Der erste Trunk macht atheistisch
Warum gibt es Leben auf der Erde? Wenn die Schwerkraft anders wäre, gäbe es kein Leben. Wir sind alle aus Sternenstaub, das Wasser kommt aus Kometen. Wenn einige Teilchen anders wären, gäbe es uns Menschen nicht." Für den Quantenphysiker Anton Zeilinger lässt sich die Frage nach dem Warum wissenschaftlich nicht klären. "Es ist die persönliche Sache eines jeden Einzelnen, daraus die persönlichen Konsequenzen zu ziehen und die Frage nach dem Warum zu beantworten." Gott sei naturwissenschaftlich nicht beweisbar, "ihn beweisen zu können, wäre das Ende jeder Religion".
Albert Einstein habe gemeint, Gott sei für den Urknall verantwortlich, er habe eine Rolle am Beginn der Welt, aber seither laufe alles nach kausalen physikalischen Gesetzen ab ("Der Alte würfelt nicht"). Dieser Ansicht widerspricht Zeilinger: "Das ist falsch und durch die Quantenphysik widerlegt." In der Quantenphysik ließen sich manche Vorgänge nicht kausal erklären.
Grenzen der Wissenschaft
In seinem Statement bei der Matinee "Naturwissenschaften und Religion - Ein (Schein-)Konflikt?" zur Eröffnung der diesjährigen Internationalen Akademie Traunkirchen zeigte Zeilinger Grenzen der Naturwissenschaften auf. Erstens: "Wo kommen die Naturgesetze, die tiefe Rationalität der Welt her?" Zweitens: "Wenn Naturgesetze die kausale Wirkung der Welt beschreiben, muss man sich die Frage des Anfangs stellen. Woher kommen die Anfangsbedingungen?" Zeilinger beendete sein Statement mit einem Zitat des Physikers Werner Heisenberg: "Der erste Trunk aus dem Becher der Naturwissenschaft macht atheistisch, aber auf dem Grund des Bechers wartet Gott."
Der Konflikt zwischen der römisch-katholischen Kirche und den Naturwissenschaften begann vor 400 Jahren, als Galileo Galilei von Rom gezwungen wurde, seine Aussage, die Erde kreise um die Sonne und nicht umgekehrt, zurückzunehmen. "Galilei wollte die Kirche auffordern, eine neue Sichtweise zu finden, wie sie ihren Glauben versteht. Er trennt zwischen Aussagen über die Welt und über Heilsaussagen. Galilei betonte, die Bibel sage uns nicht, wie sich die Himmelskörper bewegen, sondern wie wir in den Himmel kommen", erklärte Franz Gruber, Professor für Dogmatik und ökumenische Theologie an der katholisch-theologischen Privatuniversität Linz.
Die Fehlentscheidung Roms habe "katastrophale Folgen" gehabt und zu einer "völligen Entfremdung von Wissenschaft und Religion" geführt. Heute sei dem Lehramt klar, dass es um zentrale Glaubensaussagen gehe. So dürfe man zum Beispiel den Schöpfungsbericht nicht wortwörtlich verstehen, dass Gott die Welt in sieben Tage erschaffen habe, sondern es handle sich um ein Lied, um eine Zusage Gottes von Sinn und Beheimatung an den Menschen im Kosmos. Der Gegenpol zur Schöpfung sei das Chaos.
Analogien
Heute gebe es Analogien zwischen der Quantenphysik und der Religion. Denn die Quantenphysik habe entdeckt, dass die Wirklichkeit nicht objektiv eindeutig erfasst werden könne. Gott sei auch eine Wirklichkeit, die sich einer Objektivierbarkeit entziehe.
Im Verhältnis von Naturwissenschaft und Religion bestehe die Gefahr der Trennung, des nebeneinander Liegenlassens und in der Grenzüberschreitung, wenn die Naturwissenschaft zum Beispiel meine, Gott aberkennen zu müssen. Ihm, Gruber, gehe es um die Frage, wie Religion und Wissenschaft miteinander kommunizieren könnten.
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