Klaus Luger: "Bund soll Schulden von Gemeinden übernehmen“

Klaus Luger (SPÖ) stellt sich am Sonntag der Stichwahl.
Wir steuern auf die größte Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg zu. Nun heißt es investieren.

Klaus Luger (SPÖ) ist seit 2013 amtierender Bürgermeister von Linz und unter anderem für die Finanzen der Stadt zuständig.

KURIER: Wie hat sich für Sie persönlich das Leben während Corona verändert?

Klaus Luger: Für mich hat sich das Leben völlig verändert. Gerade in dieser Jahreszeit bin ich es gewohnt eine Sieben-Tage-Woche zu haben, weil viele Veranstaltungen sind, die ich mit Freude besuche. Das war alles weg. Meine Tochter war vom Gymnasium zu Hause, meine Frau hatte Homeoffice. Wir als Familie waren das in dieser Form nicht gewohnt.

Und hat diese Situation ein gutes Ende genommen?

Meine Frau und ich lieben uns immer noch. Unsere Tochter führt die üblichen Konflikte mit uns (lacht). Persönlich war es eine sehr ungewöhnliche Zeit, aber ich habe sie, was die private Seite betrifft, sogar lieb gewonnen.

Für die Stadt Linz hat die Krise keine positiven Folgen: Bereits vorher hat es um die Finanzen nicht rosig ausgesehen. Laut Landesrechnungshofbericht hat Linz 1,5 Milliarden Euro Schulden. Nun fallen durch Corona Einnahmen weg, die Ausgaben werden durch Hilfspakete jedoch mehr. Wie will man das finanziell stemmen?

Der Landesrechnungshof hat vorgeschlagen, dass wir 80 bis 100 Millionen Euro einsparen sollen. Ich fühle mich durch den Bericht bestätigt, denn würden wir nicht 130, sondern nur 50 Millionen jährlich an das Land zahlen, dann hätte Linz kein Finanzproblem.

Zudem muss man sagen, dass den Verbindlichkeiten Werte von fünf Milliarden gegenüberstehen. In einer Firma würde das kein Steuerprüfer besorgniserregend finden. Aber jetzt sind die Karten ohnedies völlig neu gemischt.

Wir steuern auf die größte Weltwirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg zu und wir haben als Stadt zwei Möglichkeiten: Entweder wir ignorieren die Sorgen unserer Bürgerinnen und Bürger oder wir helfen mit, um jeden Arbeitsplatz zu kämpfen. Und da ist die Antwort klar. Dass der Preis dafür ein Verschieben der Konsolidierungspolitik ist, muss man einfach sagen.

Denn wir haben nicht so viel freie Möglichkeiten, um diese Summen durch Einsparungen zu erzielen. Umschichtungen ja, aber der Rest wird finanziert werden, indem wir so wie Bund und Land Kredite aufnehmen. Mit dem Geld werden wir in unsere Achillesferse investieren: Das ist die Verkehrsinfrastruktur und der Ausbau der Digitalisierung.

Jetzt bekommt Linz aus dem Gemeindepaket des Bundes etwa 25 Millionen Euro. Für Sie ein „Tropfen auf dem heißen Stein“. Was verlangen Sie vom Bund?

Es gibt ein Vorbild für mich und das ist die Bundesrepublik Deutschland, wo die Konservativen und Sozialdemokraten ein Entlastungspaket für Kommunen schnüren, das aus zwei Teilen besteht.

Einer davon ist, dass Schulden, die Kommunen in Deutschland in den vergangenen Jahren gemacht haben, um Infrastrukturprojekte zu finanzieren, übernommen werden. Das ist klug: Erstens bekommen die noch bessere Konditionen und zweitens bekommen die Kommunen dadurch mehr Luft neue Kredite für neue Investitionen aufzunehmen.

Das hört sich nun an, als würden Sie hoffen, dass Bund und Land die Schulden von Linz wegzaubern.

