"Der verheerendste aller Kriege"

Roman Sandgruber
Der Historiker über den Dreißigjährigen Krieg, der 1618, also vor 400 Jahren begann.

Roman Sandgruber (70) ist Historiker und leitete das Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Universität Linz.

KURIER: Nach 500 Jahren Reformation im vergangenen Jahr jährt sich der Beginn des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) zum 400. Mal. Oberösterreich war davon am Rande betoffen. Ihre Landstände beteiligten sich an der Schlacht am Weißen Berg 1620. 1625 wurden 18 Aufständische beim Frankenburger Würfelspiel gehängt, 1626 war der Bauernaufstand unter Stefan Fadinger.

Roman Sandgruber: Der Dreißigjährige Krieg war ein vielfältiger. Es war ein Bürgerkrieg im Deutschen Reich zwischen Evangelischen und Katholischen. Es ging um Religionsfreiheit und Möglichkeiten des Konfessionswechsels. 1545 hat man im Augsburger Religionsfrieden, der im Prinzig eine großartige Lösung war, das Prinzip "Cuius region, eius religio " festgelegt. Die Untertanen sollten die Religion des jeweiligen Herrschers annehmen. Es ging dann unter anderem um die Frage, ob ehemalige katholische Klöster überhaupt evangelisch werden dürfen. Haben sie dann noch das Recht, im Reichstag dabei zu sein?

Bei den Reichsstädten wurde gesagt, sie sind halb katholisch, halb evangelisch. So hatte zum Beispiel Augsburg ein Jahr einen katholischen und ein Jahr einen evangelischen Bürgermeister. Sie wechselten sich ab. Auf die Dauer hat das aber nicht funktioniert. Die Konflikte wurden immer heftiger, sie gingen allmählich in Gewalt über. Die konfessionellen Gegensätze waren der eine Ast der Krieges.

Die Calviner hat es auch schon gegeben, aber sie waren nicht anerkannt. Es haben damals auch noch die Schweiz und die Niederlande zum Deutschen Reich dazugehört. Das Gebiet war religiös sehr zersplittert.

Zu der Zeit waren doch auch Türkenkriege.

Die zweite Belagerung Wiens war 1683. Im Dreißigjährigen Krieg haben sich die Türken merkwürdigerweise völlig rausgehalten. Sonst wäre es für den Kaiser wesentlich problematischer geworden, wenn zu derselben Zeit die Osmanen auch aggressiv gewesen wären. Sie waren abgelenkt durch Auseinandersetzungen mit dem Perserreich, sodass sie sich wenig um die Expansion in Europa gekümmert haben.

Es gab aber neben dem religiösen Krieg auch noch machtpolitische Ursachen.

Es gab Auseinandersetzungen zwischen den Obrigkeiten und Untertanen, bzw. zwischen Landesfürsten und den Ständen, die gegen den beginnenden Absolutismus aufbegehrten.

Die dritte Auseinandersetzung waren eine internationale. Es haben sich ausländische Mächte eingemischt, Frankreich, Spanien, Schweden und Dänemark.

Ausgelöst wurde der Krieg aufgrund von ständischen Konflikten. Kaiser Mathias und sein Nachfolger Ferdinand II. wollten die Gegenreformation durchsetzen.

Die Machtübernahme durch Ferdinand II. (Kaiser von 1619 bis 1637) verschärfte die Lage.

Er verfolgte einen sehr scharfen Kurs. Er war von den Jesuiten erzogen worden und hatte schon in Graz und der Steiermark die Gegenrefomration durchzusetzen versucht. Als er Kaiser geworden hat, wollte er sie im ganzen Reich umsetzen. Einerseits die katholische Religion, andererseits auch seine absolutistischen Vorstellungen. Da ist er sowohl in Oberösterreich als auch in Böhmen auf Widerstand gestoßen. Er versuchte auch in Oberösterreich die Gegenreformation durchzusetzen. Johannes Kepler (er war Protestant, Anm.d.Red.) erhielt immer mehr Schwierigkeiten. Er hat damals bei den oberösterreichischen Landständen im Landhaus unterrichtet.

Die böhmischen Landstände haben sich das noch weniger gefallen lassen als die oberösterreichischen und es kam zum Aufstand, zum Prager Fenstersturz. Die kaiserlichen Beamten wurden vom Fenster hinausgeworfen und sind relativ weich am Misthaufen gelandet. Es hätte auch tödlich ausgehen können. Die böhmischen Landstände haben Rudolf von der Pfalz als böhmischen Gegenkönig ausgerufen. Gleichzeitig haben sich die Reichsfürsten in der katholische Liga und in der protestantischen Union zusammengetan. Ferdinand hat die katholischen Reichsfürsten hinter sich gehabt, aber er hat ihnen etwas bieten müssen, damit sie ihn unterstützen. Denn diese wollten sich ihre Länder- und ständische Autonomie nicht nehmen lassen. Ferdinand brauchte die Unterstützung Maximilians, des Herzogs von Bayern, für die Schlacht am Weißen Berg. Er verpfändete ihm dafür Oberösterreich.

