„Energiesparen bedeutet oft höheren Stromverbrauch“

Werner Steinecker, Vorstandsvorsitzender der Energie AG
Neue Stromtrassen stoßen auf heftigen Widerstand der Bevölkerung. Dennoch sind sie aus Sicht von Werner Steinecker, dem Vorsitzenden der Energie AG, unverzichtbar.

Werner Steinecker (62) begann 1972 als Lehrling bei der Energie AG und stieg bis zum Generaldirektor auf, der er seit 2017 ist.

KURIER: Experten reden über die Möglichkeiten eines Blackouts. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls des Stromnetzes?

Werner Steinecker: Die Gefahr ist extrem gering.

Bei einem großflächigen Stromausfall würden die Computer ausfallen, die Handymasten nicht mehr arbeiten, die Tankstellen nicht mehr funktionieren, ...

...die Menschen können nicht aus den Supermärkten raus, weil die Türen elektrisch aufgehen, die KassierInnen könnten ihre Kassen nicht zusperren. Es sind extrem unangenehme Situationen, die zu veritablen Problemen in einer modernen Gesellschaft führen können.

Die Gefahr eines großflächigen Ausfalls hat es immer gegeben, die Frage ist nur, wie schnell das System in der Lage ist, die Vollversorgung wieder aufzunehmen. Nach dem Orkan Kyrill (Jänner 2007, Anm.) war der Großteil der Kunden nach drei Tagen wieder am Netz. Die Gefahr, dass noch etwas Gravierenderes passiert, ist aufgrund unserer kleinräumigen Stromerzeugung gering. Die Energie AG hat 43 Wasserkraftwerke, davon sind allein 19 schwarzstartfähig. Das heißt, man kann mit ihnen eigenständig das Stromnetz wieder hochfahren. Das ist ein Asset der Energie AG, sodass ich mir um die Stromversorgung in Oberösterreich keine Sorgen mache.

Der Bedarf an Elektrizität steigt. Die Reduktion fossiler Energieträger und die damit verbundene Senkung von -Emissionen bedeutet oft einen Mehrbedarf an Strom.

Meist bringen energiesparende Maßnahmen einen höheren Stromverbrauch mit sich. Nur durch die modernen Steuerungen (Home Automation) ist der geringere Verbrauch von Energie möglich.

Wie hoch schätzen Sie den Mehrverbrauch für die nächsten fünf bis zehn Jahre?

Der jährliche Haushaltsverbrauch liegt bei knapp 4.000 Kilowattstunden. Zu sagen, der Verbrauch wird um 20 Prozent steigen, ist schwierig, denn das kann, muss aber nicht stimmen. Die Geräte werden immer energieeffizienter, doch dafür nimmt die Anzahl der Geräte zu.

Wichtig ist auch, was die Wirtschaft und die Industrie machen. Es gibt heute keine Branche oder kein Unternehmen mehr, die nicht sagen, ich will -freien Strom für meine Prozesse. Österreich befindet sich in der begnadeten Situation, dass mehr als 60 Prozent des Stroms aus der Wasserkraft kommen.

Aber so viel -freien Strom gibt es nicht. Was machen Sie?

Ich werbe um Verständnis, dass wir noch längere Zeit eine Koexistenz von -freier Erzeugung aus Wasser, Fotovoltaik, Wind etc. und von -armen thermischen Erzeugungsanlagen wie Gaskraftwerken benötigen, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Wie bewältigen Sie das in Oberösterreich?

Unsere Haushaltskunden versorgen wir mit Strom aus eigenen Wasserkraftwerken. Das sind rund 1,3 Terawattstunden. Die gewerbliche Industrie verbraucht mehr als 6 Terawattstunden. Hierzu beziehen wir Strom aus heimischer Wasserkraft und ergänzen ihn mit unserer eigenen thermischen Erzeugung in Timelkam.

Es braucht nicht nur mehr Strom, sondern auch mehr Leitungen. Die betroffene Bevölkerung lehnt das ab. So gibt es seit Montag massive Proteste gegen den Bau einer 380-KV-Leitung von Elixhausen nach Kaprun. Es gibt eine Initiative gegen den Bau einer 110-KV-Leitung von Rohrbach nach Bad Leonfelden, gegen die Stromtrasse im Almtal und gegen die Leitung von Ried/I. nach Raab. Die Menschen wünschen sich die Verlegung von Erdkabel. Leitungsgegner haben ein Gutachten vorgelegt, wonach die Erdkabellösung im Mühlviertel nur 16 Prozent mehr kosten würde.