Eines vorweg: Linz ist ein Teil Oberösterreichs. Deshalb ist es nichts Besonderes, wenn das Land in Linz investiert. Meine Erwartungshaltungen, was den Bund betrifft, sind seit dem Gemeindepaket auf null gesunken. Da wird nichts mehr kommen.

Das Land Oberösterreich wird sicherlich ein Antikrisenpaket schnüren und ich gehe davon aus, dass hier vor allem die brennenden Aufgaben im öffentlichen Verkehr finanziert werden. Wir haben ja Projekte wie die Stadtbahn, die O-Buslinie, auch die Stadtseilbahn. Hier wird der Bund mitfinanzieren müssen.

Das Projekt der Stadtbahn ist ja der Infrastrukturministerin Gewessler (Grüne) vorgestellt worden. Nun hat sie vor Kurzem verkündet, dass österreichweit 300 Millionen Euro in den regionalen Verkehr fließen, jetzt kostet allein die Stadtbahn eine Milliarde Euro.

Ich bin wirklich desillusioniert über die Rolle der Grünen in der Bundesregierung. Man kann unterschiedlicher Meinung über die ÖVP-FPÖ-Regierung sein, aber die haben tatsächlich damals die Nahverkehrsmilliarde verhandelt und das mit einem blauen Infrastrukturminister.

Jetzt haben wir eine grüne Ministerin und nun werden aus dieser Milliarde 300 Millionen. Das ist Etikettenschwindel oder – wie überhaupt in dieser Regierung – keine grüne Handschrift erkennbar. Mit dem habe ich zu leben.

In Ihrer Neujahrsrede stellten Sie eine Reihe von Ideen vor, wie etwa Flugtaxis und Seilbahn. In Anbetracht des Finanzierungsproblems: Sind das nicht utopische Vorstellungen?

Aus meiner Sicht nicht. Es mag sein, dass Linz vom Bund sehr stiefmütterlich behandelt wird. Wir zahlen die meisten Steuern und bekommen derzeit dennoch bei all diesen Förderprojekten nur Brosamen. Allerdings braucht es nur einen langen Atem, um das zu ändern. Ich bin dahingehend sehr optimistisch, denn wir sind Industriestadt Nummer eins.

Was die Flugtaxis betrifft, waren wir so weit, dass wir die Bewilligungen eingebracht haben. Dann kam Ibiza und Corona, aber jetzt ist Zeit zu agieren. Wir erwarten bei den Flugtaxis die Genehmigung für den Probebetrieb. Was die Stadtseilbahn und deren Finanzierung betrifft, bin ich deshalb optimistisch, weil ich überzeugt bin, dass das die Zukunft in urbanen Räumen ist.

In einer Stadt wie Linz, die dicht verbaut ist oder geschützte Grünräume hat, ist es nicht absurd in die Luft zu gehen. Meine Angst ist, dass wir durch die Bedenkenträger in den Ministerien, die Zeit verlieren. Ich würde mir mehr Mut zum Unkonventionellen wünschen.

Stichwort Grünzonen: Zu Beginn des Jahres gab es die Diskussion über das Softwareunternehmen Fabasoft, das am Rande des Grüngürtels bauen wollte.

Ja, wir brauchen eine Strategie, wie wir mit Flächen in Linz umgehen. Derzeit haben wir die Situation, dass jeder, der Grünflächen verbaut, ein Umweltsünder ist – jeder der einen Baum schützt, ist ein Held. Alle schreien aber nach Arbeitsplätzen und Wirtschaftsentwicklung.

Beides geht aber nicht. Ich glaube, es ist ein Kompromiss nötig. Nicht jede Verbauung ist gut, aber nicht jede Verbauung ist Blödsinn und vor allem ist sie kein Kniefall vor Investoren. Wir brauchen einen Plan, wie sich die Stadt entwickeln soll, damit nachvollziehbarer wird, warum die Stadtregierung an der einen Stelle Umwidmungen erlaubt, an anderer nicht.

Deshalb haben wir eine Stadtentwicklungsstrategie unter Einbindung von Bürgern vereinbart. Diese wurde wegen Corona in den Herbst verschoben.

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