„Jobgarantie sichert sozial gerechten Klimaschutz“

Andreas Stangl
Der neue Arbeiterkammerpräsident Andreas Stangl startet eine Initiative zur Beseitigung der Jugend-arbeitslosigkeit. Er lädt dazu das Land, die Industrie und die Wirtschaft ein.

Andreas Stangl ist von der Vollversammlung der Arbeiterkammer mit 90 Prozent der Stimmen zum neuen Präsidenten gewählt worden. Der 52-Jährige hat Dreher in der AMAG in Ranshofen gelernt. Er war in der Gewerkschaftsjugend und als Betriebsrat aktiv. Mit der Zerschlagung der AMAG 1989/90 hat er das Jugendzentrum der Gewerkschaftsjugend übernommen. 1994 kam er zur Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) und absolvierte die Sozialakademie. In Leonding wurde er 2003 Stadtrat, später Vizebürgermeister. Er entschied sich für die Interessensvertretung, „das liegt mir mehr, da bin ich authentischer. Man bekommt viel mehr zurück.“ Stangl war Vizepräsident der Arbeiterkammer, Führer der sozialdemokratischen Fraktion in der AK und Leiter der GPA OÖ. „Ich bin mit meiner Jugendliebe (aus Hochburg-Ach) verheiratet, wir haben schon Silberne Hochzeit gefeiert und wir haben einen 14-jährigen Sohn.“

KURIER: Sind Sie geimpft?

Andreas Stangl: Selbstverständlich, dreimal.

Wie ist Ihre Meinung zu jenen, die dagegen demonstrieren?

Die Politik hat große Fehler gemacht. Das Krisenmanagement ist verheerend. Konkret weiß ich das von einer Impfstraße in der Linzer Industriezeile, um die wir uns bemüht haben. Man müsste den Menschen viel klarer kommunizieren, dass Impfen das geeignete Instrument ist, um die Pandemie zu überwinden. Es wurden keine klaren Positionen bezogen, vielleicht weil Landtagswahl war oder man nichts riskieren wollte. Das hat das dazu geführt, dass gezweifelt wurde. Jeder Zweifel ist berechtigt. Es ist auch nicht hilfreich, wenn die Ärzteschaft verschiedene Stellungnahmen abgibt.

Die Kritiker der Impfpflicht unter den Ärzten sind Außenseiter.

Ja, das stimmt. Ich halte sehr viel vom Lungenprimar Lamprecht.

Die Metaller konnten mit einer Erhöhung von 3,55 Prozent einen sehr guten Abschluss verzeichnen. Die Inflation spielte dabei eine erhebliche Rolle.

Wir haben mit den steigenden Ölpreisen eine Inflationswelle, die antreibt. Nächstes Jahr kommt mit der CO2-Steuer die nächste Dynamik. Danach glaube ich nicht, dass wir uns an 3,5-prozentige Inflationsraten gewöhnen müssen. Die amerikanische Zentralbank FED will nächstes Jahr das Zinsniveau anpassen, dann werden die Banken ebenfalls die Zinsen erhöhen, damit der Inflation der Boden entzogen wird.

Die Agenda Austria kritisiert am Metaller-Abschluss, dass von den 3,55 Prozent bei den Arbeitnehmern nur 2,8 Prozent verbleiben, den Rest schluckt der Staat. Eine berechtigte Kritik?

Das ist eine berechtigte Kritik, ich teile sie. Die kalte Progression konterkariert den Verhandlungserfolg der Gewerkschaften. Wir verhandeln de facto für einen am Tisch unsichtbaren Dritten. Es geht um Steuergerechtigkeit. Bei der Steuerreform wird für gewisse Gruppen nicht einmal die kalte Progression ausgeglichen, während andere Steuergeschenke in Form der einprozentigen Senkung der Körperschaftssteuer erhalten. Da passiert Umverteilung, das Geld der Arbeitnehmer wird dafür hergenommen.

Welche Maßnahmen gegen die kalte Progression sind aus Ihrer Sicht geeignet?

Die Steuersätze sollen jährlich an die Inflation angepasst werden. Man muss sich auch die Steuerbefreiungen ansehen, sie sind meist Fixbeträge. Zum Beispiel das Kilometergeld und die Diäten.

Wir brauchen einen funktionierenden Staat. Das sieht man jetzt in der Corona-Pandemie. Den Unternehmen muss geholfen werden, damit die Menschen mittels Kurzarbeit weiter in Beschäftigung sind.

Das Sprichwort sagt, neue Besen kehren gut. Wo wird Ihr Besen besonders kehren?

Es ist gut zusammengekehrt. Es gibt keine Stelle, wo man nachkehren muss. Unsere Arbeiterkammer ist sehr, sehr gut aufgestellt. Ich war immer schon integriert, ich war Vizepräsident und neun Jahre Fraktionsvorsitzender. Ich stehe für Kontinuität.

Einer meiner Schwerpunkte ist Gerechtigkeit. Die arbeitsrechtlichen Ansprüche dürfen nicht nur im Gesetzbuch stehen, sondern müssen auch gelebt werden.

Ein konkretes Beispiel?

Ein Viertel aller Überstunden werden nicht bezahlt. 90 Prozent unserer Rechtsfälle betreffen Betriebe, wo wir keinen Betriebsrat haben.

