Linzer Stadtchef über Halloween-Krawalle: "Eltern haben versagt“
Halloween 2022. Eine Nacht, die sich in Linz ins kollektive Gedächtnis eingebrannt hat. 130 Jugendliche trafen sich in der Innenstadt, um zu randalieren – die Politik musste anrücken. Der Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) plädiert für eine differenzierte Betrachtungsweise.
KURIER: Die Nebel der Krawallnacht lichten sich, in Linz haben die Menschen immer noch ein mulmiges Gefühl. Muss ich Angst haben, wenn meine 17-jährige Tochter in Linz fortgeht?
Klaus Luger: Sie brauchen, so wie ich als Vater von zwei 24-Jährigen und einer 14-Jährigen, keine Angst haben. Linz ist nach wie vor eine sichere Stadt.
Sie waren überrascht von der Halloween-Nacht. Hat die Polizei im Vorfeld übersehen, was da gärt?
Wenn zwei oder drei so eine Idee haben, finden sich über TikTok schnell 200 Leute zusammen. Deshalb ist es unfair, der Polizei vorzuwerfen, sie hätten etwas nicht erkannt.
Und Politik und Gesellschaft sind erst aufmerksam geworden, als das im Stadtzentrum aufgeschlagen ist?
Für die Erziehung sind primär Eltern zuständig. Und ich lasse mir das Versagen von Eltern nicht zum Versagen der Politik machen. 20 Prozent der Teilnehmer an der Halloween-Nacht sind ohne Eltern hier, als unbegleitete Minderjährige. Für diese Leute kann man zu Recht fragen, ob das System seit ihrem Ankommen förderlich für ihre Integration war. Für die anderen 80 Prozent gibt es Familien, die verantwortlich sind, meistens aus Überforderung. Schuld ist kein einziger Politiker in Österreich, dass Kinder, die in Familien aufwachsen, kriminell werden.
Waren Sie enttäuscht, dass Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) nicht zum Sicherheitsgipfel gekommen ist?
Nein, da hab ich keine Befindlichkeiten. Er hat ja nicht nur eine Baustelle. Der Landessicherheitsrat hatte ein durchaus angebrachtes Setting, wir leben ja nicht in einem Bürgerkriegsland. Die Beschlüsse wären auch mit dem Minister nicht anders ausgefallen.
Ein Beschluss des Sicherheitsgipfels war die Lagebestandsaufnahme in Sachen Migration.
Wenn 90 Prozent der teilnehmenden Jugendlichen Migrationshintergrund haben, steht die Integrationspolitik im Fokus der Analyse. Täten wir das nicht, würden wir die Augen vor der Realität verschließen.
Was ist zu tun?
Ich hielt und halte es für einen Fehler, dass Asylwerber keiner Arbeit nachgehen dürfen. Ich bin dafür, dass jemand, der aus Afghanistan oder Syrien kommt und nicht abgeschoben werden kann, während des Asylverfahrens die Verpflichtung hat, zu arbeiten. Nicht Zwangsarbeit, aber Verpflichtung. Entweder in seinem Beruf oder in der Gemeinwesenarbeit. Das System ist verheerend. Sie sitzen zu Hause, treffen sich mit Freunden, kommen aus ihren Cliquen nicht heraus.
Was ist mit den Asylwerbern, die abgeschoben werden dürfen?
Für die gilt das nicht. Da muss die Regierung die Verfahren beschleunigen. Punkt. Für die, die einen Asylgrund haben, soll es Asyl weiter geben. Aber für andere nicht, da sind wir überfordert.
Verstehen Sie, dass Ihnen vorgeworfen wird, mit Ihrer „Willkommenskultur“ zur Verschärfung der Situation in Linz beigetragen zu haben?
Das verstehe ich von der Emotion her, weil ein Teil der Bevölkerung auch in Linz Asylwerber ablehnt. Ich bin bereit, auch in Zukunft in Linz Flüchtlinge aufzunehmen, allerdings nur dann, wenn auch in Oberösterreich die Verteilung gerecht ist. 28 Prozent der Flüchtling in Landesbetreuung haben wir in Linz. Und ein Jahr nach Ende des Verfahrens sind 40 Prozent derer, die bleiben können, in Linz.
