Sie diskutiert, informiert und trägt vor. Sie ist eine Umtriebige und war lange Zeit eines der bekanntesten Gesichter des österreichischen Nachrichtenfernsehens. Im Rahmen der Dialogreihe von Academia Superior mit Genetiker Markus Hengstschläger war Danielle Spera Donnerstagabend zu Gast im Linzer Schloss.
Kurz davor erklärte die 67-Jährige im KURIER-Interview, wie es Jüdinnen und Juden derzeit in Europa geht, was sie ärgert und was sie sich wünscht. Und findet dabei klare Worte:
KURIER: Sie reden hier in Linz über Fakten und Fake News. Sie sind ein Medienprofi, waren Jahrzehnte als Journalistin tätig. Wie leicht fällt Ihnen diese Unterscheidung?
Danielle Spera: Sehr leicht. Es wird mit dem Zunehmen der KI immer schwieriger werden, Dinge zu überprüfen. Aber es war immer mein Credo, alles zu überprüfen und nichts einfach zu übernehmen. Immer hinterfragen: Kann das stimmen?
Sie waren Direktorin des Jüdischen Museums in Wien, sind selbst Jüdin. Was hat sich seit dem 7. Oktober 2023, dem Terror-Angriff der Hamas auf Israel, für die Jüdinnen und Juden in Europa und Österreich verändert?
Es hat sich für uns alles verändert. Der 7. Oktober ist die schlimmste Zäsur für uns Jüdinnen und Juden weltweit gewesen seit dem Holocaust. Was uns schockiert, ist die unmittelbar erfolgte Täter-Opfer-Umkehr. Dass plötzlich Israel am Pranger steht, obwohl sich jedes andere Land der Welt genauso verteidigen würde wie Israel. Ich finde auch die Berichterstattung in den österreichischen Medien eine Katastrophe. Ich höre ständig vom Krieg in Gaza und im Libanon, aber ich höre nichts vom Krieg in Israel. Ich höre und lese nichts davon, dass es ständig Terrorangriffe gibt in Israel. Diese Einseitigkeit schmerzt uns.
Von den UNO Frauenorganisationen hat es keinen Aufschrei gegeben bei dem, was mit den Mädchen und Frauen passiert ist am 7. Oktober und was vermutlich jetzt den Mädchen passiert, die in Gaza als Geiseln gehalten werden. Ich denke ständig daran. Was sind das für Menschen, die zwei kleine Kinder und Greise als Geiseln halten?
Woher kommt dieser nun so stark aufkeimende Antisemitismus weltweit? Die Berichterstattung ist sicher auch mit ein Faktor dafür. Und mir war bis zum 7. Oktober nicht bewusst, wie stark Qatar an den amerikanischen Unis vertreten ist. Sie haben über Jahrzehnte Milliardenbeträge gespendet, dadurch gab es auch die Möglichkeit, inhaltlich mitzubestimmen. Diese Welle an Gewalt hat mich erschüttert.
Ich finde das für Europa gefährlich, auch für uns Frauen, denn wir wissen, welche Ideologien hinter diesen Ideen stehen. Wer heute ruft „From the river to the sea“, verlangt die Auslöschung Israels, die Vernichtung dieses Landes. Ich persönlich möchte keinen Tag in einem dieser Länder leben. Jeder, der hier für die Hamas eintritt, dem kann ich nur sagen: Bitte nach Gaza fahren und sich dort der Hamas anschließen. Speziell Frauen oder queere Menschen hätten dort kein langes Leben.
Fühlen Sie und Ihre Familie sich sicher in Österreich?
Meine Kinder leben nicht in Österreich. Es war uns immer bewusst, dass jüdisches Leben leider überall geschützt werden muss, das ist eine Katastrophe, dass wir nicht mal im 21. Jahrhundert frei leben können, dass Synagogen bewacht werden müssen, dass es ständig Angriffe auf uns gibt. Warum?
Es gibt in OÖ überdurchschnittlich viele Verurteilungen nach dem Wiederbetätigungsgesetz. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Vielleicht ist es historisch gewachsen. Ich finde es sehr tragisch, dass es solche Phänomene heute noch gibt. Meine Mutter hat gesagt, du wirst sehen, die werden alle wiederkommen. Ich hab gesagt, sicher nicht, die werden aussterben.
Wo müsste man ansetzen?
Aufeinander zugehen, einen Dialog beginnen. Es muss im Unterricht über das hinausgehen, was bisher gelehrt wird. Das kann auch positiv sein, etwa indem man darauf hinweist, wie viel in unserer Kultur und Geschichte nicht da wäre, wenn es den jüdischen Beitrag nicht gegeben hätte.
Wie sehen Sie die Zukunft der jüdischen Gemeinden in Österreich?
Es gibt fast 30.000 Wieder-Österreicherinnen und -Österreicher. Das sind Nachfahren von Jüdinnen und Juden, die flüchten mussten. Das veranlasst eine neue Belebung und Befruchtung der Gemeinden.
Die oft vergessene Gedenkstätte KZ Gusen soll neu gestaltet werden, derzeit ist ein EU-weiter Wettbewerb ausgeschrieben. Was soll dort passieren?
Wir haben bereits tolle Projekte, an denen man sich orientieren kann. In Mauthausen wird zum Beispiel hochwertige Vermittlungsarbeit geleistet. Wir dürfen uns aber nicht der Illusion hingeben, dass Jugendliche nach einem Besuch dort nicht mehr anfällig sind für Antisemitismus. Wir müssen da auch bei den Gruppen ansetzen, die gar keinen österreichischen Hintergrund haben.
Im letzten Jahr haben Sie informiert, diskutiert, waren präsent, um über die Israel-Palästina-Thematik zu sprechen. Schleicht sich da eine Müdigkeit oder Resignation ein?
Mein Motto ist: Wer aufgibt, ist verloren. Uns muss bewusst sein, wie fragil alles ist. Man hätte nie damit gerechnet, dass an einem Samstagvormittag Horden von bestialischen Mördern in Haushalte eindringen, vergewaltigen, zerstückeln, ermorden und Menschen als Geiseln nehmen. Das lässt mich nicht zur Ruhe kommen, dass die Menschen daran nicht mehr denken. Und sie denken nicht daran, dass in Gaza eine Mörderbande ein Regime führt. Seit 2007 ist die Hamas dort an der Macht und unterjocht das ganze Land. Milliarden wurden in unterirdische Terrorsysteme statt in Schulen, Krankenhäuser und Infrastruktur investiert. Darüber redet keiner.
Haben Sie Familie und Freunde in Israel?
Ja, ich war auch nach dem 7. Oktober in einem zerstörten Kibbuz. Das müsste jeder sehen, wie es dort ausschaut.
Was wünschen Sie sich für die Jüdinnen und Juden in Österreich?
Nicht für uns hier, überhaupt wünsche ich mir, uns leben zu lassen. Wir sind so eine kleine Minderheit, 0,2 Prozent der Weltbevölkerung, 15 Millionen Menschen. In Österreich hat die Kultusgemeinde 8.000 Mitglieder. In der muslimischen Gemeinde gibt es bald eine Million Mitglieder. Warum beschäftigt sich jeder mit uns?
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