„Will nicht Bischof von Linz werden“

Brandmayr am Steg seines kleinen Hauses in Litzlberg am Attersee, das ihm die Eltern vermacht haben
Der Rektor der Anima in Rom sieht sich von den Wurzeln und vom Charakter her als oberösterreichischer Bauer. Er vermutet, dass das dritte kirchliche Jahrtausend das der Laien wird.

Franz Xaver Brandmayr ist seit sechs Jahren Rektor der Stiftung Anima in Rom. Der 57-Jährige gilt neben dem Innsbrucker Bischof Manfred Scheuer und Johann Hintermaier, dem Regens des Priesterseminars, als Kandidat für die Nachfolge von Bischof Ludwig Schwarz, der nächstes Jahr 75 wird und damit seinen Rücktritt einreichen muss.

KURIER: Wie sieht Ihre Tätigkeit als Rektor der Anima aus?
Franz Xaver Brandmayr: Ich bin der Oberste der rund 30-köpfigen Priesterschaft im Kolleg. Als guter Hausvater stehe ich ihnen zur Seite. Ich bin auch Pfarrer der deutschsprachigen Gemeinde in Rom. Unsere Kerngemeinde umfasst rund 750 Leute. Weiters bin ich im Vorstand der deutschen Schule. Alle Mitbrüder im Haus arbeiten in der Pfarre mit.
Die Kirche und das Kolleg wurden renoviert, die Anima habe ich wieder auf gesunde finanzielle Beine gestellt. Ich bin kein großer Finanzzampano. Von meinen Wurzeln und vom Charakter her bin ich ein oberösterreichischer Bauer. Obwohl es Vorschläge gab, Einzelne der insgesamt 19 vermieteten Häuser im Zentrum von Rom zu verkaufen, habe ich das abgelehnt. Gott hat mir die Gabe der unbegrenzten Sturheit geschenkt, die mir bei den Sanierungen zugute kommen. Zwei Jahre anrennen gegen mich, das erschüttert mich nicht.(lacht)
Es schadet mir, wenn ich für verschiedene Positionen genannt werde. Die Sanierungen sind teuer, aber langfristig sind die Häuser Goldgruben.
Immer dann, wenn es Gerüchte gibt, ich würde irgendwo Bischof, geht bei den Verhandlungen mit den Baufirmen nichts weiter.

Sie werden als möglicher Nachfolger von Schwarz in Linz genannt.
Ich werde es sicher nicht annehmen. Sie können es mir wirklich glauben.


Bischof Schwarz hält Sie für einen Kandidaten.
Das kann sein. Ich habe alles geprüft und erwogen. Kaum stand fest, dass ich nicht Erzbischof von Salzburg werde, sind fünf Angebote von Baufirmen vorgelegen. Sie haben um den Auftrag gerangelt. Sie haben nur gewartet, dass der sture Brandmayr wegkommt, mit der Erwartung, dass sie sich mit dem Nachfolger leichter tun.
Mir sind die Nennungen als Kandidat egal. Das Einzige, was passiert, ist, dass es heißt, der ewige Kandidat. Das ist zwar nicht lustig, aber letzten Endes berührt mich das nicht. Ich will nicht Bischof von Linz werden. Deshalb trifft es mich auch nicht, wenn ich es nicht werde. Die Leute sollen reden. Den klerikalen Neid halte ich aus.

Sie verstehen sich primär als Seelsorger. Vom neuen Papst heißt es ebenfalls, dass er im Grunde ein Dorfpfarrer ist. Wie erleben Sie Papst Franziskus?
Ich habe die Papstwahl genau verfolgt. Als der weiße Rauch im Fernsehen aufstieg, bin ich sofort auf den Petersplatz gegangen. Ich wusste zwei Sachen von ihm. Dass er bei der Wahl von Josef Ratzinger die zweitmeisten Stimmen im Konklave hatte. Man hat gewusst, dass er als Erzbischof von Buenos Aires mit 75 Jahren seinen Rücktritt eingereicht hat. Die Jesuiten haben ihn sehr früh, mit 35 Jahren, zum Provinzial gemacht. Er hat das glänzend gemeistert. Er hat den Orden auch in der Zeit der Militärdiktatur zusammengehalten. Seine Theologie ist die des Volkes. Sie ist weniger eine Befreiungstheologie. Er setzt auf Volksfrömmigkeit.

Papst Franziskus betont die Armut. Es wird erwartet, dass er die Kurie reformiert.
In den Beratungen der Kardinäle vor dem Konklave ist ganz klar die Kurienreform herausgekommen. Es gab Kritik daran, wie die Kurie mit den Bischöfen umgesprungen ist, wie manche Dinge nicht wahrgenommen worden sind. Die Bischöfe haben gesagt, das lassen wir uns nicht gefallen. Sie fühlten sich nicht ernst genommen, obwohl sie alles durchtragen mussten. Die Kurie hatte als ihren Kandidaten Kardinal Odilo Scherer von Rio de Janeiro.


Der andere Kandidat war Kardinal Angelo Scola aus Mailand.
Ich weiß nicht, wer wirklich hinter Scola gestanden ist. Unser Kardinal Schönborn schon. Es waren selbst die italienischen Bischöfe gegenüber Scola skeptisch. Er ist ein ganz starker Exponent der Bewegung Communione e Liberazione. Die Bischöfe haben mit dieser Bewegung Probleme. Es gab gegenüber Spitzenvertretern Vorwürfe von Korruption.