Die Verpfändung war für zehn Jahre vorgesehen.

Sie führte zu zwei Ergebnissen. Maximilian versucht als katholischer Herrscher ebenfalls die Gegenreformation durchzusetzen und er versucht aus der Verpfändung massiv etwas rauszuholen. Das führte zu Widerstand, auch zu Steuerwiderstand.

Oberösterreich war damals noch ohne dem Innviertel, das zu Bayern gehört hat, und es war zu 80 Prozent protestantisch.

Die Städte waren ziemlich stark protestantisch und am Land hing es oft vom Grundherrn ab. Es könnten schon 80 Prozent gewesen sein. Es begann die Gegenreformation ein, wo katholische Pfarrer eingesetzt worden sind. Die Pfarrerwahl ist nicht mehr erlaubt worden, früher hatte sich jede Pfarrgemeinde ihren Pfarrer selbst wählen können. Das war sowohl auf protestantischer als auch auf katholischer Seite so. Diese Freiheit wurde abgeschafft, die Pfarrer wurden nun vorgesetzt. Neben dem religiösen Motiv sind die Bauern auch gegen überhöhte Steuern zu Felde gezogen. Sie litten auch unter den Einquartierungen der Soldaten. Der Dreißigjährige Krieg war der erste, bei dem das Wort gilt, der Krieg erhält den Krieg. Der katholische Feldherr Albrecht von Wallenstein hat riesige Heere aufgestellt, aber er agierte nach der Devise, die Heere müssen sich durch Plünderungen und erpresste Abgaben selbst bezahlen. Das war damals das neue Söldnergeschäft. Der Dreißigjährige Krieg dauerte 30 Jahre. Bürgerkriege werden mit noch größerer Erbitterung geführt als andere. Er hat sich fast ausschließlich auf dem Gebiet des Deutschen Reiches abgespielt. Die Menschen am Land waren den Plünderungen schutzlos ausgeliefert. Die Häuser waren aus Holz, die Dächer aus Schindeln, sie wurden einfach angezündet. So brannten auch ganze Städte ab. Dieser Krieg war viel zerstörerischer als der Zweite Weltkrieg. Auch die Ernten am Feld wurden einfach angezündet. Das Vieh wurde von den Soldaten geschlachtet, die Bauern standen vor dem Nichts. Dieser Krieg war verheerender als alle späteren.

Er war schlimmer als der Zweite Weltkrieg?

Sicher. Zumindest dort, wo er hingekommen ist. Oberösterreich hat Glück gehabt, dass es nie relevanter Kriegsschauplatz war. Gegenden wie die Pfalz, Mittel- und Norddeutschland waren schwerst betroffen. In Mecklenburg-Vorpommern wurden zum Beispiel 80 Prozent der Bevölkerung getötet oder vertrieben. Magdeburg wurde komplett vernichtet. Der Krieg war ungeheuer zerstörerisch. Niederösterreich wurde am Rande getroffen.

Die Schwedenschanzen bei Bad Leonfelden erinnern an diesen Krieg.

Nach Oberösterreich sind die Schweden nicht gekommen, nach Niederösterreich schon. Damals schaute es danach aus, als ob sie Wien besetzen würden. Das Wald- und das Weinviertel waren noch betroffen, aber nicht massiv. Die Leute mussten über die Steuern für den Krieg zahlen, aber Österreich war nicht Frontgebiet.

1648 endet der Krieg mit dem Westfälischen Frieden, der für Henry Kissinger das Vorbild für alle Friedensschlüsse ist.

Dieser Friede sprach eine ewige Pardonierung aus. Man hat sich gegenseitig amnestiert. Alle sind über den Schatten gesprungen. Man hat auch die Calvinisten zugelassen. Die Gebiete wie die Schweiz und die Niederlange, die unbedingt weg wollten, hat man aus dem Reichsverband entlassen. Das Deutsche Reich wurde zu einem unbeweglichen Gebilde aus mehr als 200 Einzelstaaten, die alle getan haben, was sie wollten.Ähnlich wie die EU hatte es gemeinsame Obergerichte und mit dem Kaiser, der in Wien gesessen ist, ein gemeinsames Staatsoberhaupt. Die Habsburger haben sich dann zunehmend vom Reich Richtung Osten abge wendet.

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