer Erfolg zu werden. Das Adalbert-Stifter-Jahr legt gleich zu Jahresbeginn los.

Wir haben einen Schwerpunkt im Sozial- und Gesundheitsbereich. Wir investieren hier viel Geld. Es muss durch das Sozialprojekt, das derzeit läuft, gelingen, noch mehr Menschen zu erreichen.

Wir wollen die Wissenschafts- und Universitätslandschaft weiter ausbauen.

Die Verwaltung ist eine ständige Herausforderung. Wir werden bei der Zusammenarbeit der Magistratsstädte mit den Bezirkshauptmannschaften hoffentlich Fortschritte machen.

Die Stadt Linz will die Beiträge für die Nachmittagsbetreuung in den Kindergärten, die das Land neuerdings verlangt, nicht einheben. Bürgermeister Klaus Luger konterkariert hier die Politik von Schwarz-Blau.

Das liegt in der Autonomie der Stadt. Wenn dort die Mehrheit sagt, wir können uns das leisten, kann sie das tun. Ich meine, wenn eine gute Leistung geboten wird, kann man einen Beitrag einheben. Auch wenn es heißt, es ist gratis, zahlt es am Ende immer der Steuerzahler. Selbst bei einer Gratismentalität kommt das Geld nicht aus dem Nirvana, sondern aus dem Börsel der Steuerzahler.

Die Stadt beklagt sich regelmäßig, dass sie 100 Millionen Euro im Zuge des Gemeindefinanzausgleichs an das Land überweisen muss.

Ich lade zu einem Spaziergang durch die Landeshauptstadt ein und man wird nur wenig Infrastruktur finden, wo nicht Landesgeld drinnensteckt. Das ist weitaus mehr als die Stadt Linz bei der Transferbilanz ausweist. Ich halte von diesen Diskussionen wenig, denn es ist das Geld der Bürger. Wir müssen es gemeinsam schaffen, dass es so eingesetzt wird, dass möglichst viel an Leistung und Unterstützung herauskommt.

Ich habe mir vorgenommen, dass wir die Finanzierungsströme, die wir zwischen den Städten und den Gemeinden haben, sortieren. Ich möchte klarere Zuständigkeiten bei der Verantwortung und den Zahlungen schaffen.

Sie wollen die Landesumlage neu regeln?

Wir haben bei den Zahlungsströmen sehr viele Verschränkungen. Bei der Pflege, im Sozialen, im Spitalsbereich, in den Kindergärten. Bei der Einführung haben diese Zahlungen ihren guten Grund gehabt, sie führen aber inzwischen zu Unübersichtlichkeiten und Unzufriedenheiten. Ich bin aber noch nicht so weit, dass ich schon sagen kann, bei welchen Punkten wir Änderungen herbeiführen wollen.

Der Bund zahlt beim Ausbau des öffentlichen Verkehrs, so bei zweiten Schienenachse in Linz, nichts dazu, er bezahlt aber den Bau der U-Bahn in Wien. Das ist eine Ungerechtigkeit.

Das ist eine Ungerechtigkeit, die wir nicht einfach so hinnehmen können. Es stellt niemand in Abrede, dass eine Hauptstadt gewisse Funktionen hat, für die der Bund aufkommen soll. Aber auch ein so pulsierendes Zentrum wie Linz oder der oberösterreichische Zentralraum sind wichtig für den Bund. Deshalb muss es eine in Geld spürbare Bereitschaft geben, Infrastruktur mit zu unterstützen. Ich denke hier an den öffentlichen Verkehr. Das ist ein Thema, das wir mit den neuen Bundesregierung haben werden.

Ein ungelöstes Problem für die Pendler ist die Einfahrt von der Westautobahn nach Linz. Hier zeichnet sich keine Lösung ab.

Dafür wurde in der Vergangenheit der Tunnel Bindermichl geschaffen. Es gibt die Verlängerung der Straßenbahn über Linz hinaus. Weiters das Stadtbahnkonzept. Wir brauchen ein attraktiveres öffentliches Verkehrsangebot, das tatsächlich angenommen wird, damit die Autofahrer umsteigen. 2018 ist erstmals das Landesbudget für den öffentlichen Verkehr höher als für den Straßenbau. Es braucht aber auch die Unterstützung der Bundesregierung. Alleine sind wir damit überfordert.

Im Ausbauplan der Asfinag bis 2031 ist die Linzer Ostumfahrung nicht enthalten.

Es geht zuerst darum, den entsprechenden Korridor freizuhalten. Wir sollen nun die Bauprojekte, die jetzt anstehen, ordentlich abwickeln. Wir brauchen neben dem Geld auch eine Beschleunigung bei den Genehmigungsverfahren. Es ist auch für mich schwer verständlich, wenn die Länder Ober- und Niederösterreich sich 2017 über den Neubau der Mauthausener Brücke einigen, der Baubeginn aber erst 2024 sein wird, weil die Verfahrensdauer dermaßen angewachsen ist. Wenn wir eine leistungsfähige Infrastruktur haben wollen, brauchen wir auch ein leistungsfähiges Paragrafenwerk. Ich bin sehr dahinter, dass es hier zu Beschleunigungen kommt.

Im neuen Jahr soll ein Bildungsdirektor den Landesschulrats präsidenten ablösen.

Wir schauen uns derzeit an, was wir aus dem Landesbereich noch in die Bildungsdirektion integieren können. Dass wir zum Beispiel zu den Aufgaben des Landesschulratspräsidenten noch die Kindergärten und den Schulbau dazugeben.

Wann werden Sie den neuen Direktor bestellen?Sie brauchen dazu auch die Zustimmung des Bildungsministers.

Die Bestellung wird im Jahr 2018 sein. Ich werde nun das Gespräch mit dem neuen Bildungsminister suchen, denn er hat hier eine wichtige Rolle.

Axel Greiner, der Präsident der Industriellenvereinigung, hält die Aufgabe des Bildungsdirektors mit einer Gewerkschaftsfunktion wie dem Obmann des Chistlichen Lehrervereins für unvereinbar. Das hat Landesschulratspräsident Fritz Enzenhofer betroffen und betrifft nun seinen Nachfolger Paul Kimberger. Sehen Sie das auch so?

Wir suchen gemeinsam eine bestmöglich geeignete Persönlichkeit, die die neue Bildungsdirektion führt. Ich bin aber dagegen, dass man gegen jemanden ein Engagementverbot erlässt.

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