Fachhochschul-Studiengänge werden breiter

Gerald Reisinger ist ein erfolgreicher Fachhochschuldirektor
In 25 Jahren wurden Oberösterreichs Fachhochschulen zu einem wesentlichen Ausbildungsfaktor im deutschsprachigen Raum

6000 Studenten in 70 Studiengängen an den vier Standorten Hagenberg, Linz, Wels, Steyr. Die Fachhochschule (FH) Oberösterreich ist 25 Jahre jung und eine Erfolgsgeschichte. Dabei müssen die Studenten pro Semester 300 Euro Studiengebühr berappen. Die Schwerpunkte sind Technik (70 Prozent), Wirtschaft (20 %) und Soziales (fünf Prozent).

Starke Forschung

„Es ist uns gelungen, einen substanziellen Player im deutschsprachigen Raum zu schaffen“, sagt Direktor Gerald Reisinger im Gespräch mit dem KURIER. „Vor allem durch die hohe Forschungsaffinität. Wir unterstützen die Wirtschaft dort, wo sie knapp vor der Markteinführung steht.“ Die Universitäten würden hingegen stärker Grundlagenforschung betreiben. Das Forschungsvolumen beträgt rund 20 Millionen Euro. „Wir haben nun Aufträge für die nächsten zwei Jahre.“

Konzentration der Studiengänge

Künftig soll die Zahl der 70 Studiengänge reduziert werden. „Es sind zu viele.“ In Wels könnte es beispielsweise drei große Themenfelder geben: Technik, Naturwissenschaften und technisch-naturwissenschaftliche Studiengänge. „So wie sich die Technik derzeit entwickelt, stellen wir die Studierenden zu eng auf“, argumentiert Reisinger. „Sie müssen breiter und offener für Entwicklungen sein. Wir wollen nicht mehr so schmal und eindimensional sein.“ Damit werde man umgekehrt für die Studierenden attraktiver.

Heterogenität

Das zweite Zukunftsthema ist die zunehmende Heterogenität der Studenten. „Nonformales Wissen wie eine Gesellen- und Meisterprüfung wird stärker anerkannt. Wo kann ein Meister ins Studium einsteigen? Ganz unten oder im zweiten Semester? Wir gründen das Center für Lifelonglearning, in dem wir diese unterschiedlichen Kompetenzen glätten und den Quereinstieg in den klassischen Studienbetrieb ermöglichen. Auf Dauer werden wir uns nicht mehr ausschließlich auf formales Wissen wie ein Maturazeugnis stützen können.“

Vorbildung unterschiedlich

Ein anderes Beispiel sei der Absolvent eines internationalen vierjährigen Bachelor-Studiums. Dieser habe natürlich ein anderes Ausbildungsprofil als die hiesigen Bachelor-Absolventen. „Wo steigt der nun in der FH ein? Wie bringt man Studierenden Sprachkenntnisse bei, dass sie im österreichischen Arbeitsmarkt arbeiten können?“ Sehr viele internationale Studierende hätten im Vergleich zu den hiesigen Studenten ein geringeres technisches Wissen. „Wir haben in Österreich in den MINT-Fächern eine exzellente Basisausbildung.“

Studien anpassen

Der Anteil internationaler Studierender beträgt rund 13 Prozent. Er soll erhöht werden. Neue Themenfelder strebt Reisinger nicht an. „Wir wollen eher die bestehenden Studiengänge an die (Technologie-) Entwicklung draußen anpassen.“ So zum Beispiel an die neuen Digitalisierungserfordernisse. „Es ist das eine evolutionäre Entwicklung, der wir folgen müssen.“

Versuch ging auf

1993/94 waren die Fachschulen zu Beginn ein Versuch, „wo man geschaut hat, ob es auf- oder nicht aufgeht.“ Die Initiatoren auf Bundesebene waren Unterrichtsminister Erhard Busek und auf Landesebene Christoph Leitl. „Es ist aufgegangen.“

Künftige Arbeitswelt

In der Forschung sei Hagenberg (Informatik, Kommunikation, Medien) heute der Innovationstreiber. „In Wels (Technik, Angewandte Naturwissenschaften) werden wir die Nachhaltigkeit als Thema haben. Beim Material und bei der Energie und alles, was sich daraus ableitet, wird einiges kommen. In Steyr (Wirtschaft, Logistik, Management) werden wir die Digitalisierung in der Wertschöpfungskette als Hauptpunkt haben. Alle Prozesse werden zunehmend digitaler werden. In Linz (Medizintechnik, Angewandte Sozialwissenschaften) haben wir einen enormen Bedarf an der Arbeitswelt der Zukunft. Wie hält man die Menschen länger im Arbeitsprozess? Wie kommen wir mit der zunehmenden Interkulturalität am Arbeitsplatz zurecht? Hier gibt es viele Betätigungsfelder, wo ich mir Antworten vom Standort in Linz erwarte.“

Fünfte Fakultät

Das Center für Lifelonglearning werde wohl eine fünfte Fakultät werden. Über alle vier anderen Fakultäten darüber gelegt. Denn dort soll die Anpassung der unterschiedlichen Qualitätslevel erfolgen, weil das in den Studiengängen nicht mehr möglich sei. Diese seien damit überfordert. Das Center werde auch lebenslange Weiterbildung offerieren.

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