Franziskus wird nun die Kurie reformieren.
Er wird hier sicher etwas machen. Aber so eine Reform ist eine schwierige Sache. Wie ändert man einen sehr eingesessenen Apparat?Man kann eine Revolution machen und die Leute auswechseln. Die Macht dazu hätte er, aber hat er dazu die Mittel? Man kann schon neue Leute hineinsetzen, aber in der Struktur braucht man doch erfahrene Leute, die sich auskennen. Dann sickern die alten immer wieder ein. Man braucht Systemerhalter, aber man kann sie nicht aus dem Nichts erschaffen. Und kann man einen Apparat ändern bei laufendem Betrieb? Das ist wie eine Operation am offenen Herzen.
Franziskus hat hervorragende Leute von außen geholt. Aber von ihnen kennt keiner die Kurie von innen. An der Kurie ist der Widerstand von jenen, die ohnehin weg gehören, groß.
Eine andere Gefahr gibt es auch noch. Als guter Jesuit glaubt Franziskus, er schafft das auch alleine. Jesuiten sind Einzelkämpfer. Er braucht ein gutes Team in der Kurie. Er hat einen hervorragenden Kardinalstaatssekretär bestellt. Aber dieser steht auch alleine. Sein Vorgänger Bertone hat diese Erfahrung schmerzvoll machen müssen. Er kam von außen und sie haben ihn dumm sterben lassen.

Aber Bertone kam doch von der Glaubenskongregation.
Aber das ist ein völlig eigener Bereich, ein abgehobener Planet. Die richtigen Kurialen waren an der Diplomatenakademie. Das ist der innere Kreis. Den Bertone haben sie richtiggehend abserviert.

Werden nationale und kontinentale Bischofskonferenzen aufgewertet?
Ich erwarte schon, dass es in diese Richtung geht. Das wäre vernünftig. Muss eine Kongregation in Rom in der Liturgie über alle Fragen entscheiden? Hier sollte man das Subsidiaritätsprinzip umsetzen. Das war immer eine Riesenfrage: Gilt das Subsidiaritätsprinzip, ein Grundprinzip der katholischen Soziallehre, innerhalb der Kirche? Das ist theoretisch immer wieder bestritten worden. Der Münchner Kardinal Marx hat seine Doktorarbeit darüber geschrieben, dass das Subsidiaritätsprinzip innerhalb der Kirche gilt. Er ist eines der Mitglieder der Kurienreformkommission. Franziskus schätzt Marx, vor allem auch deshalb, weil er so gut organisiert ist. Wenn wir das Subsidiaritätsprinzip in der Kirche umsetzen können, ist der Rest schon gewonnen. Mein Ansatz ist, dass man die Kurie nach dem Prinzip reformiert, was die Diözesen brauchen.


Die Reformbewegungen hoffen auf Änderungen, zum Beispiel in der Frage der Empfängnisregelung und beim Zölibat.
Man kann immer hohe Ziele setzen. Aber wenn man das hohe Ziel zur absoluten Norm macht, verbaut man sich die Möglichkeiten. Genau das hat man im sexuellen Bereich gemacht. Die höchste ideale Norm wurde zur absoluten Norm. Man muss den Menschen einen Weg eröffnen, den sie Richtung Ideal gehen können. Das ist ganz die Linie des Papstes.

Wird der Zölibat abgeschafft?
Das glaube ich eher nicht. Im Priesterbild ist er ganz stark der Jesuit. Er verlangt von jedem Priester das, was man von einem Jesuiten verlangt. Mit diesem starken Anspruch kann ich es mir eigentlich nicht vorstellen, dass er entgegenkommt.
Der Papst argumentiert, man soll nicht alles klerikalisieren. Man soll viel mehr den Laien überlassen. Das ist auch mein Gedanke. Können Laien nicht viel mehr machen?
Ich meine, das erste Jahrtausend der Kirche war das der Wanderprediger. Das zweite Jahrtausend war das der Mönche. Aus jeder Krise kamen neue Orden. Daraus resultiert auch das Zölibat. Das 20. Jahrhundert hat viele Laienbewegungen hervorgebracht. Meine Vermutung ist, dass das dritte Jahrtausend das der Laien wird. Die Priester sollten in ihrer Dienstfunktion viel stärker in die Laien und in die Pfarren eingegliedert sein. Das würde auch zu einer stärkeren Beheimatung der Priester führen.

Seine Liebe gilt der Pfarrseelsorge

„Will nicht Bischof von Linz werden“
30.12.2013, Litzlberg, Bild zeigt Franz Xaver Brandmayr, Foto Alfred Reiter
Franz Xaver Brandmayr hat das Jesuitengymnasium am Linzer Freinberg absolviert. Nach dem Jusstudium in Wien trat er den Jesuiten bei. Er studierte weiters Theologie, Philosophie und Kirchenrecht in Münster, München, Innsbruck und Rom. Weil er sich zur Pfarrseelsorge hingezogen fühlte, verließ er den Orden. Er war unter anderem in den Pfarren Söll und Wien-Währing tätig, weiters als Richter am Wiener Diözesangericht. Seit sechs Jahren ist er Rektor der Anima in Rom, sein Vertrag wurde nun um weitere sechs Jahre verlängert.

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