Das Gutachten ist in der technisch-fachlichen Aufarbeitung sehr verkürzt. Die Gutachter sind Profis, aber sie haben nur die Hälfte der Problemlösungen in die Waagschale geworfen. Heute werden Leitungen als Doppel-Leitungen ausgeführt, entweder als Kabelleitung oder Doppel-Freileitung. Dies geschieht aus versorgungssicherheitstechnischen Gründen.

Die Gutachter haben lediglich eine einfache Leitung hinterlegt. Das ist so, als ob man beim Bau einer Bahntrasse nur einen statt zwei Schienenstränge verlegt. Zudem erfordert das Gelände bei der Leitungsverlegung an manchen Stellen Sprengungen. Die Gutachter sind aber davon ausgegangen, dass das Pflügen von Erdreich genügt. Das mag zwar in der Lüneburger Heide reichen, nicht aber im Mühlviertel.

Verstehen Sie die Menschen, die gegen die Stromleitungen und für die Erdkabel sind?

Sicher. Der Mensch funktioniert nach dem Prinzip, wenn ich die Leitung nicht sehe, ist es eine gute, ist die Leitung aber zwischen zwei Masten gespannt, ist es eine schlechte.

Ihr Argument sind also die Kosten?

Nein, es sind nicht die drei- bis dreieinhalb Mal so hohen Kosten, die das Hauptproblem verursachen. Die 110-KV-Spannungsebene verträgt in dem Freileitungssystem, wie es zu 90 Prozent in Europa betrieben wird, nur eine bestimmte Länge an Kabelleitung. Das ist eine Verhältnisrechnung. Oberösterreich teilt sich in zwei Leitungsregionen. Die eine Leitungsregion wird aus dem Umspannwerk Ernsthofen getaktet. Dazu gehören Steyr, Linz, das Mühlviertel und das Ennstal. Das zweite große Gebiet umfasst das Umspannwerk Lambach. Daran hängen unter anderem Wels, das Innviertel und das Salzkammergut.

Die Leitungsregion Ernsthofen verträgt wegen der vielen Kabelleitungen in Steyr und Linz kaum noch weiteren Kabelleitungen, damit der Strom nicht eine Größe von rund 132 Ampere erreicht, was im Fall eines Gebrechens nicht mehr zum Erlöschen eines Lichtbogens führen würde. Das ist ein reines Sicherheitsargument. Hier sind wir weit weg von der banalen Kostenargumentation.

Die Städter haben den Vorteil der Kabelleitung, die Menschen am Land, die in der infrastrukturellen Ausstattung sowieso schon benachteiligt sind, haben mit den Freileitungen einmal mehr den Schwarzen Peter in der Hand.

Die Leitung im Mühlviertel wird nicht für Linz gebaut, sondern damit im Mühlviertel die Versorgungssicherheit gewährleistet werden kann. Sie ist derzeit schon grenzwertig. Wir brauchen die Leitung für die Betriebe in Bad Leonfelden und Rohrbach. Wir benötigen einen zweiten Versorgungsweg, denn Rohrbach hängt an einer einzigen Freileitung, die von Ranna im Donautal herauf ins Mühlviertel führt. Wenn dort ein einziger Baum in die Leitung fällt, gibt es in Rohrbach keinen Strom.

Zur Notwendigkeit der Almtal-Leitung kommt, dass Kirchdorf an der Krems an einer einzigen Leitung hängt, die von Steyr kommt. Wenn dort etwas passiert, sind Kirchdorf und Micheldorf ohne Strom.

Das Innviertel braucht keinen zweiten Stromweg, sondern es passt die Spannungsqualität nicht mehr. Die Ansiedelung eines Unternehmens ähnlich der Firma Leitz in meiner Heimatgemeinde Riedau ist nicht mehr möglich, weil die Qualität nicht mehr passt. Es gibt also eine Reihe von Notwendigkeiten, warum wir Leitungen verlegen müssen.

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