Ein weiterer Schwerpunkt meiner Arbeit ist sozial gerechter Klimaschutz. Es werden nun Porsche-Taycans als Firmenautos angeschafft. Die Steuervorteile für Elektroautos gelten auch für Luxuswägen. Das geht auf Kosten der Arbeitnehmer.

Ist man bei der Förderung der E-Autos zu großzügig?

Ja. Es braucht ein Preislimit.

Wir sind Industrieland Nummer eins. Wir haben viele Betriebe und damit einen hohen CO2-Ausstoß.

Oberösterreich ist das Bundesland mit dem höchsten CO2-Ausstoß.

Es hilft uns nichts, wenn wir bei der Transformation in eine klimagerechte Welt Arbeitsplätze verlieren. Wir müssen schauen, dass die Menschen in Beschäftigung bleiben. Die Industrie ist in der Transformation gut unterwegs. Wenn wirklich Arbeitsplätze wegfallen sollten, müssen die Mitarbeiter umgeschult werden, es muss eine Jobgarantie für die Kolleginnen und Kollegen geben.

Man muss die Menschen auch stärker fördern bei der Umstellung ihrer Heizsysteme. Der öffentliche Verkehr muss so ausgebaut werden, damit ihn die Menschen tatsächlich nutzen können.

In den ländlichen Regionen wird das teilweise schwierig sein.

Dann muss man Park-and-ride-Systeme schaffen, bei denen die Menschen bei einem vernünftigen Takt auf das öffentliche Verkehrsmittel umsteigen können.

Mein dritter Schwerpunkt ist die Digitalisierung. Wir fördern Projekte.

Der vierte Punkt ist mein Herzensanliegen, die Jugendbeschäftigung. Wir reden über Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel und haben trotzdem aktuell 475 arbeitslose Lehrstellensuchende.

„Jobgarantie sichert sozial gerechten Klimaschutz“

Vom Vize zum Präsidenten: Andreas Stangl

Wie ist diese Diskrepanz erklärbar? Auf der einen Seite klagen die Betriebe über einen Mangel an Lehrlingen, auf der anderen Seite sind 500 arbeitslos.

Wir haben 3300 Jugendliche im Alter zwischen 15 und 24 Jahren, die keine Arbeit haben. Wir haben in der Vollversammlung am Mittwoch eine Jugendbeschäftigungsinitiative mit fünf Millionen Euro beschlossen. Ich werde das Land OÖ, die Wirtschaftskammer, die Industriellenvereinigung und das AMS zu Gesprächen einladen, was wir gemeinsam finanzieren können. Das Geld soll vor allem für Zukunftsberufe zur Verfügung gestellt werden.

Die Betriebe klagen über Arbeitskräftemangel. Gibt es ihn tatsächlich?

Ja, es gibt in manchen Branchen einen Fachkräftemangel. Es gibt auch vieles, was selbst verschuldet ist. Dass die Bezahlung nicht passt, dass die Arbeitsbedingungen unattraktiv sind. Das wird zu einem Umdenken führen. So sucht zum Beispiel ein Unternehmer einen IT-Techniker. Wenn der Techniker sechs Wochen Urlaub und teilweise im Homeoffice arbeiten will, dann wird der Unternehmer darauf eingehen müssen, sonst wird er den Techniker nicht bekommen.

Was ist derzeit das größte Problem für die Arbeitnehmer?

Die Inflation. Alles wird teurer. Und natürlich die Pandemie, das Arbeiten mit der Maske. Viele Betriebe haben zugesperrt, die Arbeitnehmer sind zu Hause und können nicht arbeiten. Viele in der Gastronomie haben die Branche gewechselt. Die emotionale Belastung wächst bei allen. Impfen wird zur Glaubensfrage. Wir können nur hoffen, dass das schnell vorübergeht.

Es gibt Menschen, die leugnen das, was sich in den Krankenhäusern abspielt. Die Beschäftigten dort stehen mit dem Rücken an der Wand. Absolut befremdlich ist für mich, dass manche vor den Krankenhäusern demonstrieren.

Was sind Ihre Stärken?

Ich kann Menschen motivieren, gemeinsam etwas zu machen. Dazu kommt das Verhandeln. Wenn man 27 Jahre lang jede Woche verhandelt, dann weiß man, wie das geht. Da habe ich viel gelernt, dass man zum Beispiel keinen über den Tisch ziehen darf. Das holt einen ein. Wenn man dauerhaft mit jemandem zusammenarbeiten muss, ist Handschlagqualität das Wichtigste. Verhandeln braucht Zeit. Jeder muss das gesagt haben, was und wie er es meint. Dass beide Seiten das Richtige verstehen. Man muss sich um einen Kompromiss bemühen. Der Kompromiss ist das Um und Auf. Wenn man verhandelt, wird man nie 100 Prozent Erfolg einfahren. Das wird es nie geben.

Schwächen?

Eine private Schwäche ist, dass die anderen die Fische fangen. Beim Fischen bin ich nicht so gut. Wir haben einen Fischerverein und einen Karpfenteich in Steinhaus bei Wels. Die anderen Hobbys sind Skifahren und Städtereisen.

Eine Schwäche ist auch, dass ich gerne gut esse. Ich koche auch.

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