Hattmannsdorfer: „Zuwanderung ist derzeit ein Roulettesystem“
Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP, 43) ist Landesrat für Soziales, Integration und Jugend.
KURIER: Es gab in manchen Städten wie zum Beispiel in Wien Terrorverherrlichung durch Anhänger der Hamas. Hat es derartige Vorfälle auch hier gegeben?
Wolfgang Hattmannsdorfer: Bis dato nicht. Aber das zeigt uns, dass wir gegenüber dem politischen Islam wachsam sein müssen. Eine der obersten Prioritäten muss der Kampf gegen Parallelgesellschaften sein, damit wir nicht Entwicklungen zulassen, wie wir sie in Berlin oder Paris haben. Der Schlüssel liegt bei der Jugend und im digitalen Raum.
Gefahr der Vereinnahmung
Dass die Hamas aufruft, weltweit gegen israelische Einrichtungen vorzugehen, zeigt, wie gefährlich der politische Islam ist. Es besteht die Gefahr, dass die 99,9 Prozent der Muslime, die an unserer Gesellschaft teilhaben wollen, quasi in Geiselhaft genommen werden. Das dürfen wir nicht zulassen. Auch nicht, dass der Konflikt vom Nahen Osten in unsere Breiten übertragen wird.
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Gibt es in Oberösterreich Vertreter des politischen Islam?
Der Polizei in Österreich gelingt es immer wieder Netzwerke auszuheben. Wir reden Probleme nicht schön. Die Probleme in Berlin sind deshalb so groß, weil man dieses Thema jahrzehntelang negiert hat. Oberste Leitlinie in unserer Integrationsarbeit sind Deutsch und Arbeit. Dazu gehört auch der Respekt vor unserer Kultur, der Demokratie, vor unseren Werten und Gesetzen. Wer sich nicht daran hält, hat das Gastrecht verwirkt.
Gibt es Parallelgesellschaften?
Es gibt antidemokratische Strömungen, es gibt Strömungen, die die Gleichheit von Frau und Mann infrage stellen und Frauen unterdrücken.
Stellen Sie bei Einwanderung aus muslimischen Ländern einen Import von Antisemitismus fest?
Gott sei Dank geht die Sympathie für Dschihadismus zurück. Ultranationalistische Strömungen nehmen hingegen zu, insbesondere in den türkischen und tschetschenischen Communitys der dritten und vierten Generation. Hier wollen wir die Präventionsangebote ausbauen.
Experten der Clankriminalität sagen, dass ein Teil dieser Clans über die Familienzusammenführung nach Europa gekommen ist. Muss man hier restriktiver vorgehen?
Null Toleranz bei Rechtsbruch. Wenn jemand strafrechtlich verurteilt wird, muss es einen Automatismus geben, dass alle Titel des Aufenthaltsrechtes verwirkt sind. Da sind wir zu liberal.
Das ist Ihre Forderung, denn zuständig ist der Bund.
Ja, das ist nationale Gesetzgebung. Straftaten bedeuten die Beendigung des Asylverfahrens.
Wo gibt es aus Ihrer Sicht Defizite in der Integration?
Wir haben immer noch Milieus, wo wir nicht an Frauen herankommen, weil sie abgeschottet werden. Mit der Frauenfrage hängt auch der Respekt und die Akzeptanz von Polizistinnen und Lehrerinnen zusammen.
Sie legen Wert auf das Lernen von Deutsch und auf Arbeit. Sollen Asylwerber sofort arbeiten dürfen?
Die Zuwanderungspolitik benötigt einen Paradigmenwechsel. Mit dem Asylrecht haben wir eine Verantwortung für verfolgte Menschen. Es gibt aber ein klares Nein zum Missbrauch von Asyl für Arbeitsmigration. Man muss hier trennen.
Harte Auswahl, volle Chancen
Es braucht auch einen Paradigmenwechsel beim Zuzug, nach dem Motto, harte Auswahl, volle Chancen. Die Leute müssen sich nicht nur integrieren, sondern sie müssen auch einen Beitrag zum Wohlstand leisten. Sie sollen dafür auch ein Aufstiegsversprechen bekommen.
Die derzeitige Zuwanderung ist ein Roulettesystem. Wer es zufällig nach Österreich schafft, kann nicht unser Zugang für einen qualifizierten Zuzug sein. Wir sollten uns ein Beispiel an den USA, Kanada oder Neuseeland nehmen.
Asylwerber sollten nicht gleich arbeiten dürfen, sondern sie sollen für gemeinnützige Tätigkeiten und soziale Dienste eingesetzt werden. Auf meine Initiative haben sich alle Flüchtlingslandesräte einstimmig dafür ausgesprochen. Das sind Vertreter der ÖVP, der SPÖ und der FPÖ.
Wenn die Menschen sehen, dass die Asylwerber einen Beitrag zum Gemeinwohl leisten, führt dies zu einer wesentlich besseren Akzeptanz. Ich bin überwältigt vom Zuspruch zu dieser Maßnahme, hier haben wir einen Nerv getroffen.