Das bestätigt, dass viele Fremde in Linz sind?
Der Eindruck vieler in der Stadt, dass viele Flüchtlinge gekommen sind, ist richtig. Aber das hat nichts mit einer Willkommenskultur zu tun, sondern mit dem Recht, seinen Wohnsitz frei zu wählen. Aber bei den Erstaufnahmen ist nicht nachvollziehbar, warum manche Bezirke de facto keinen Beitrag leisten.
Gibt es „gute“ und „schlechte“ Zuwanderer?
Vom Asylrecht her ist eine Unterscheidung nicht in Ordnung. Aber wir wissen, dass es einen Unterschied macht, ob Frauen mit Kindern kommen, oder nur junge Männer, wie in den letzten zehn Jahren. Diese Leute kommen aus archaischen Gesellschaften, total männerorientiert, frauenfeindlich bis in die Knochen mit extrem niedrigem Bildungsniveau. Das macht die Situation prekärer, als mit Gruppen, die wir früher in Linz gut integrieren konnten.
Teilen Sie die Einschätzung von Migrationsexperten Kenan Güngör, dass es neben Strafen auch bildungspolitische und sozialarbeiterische Ansätze geben muss?
Das stimmt zu 100 Prozent. Wir haben als Stadt auch eigene Projekte mit Vereinen gemacht. Mit unterschiedlichem Erfolg, muss man sagen. Der Versuch, sie in Ausbildung zu bringen, war nicht so erfolgreich, wie wir uns das alle gewünscht hätten. Wir müssen diese Menschen resozialisieren. Aber nicht nur als Angebot, sondern in einer Form der Verpflichtung, sich in dieser Gesellschaft einzubringen. Dass wir sie liebevoll bei der Hand nehmen und glauben, mit der Kraft der Argumente zu punkten, wird nicht massenhaft erfolgreich sein bei Leuten, die auf die Straße gehen, um sich mit den Polizisten zu prügeln.
Halloween-Nacht
Nur neun Personen unter den Krawallmachern waren weiblich, sechs waren unter 14
Asyl
Sechs Personen sind Asylwerber, 35 asylberechtigt, 24 haben einen Daueraufenthaltsstatus, sechs sind subsidiär schutzberechtigt
129 Beteiligte
Gegen 129 Personen wurden nach den Ausschreitungen in der Halloween-Nacht Anzeigen erstattet
Die Teilnehmer
28 Syrer, 14 Afghanen, jeweils vier Kosovaren, Bosnier, Serben, Rumänen und Nordmazedonier, 21 andere Nationalitäten, 46 Österreicher, 34 davon mit Migrationshintergrund
Krawalle auch im Landtag Thema
Die Krawallnacht war auch Thema im oö. Landtag. Gleich vier Resolutionen an den Bund haben die Krawalle in Linz während der Halloween-Nacht zur Folge: Das Asylrecht solle verschärft werden, die Polizei mit mehr Personal und mehr Rechten bei Ermittlungen im Internet ausgestattet werden und es brauche ein Maßnahmenpaket gegen Jugendbanden.
Am Donnerstag verabschiedete der oö. Landtag diese Forderungen an den Bund – die meisten mehr-, aber nicht einstimmig.
„Ohne unkontrollierte Migration hätten wir solche Probleme nicht“, eröffnete FPÖ-Klubobmann Herwig Mahr die Thematik. Solche Randale seien nur eine Frage der Zeit gewesen. Vor allem straffällig gewordene Migranten sollten sofort abgeschoben werden. „Streicheleinheiten“ würden da nicht helfen.
Ins selbe Horn blies der Regierungspartner: „Der Schutz unserer Bürger und Bürgerinnen muss oberste Priorität haben“, sagte Wolfgang Stanek (ÖVP), auch gegen Strafunmündige brauche man eine Handhabe.
„Ich frage mich, ob es hier wirklich darum geht, Asylprobleme zu lösen, oder nur darum, Öl ins Feuer zu gießen“, sagte Erich Wahl (SPÖ). Die Grünen kritisierten wiederum, dass die Verantwortung an den Bund abgetreten werde. „Die Landesregierung soll Eigenverantwortung übernommen“, so Ines Vukajlović.
Kommentare