Gogl-Walli: „Laufen vermittelt ein Gefühl der Freiheit“

Susanne Gogl-Walli ist Österreichs stärkste 400-m-Läuferin
Die 400-m-Sprinterin Susanne Gogl-Walli läuft neue Rekorde. Ein Gespräch über ihr Leben, ihr Training, ihre Ehe und ihre Ziele.

Susanne Gogl-Walli ist bei der Hallenweltmeisterschaft in Glasgow am 2. März mit 31,37 Sekunden über 400 Meter neuen österreichischen Rekord gelaufen. Sie wurde damit Sechste. Derzeit bereitet sich die 27-jährige Linzerin in der Türkei auf die Europameisterschaft Anfang Juni in Rom und auf die Olympischen Spiele Anfang August in Paris vor.

KURIER: Was bedeutet Laufen für Sie, abseits der Wettbewerbe?

Susanne Gogl-Walli: Es ist schönes Gefühl, auch ein Gefühl der Freiheit, weil man dazu fast nichts braucht. Man muss lediglich Schuhe anziehen, geht vor die Haustüre und legt los. Ich war noch nie an einem Ort, wo man nicht hätte laufen können.

Es ist zudem ein natürlicher Bewegungsablauf, denn es ist im Prinzip ein schnelles Gehen.

Studien zeigen, dass Joggen bzw. das Traben früher das Natürliche für den Menschen war, das dann abhandengekommen ist. Das lockere Laufen ist eine sehr natürliche Bewegung.

Seit wann laufen Sie?

Im Alter von zehn, vielleicht zwölf Jahren habe ich meinen Vater begleitet, wenn er laufen gegangen ist.

Wann haben Sie das intensiviert?

Durch meine Turnlehrerin. Ich war schneller als meine Mitschüler. Sie war die Lebensgefährtin eines Leichtathlethiktrainers und sie hat gemeint, ich sollte einmal bei einem Leichtathletiktraining vorbeischauen. Mit 13 bin ich zu meinem Verein TGW Zehnkampf Union gekommen. Ich bin damals zwei bis dreimal die Woche abends ins Vereinstraining gegangen. In der U16 bin ich über 300 m österreichische Meisterin geworden. In der U18 hat sich herauskristallisiert, dass ich über 400 m am stärksten bin.

Sie haben maturiert?

Beim Lernen habe ich mir nie schwergetan. Ich habe 2014 am Aloisianum die Matura gemacht. In den Sommerferien bin ich zum Heeressportverein gekommen, bei dem ich angestellt bin.

Was ist Ihre Lieblingslänge beim Laufen, abseits der 400-Meter-Distanz?

Es sind die Sprintdistanzen. Von 100 bis 400 m. Im Wettkampf ist der 200er der lustigste. Da bin ich von den Leistungen her nicht so gut wie beim 400er, aber er taugt mir. Er ist nicht so anstrengend wie der 400er.

Wie viel laufen Sie pro Woche?

Wir haben nicht so hohe Umfänge, weil ich keine Sprinterin bin. 1.500-m-Läufer haben Umfänge bis zu 160 km pro Woche, das ist bei uns Sprintern ganz anders. Wir kommen bei den Trainings vielleicht auf fünf Kilometer. Es gibt Einheiten, da läuft man drei Mal 300 Meter und man ist völlig erledigt, weil die Intensität so hoch ist.

Wie sieht ein beispielhaftes Training bei Ihnen aus?

Es hängt davon ab, ob man im Aufbau oder mitten in der Saison ist. Derzeit, ein paar Wochen vor der Saison, geht man ins Stadion und macht sein Aufwärmprogramm, das dauert rund 45 Minuten. Da sind Mobilisationsübungen dabei, Lauftechnik und Laufkoordination, damit man rund wird. Dann folgt das Laufprogramm. Das sind Sprints oder längere Einheiten. Es folgt eine Pause, in der man eine Kleinigkeit isst. Dann geht es in die Kraftkammer, in der man einige Übungen macht. Meist geht es um die Beinkraft, damit man die Strukturen stärkt. Dann geht man nach Hause und isst etwas Großes. Es folgt eine Regenerationsmaßnahme. Entweder locker am Ergometer sitzen, eine Physiotherapie, oder eine Massage.

Wie viele Trainingseinheiten absolvieren Sie am Tag, eine oder zwei?

Wir trainieren von Montag bis Samstag. Sonntag ist fast immer frei. Meist ist es eine Einheit, manchmal sind es zwei, die man aber zusammenhängt. Dann trainiere ich von Vormittag bis 13, 14 Uhr.

Welche Bedeutung haben Laufveranstaltungen wie der heutige Linz-Marathon?

Er ist wichtig, denn er ist die größte Freizeitsportveranstaltung in Oberösterreich. Wenn ich sehe, wie viele Menschen da zuvor in Bewegung kommen, weil sie da mitmachen wollen, dann ist das eine ganz wichtige Sache. Das Training ist noch das Wichtigere, weil es die Menschen gesund hält. Davon profitiert jeder.

Was ist im Training eines Hobbyläufers wichtig?

Das Wichtigste ist das richtige Maß zu finden. Dass man regelmäßig laufen geht, aber auch nicht zu viel tut. Es sollte auch das Rundherum passen. Wenn man zum Beispiel bereits vor der Arbeit läuft, sollte man nach dem Laufen, also noch vor Arbeitsbeginn etwas essen. Wichtig ist auch die Regeneration.

Wie oft sollte man laufen?