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Wechseln wir zum Thema Pflege. Sie haben sich für den Lehrberuf in der Pflege starkgemacht und ihn vor einem Jahr in einer Pressekonferenz mit Arbeitsminister Martin Kocher angekündigt. Nun startet der Lehrberuf, aber Oberösterreichs Pflegeheime sind darauf nicht vorbereitet. Wie kann das sein?
Oberösterreich ist für die Umsetzung der Pflegelehre startklar und wir bekennen uns zu dieser neuen Form der Ausbildung, immerhin ist die Pflegelehre in der Schweiz einer der beliebtesten Lehrberufe. Wenn jedoch die notwendigen gesetzlichen Grundlagen erst im Spätsommer vorliegen, ist ein Start mit Herbst unmöglich, noch dazu, weil die Entscheidung zu einem Lehrberuf meist bereits im Frühjahr getroffen wird.
Vom Land wird es zu keinen Verzögerungen kommen, wir arbeiten mit Hochdruck an der Umsetzung, damit Jugendliche, die in den nächsten Monaten ihre Entscheidung für einen Lehrberuf treffen, auch im kommenden Jahr mit der neue Pflegelehre starten können. Dazu läuft aktuell die Zertifizierung der Lehrbetriebe. Sobald sie abgeschlossen ist, kann aktiv um Lehrlinge geworben werden.
Wir müssen schauen, dass wir in die Pflege nicht nur Akademiker (Anteil von 26 %), sondern mehr Praktiker bekommen.
Wann werden Sie mit der Lehrlingsausbildung starten?
Demnächst.
In den Alten- und Pflegeheimen sind noch immer ganze Stationen wegen Personalmangel geschlossen. Wann können sie geöffnet werden?
Unser Fachkräftestrategie ist die Antwort auf den demografischen Wandel. Wir werden 50 konkrete Punkte umsetzen, in Abstimmung mit dem Städte- und Gemeindebund. Ein Drittel der Maßnahmen ist seit Jahresende in Umsetzung. Der Anstieg leer stehender Betten auf derzeit 1.341 konnte gestoppt werden. Die Strategie zeigt bereits Wirkung.
Wann sind die Betten wieder voll?
Das Thema wird nie abgeschlossen sein. Wenn wir heute 75.000 pflegebedürftige Menschen haben, werden es 2040 rund 107.000 sein. Das ist ein Plus von 45 Prozent.
Sie haben bereits Pflegekräfte von den Philippinen geholt, und Sie wollen Weitere nachkommen lassen. Wie viele?
Die wichtigste Aufgabe in der Fachkräftestrategie ist das Gewinnen von neuen Mitarbeitern. Es braucht dafür ein Bündel von Maßnahmen. Wir setzen erstens ganz massiv auf die Gewinnung von jungen Menschen. Ein Drittel von ihnen kann sich vorstellen, im Sozialbereich zu arbeiten.
Das Zweite ist die Anwerbung von Umsteigerinnen und Umsteigern. Für diese Menschen haben die Gruppe Stützpersonal eingeführt, wo man ohne Ausbildung in den Pflegeberuf einsteigen kann. Für sie haben wir ein Stipendium ohne Zuverdienstgrenzen eingeführt, damit sie sich den Umstieg leisten können.
Die dritte Gruppe sind als Diplomkräfte ausgebildete Menschen aus den Philippinen. 81 sind bereits im Einsatz. 80 Kräfte mehr bedeuten 180 Betten im stationären Bereich.
Zeitigt die Fachkräfte-Strategie bereits Ergebnisse?
Wir haben im ersten Halbjahr bereits 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ins System gebracht. und wir haben 50 Prozent der Statistiken und Dokumentationen ersatzlos gestrichen, damit die Mitarbeiter mehr Zeit für die Menschen haben.
Wirbt Oberösterreich jetzt selbstständig Pflegekräfte im Ausland an oder passiert dies im Verbund mit den anderen Bundesländern? Sie haben die Bundesregierung aufgefordert, die Anwerbung zu koordinieren.
Oberösterreich ist im Bereich der Pflegerekrutierung Vorreiter. Wir werden diesen Weg fortsetzen.
Unabhängig vom Bund?
Unabhängig vom Bund. Aber ich erwarte mir hier vom Bund schon mehr Engagement, denn es kann nicht Ziel und Zweck der Übung sein, dass das kleine Österreich und das noch viel kleinere Oberösterreich und acht andere Bundesländer am Weltmarkt unterwegs sind. Es braucht eine nationale Strategie zur Rekrutierung von gut ausgebildeten Diplompflegekräften aus Drittstaaten.
Es braucht eine nationale, staatliche Agentur, die sich darum kümmert. Und es braucht ein Fast-Lane-Verfahren für die Nostrifizierung (Anerkennung der Ausbildung im Ausland, Anm. d. Red.) , damit gut ausgebildete Leute nach Österreich kommen und nicht in andere Länder wie zum Beispiel Deutschland, das hier viel besser aufgestellt ist als wir.
Auf den Philippinen gibt es ein eigenes Ministerium für Arbeitskräfte im Ausland. Auf deren Jobbörse kommt Österreich gar nicht vor. Das sagt doch alles aus.
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