Das kann ich so pauschal gar nicht beantworten. Es hängt vom angestrebten Ziel ab. Jeder Lauf hilft. Es hängt viel auch von den beruflichen Verpflichtungen ab. Es ist nicht notwendig, jeden Tag laufen zu gehen. Zwei bis dreimal die Woche wäre gut.

Welche Bedeutung hat die Ernährung?

Sie ist ein ganz wichtiger Bestandteil. Im Leistungssport ist sie noch viel stärker im Fokus als bei Hobbyläufern. Viele haben sie gar nicht so am Schirm. Sie ist genauso wichtig wie das Training. Sie lässt einen besser werden, weil man dem Körper genügend Energie und Nährstoffe gibt. Dadurch kann man besser trainieren. Hier werden viele Fehler gemacht.

Wie ernährt man sich optimal?

Ich bin keine Ernährungsexpertin. Wichtig ist, dass man genug vom Richtigen isst. Wie Reis, Nudeln, die normalen Kohlehydrate. Es gibt die Ernährungspyramide, die bereits in den Schulen unterrichtet wird. Es sollte bei jeder Mahlzeit eine Eiweißquellen dabei sein. Es darf auch einmal Schokolade sein, aber immer mit Maß und Ziel.

Ist Fleisch wichtig?

Es ist nicht zwingend notwendig, dass man Fleisch isst. Wichtig ist, dass man genug Proteine zu sich nimmt. In welcher Form ist nicht so wichtig. Es gibt mehrere Möglichkeiten, es gibt auch pflanzliche Eiweiße. Das Spektrum ist breit, es muss jeder für sich selbst entscheiden.

Ihr Mann ist Radrennfahrer, er ist Vegetarier, obwohl Profis bei Radrennen bis zu 12.000 Kilokalorien verbrennen.

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Das Wichtige ist, dass man Proteine isst, in welcher Form auch immer. Im Radrennsport geht es um gefüllte Kohlenhydratspeicher. Er hat nicht so ein Krafttraining, wie das vielleicht ein Kraftsportler hätte. Er kommt ohne Fleisch sehr gut zurecht, er hatte nie Probleme.

Wann soll der Sportler am besten essen? Nach dem Training?

Es kommt immer auf die Trainingseinheit an. Für die Regeneration ist es sehr gut, wenn man unmittelbar nach dem Training zu Energie kommt.

Wie ernähren Sie sich selbst? Kochen Sie?

Ich koche schon selbst. Es sind unspektakuläre Gerichte. Reis oder Nudeln oder in Kombination mit einer Beilage. Ich freue mich, wenn ich am Wochenende mehr Zeit habe und ich mir zum Beispiel Germknödel machen kann.

Welche Bedeutung hat die Regeneration?

Sie ist gleich wichtig wie das Training, denn erst dann wird man stärker. Regernation bedeutet vieles, es bedeutet nicht nur Pause machen, es bedeutet auch essen, Massagen etc.

Welche Ausgleichssportarten betreiben Sie? Schwimmen? Radfahren?

Am ehesten Ergometerfahren. Schwimmen kann ich nicht so gut. Andere Sportarten machen mich nicht unbedingt schneller. Ich bin kein Ausdauersportler, sondern Sprinter.

Ihr Mann und Sie sind Hochleistungssportler, die an verschiedenen Orten trainieren und an unterschiedlichen Wettbewerben teilnehmen. Derzeit sind Sie drei Wochen in der Türkei. Wie schaffen sie es, genügend Zeit füreinander zu haben?

Es ist recht unterschiedlich. Es gibt Phasen, da sind wir beide zu Hause. Wenn wir eine andere Arbeit hätten, würden wir uns tagsüber auch nicht sehen. Die moderne Technik hilft, man kann videotelefonieren, Nachrichten schicken, der Kontakt besteht täglich.

Mit den Europameisterschaften in Rom und den Olympischen Spielen in Paris stehen wichtige Wettbewerbe an. Ist ein Sprung auf das Siegerpodest möglich?

Nein, das ist sehr schwierig. Ich freue mich, wenn ich ins Finale oder unter die Top 12 komme. Ein Podestplatz ist sehr unrealistisch, das wäre eine Riesenüberraschung.

Bei den Hallenweltmeisterschaften in Schottland Anfang März sind Sie Sechste geworden, da ist es zum Podium nicht mehr weit.

Am Papier schaut es so aus, aber einige Zehntel oder eine Sekunde sind bei uns Welten. Meine Ambition ist natürlich, besser zu werden und ich möchte auch eine neue Bestzeit laufen. Erfolge kann man sich schwer vornehmen, weil man keinen Einfluss darauf hat, was die Konkurrenz tut. Jede versucht, in Hochform am Start zu stehen. Die Konkurrenz ist riesig. Es kommen Nationen dazu, die in der Halle nicht so aktiv sind wie die Karibischen Inseln.

Sie haben nach der Matura auch das Studium der Technischen Mathematik an der Linzer Kepler Universität begonnen. Welcher Beruf schwebt Ihnen nach der Sprinterinnenlaufbahn vor?

Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass ich dieses Studium wieder aufnehme. Auch dass ich es Richtung Lehramt weitermache. Ich möchte aber dem Sport in jedem Fall erhalten bleiben, vielleicht als Vereinstrainer oder dass ich Dinge organisiere. Aber mein Fokus liegt jetzt einmal auf diesem Sommer. Ich denke, dass ich es wissen werde, was ich tun möchte, wenn es so weit ist.

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