Weil Hausärzte in Wels fehlen: Spital wird zum "praktischen Arzt"
In Wels-Stadt gab es zuletzt vier unbesetzte Vertragsarztstellen für Allgemeinmedizin, die trotz mehrfacher und über einen längeren Zeitraum dauernder Ausschreibungen nicht besetzt werden konnten. Eine Stelle konnte mit 1. Oktober besetzt werden.
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Als Lösung und zur Stärkung der Versorgung in Wels öffnet das Klinikum Wels-Grieskirchen Mitte November eine Versorgungseinheit für Allgemeinmedizin - das Spital wird also praktisch zum Hausarzt.
Mit dieser gemeinschaftlichen Initiative könne die hausärztliche Versorgung in Wels-Stadt sichergestellt und die allgemeinmedizinische Versorgung für Welserinnen und Welser verbessert werden, versichert das Land Oberösterreich in einer Aussendung am Freitag.
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Die Allgemeinmedizinische Versorgungseinheit bietet kurative allgemeinmedizinische Leistungen an und wendet sich an Versicherte, die in der Stadt Wels derzeit keinen Hausarzt oder keine Hausärztin haben.
„Die Krankenhäuser sind wichtiger Bestandteil der medizinischen Versorgung und helfen immer wieder in Notsituationen aus. Wenn die Rahmenbedingungen für die Spitäler wie im Fall dieser gemeinschaftlichen Initiative stimmen, so bietet diese Form der Kooperation eine Versorgungsalternative, denn die Versorgung der Patientinnen und Patienten ist für uns das Wichtigste“, unterstreicht Gesundheits-Landesrätin LH-Stellvertreterin Christine Haberlander (ÖVP).
Gesundheitskasse mit Lösung zufrieden
„Für viele Menschen sind der Hausarzt und die Hausärztin die erste Anlaufstelle bei medizinischen Fragen und Problemen. Deshalb freue ich mich sehr über diese Kooperation, die es uns rasch ermöglicht, weiterhin hochwertige, allgemeinmedizinische Grundversorgung in Wels zu sichern“, sagt Albert Maringer, Landesstellenausschuss-Vorsitzender der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) in Oberösterreich.
Ärger beim Welser Stadtchef
Andreas Rabl, FPÖ-Bürgermeister von Wels, ist einerseits froh, dass diese Lösung nun gefunden wurden, sagt aber auch deutlich: "Die Versorgung der Welserinnen und Welser ist ein riesiges Problem. Wir müssen bis zu zwei Monate auf einen Termin beim Hausarzt warten, das ist absolut unzumutbar."
Dabei hätte Wels schon als Gemeinde große Unterstützungen für Hausärzte beschlossen, die sich in Wels ansiedeln würden - 150.000 Euro für Primärversorgungszentren, 40.000 Euro für Allgemeinmediziner, dazu Unterstützung bei Umbauten oder Mieten. "Dabei ist das gar nicht unsere Aufgabe, und wir weisen seit Jahren auf diese Situation hin", kritisiert Rabl.
Was er auch feststellt: Der Druck steige enorm, auch auf die Ärzte. "Die Gesundheitskasse muss dringend noch mehr Initiative zeigen."
ÖGK beteuert, an Problembehebung zu arbeiten
Seitens der Gesundheitskasse wird betont, dass zahlreiche Maßnahmen gesetzt würden, um dem Hausärztemangel Herr zu werden, etwa über Förderungen des klinisch-praktischen Jahres, Mentoringprogramme, Lehrpraxis beim Allgemeinmediziner oder Stipendien für Humanmediziner, die sich verpflichten, nach dem Studium als Hausarzt zu arbeiten.
Auch werde an neuen Kooperationsmodellen für Hausärzte, etwa durch die Zusammenlegung von Hausarztstellen, gearbeitet. Die Optionen reichen aber offenbar noch nicht aus, um in Wels, wo es derzeit 26 Vertragsarztstellen gibt und zwei weitere geschaffen werden, die offenen drei Stellen nachzubesetzen.
Für ganz Oberösterreich sind mit Stand 1. Oktober 28 von 680 Hausarztstellen unbesetzt.
Die Regelung
Ein Team aus mehreren Ärzten, einer diplomierten Krankenpflegerin und drei Ordinations-Assistentinnen ist an vier Tagen die Woche (ab Jänner 2024 an fünf Tagen) für Patientinnen und Patienten da:
Die Allgemeinmedizinische Versorgungseinheit soll die vorhandenen Versorgungslücken bis zur Nachbesetzung der vakanten Planstellen abdecken. Der Vertrag wurde befristet für einen Zeitraum von drei Jahren abgeschlossen.
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Die wöchentliche Gesamt-Öffnungszeit beträgt 28 Stunden, 12 Stunden sind die beiden Ordinationen parallel geöffnet.
Angeboten wird auch eine Nachmittags- und eine Abendordination.
Wels für ÖGK ein Rätsel
Warum gerade in Wels nunmehr drei Hausarztstellen schon so lange nicht besetzt werden können, lasse sich nicht genau sagen, heißt es seitens der Gesundheitskasse.
Als mögliche Ursachen für den generellen Hausärztemangel gelten der erschwerte Zugang zum Medizinstudium, eine geänderte Ärzteausbildungsordnung, die geänderte Einstellung zur Work-Life-Balance seitens der jüngeren Generation, negative Publicity zum Hausärzteberuf genannt.
Oberösterreich mit geringer Ärzte-Dichte
Im extramuralen Bereich gab es 2021 rund 77,1 Vertragsärztinnen/‐ärzte und Ärztinnen/Ärzte in Einrichtungen der Sozialversicherung (gemessen in ärztlichen ambulanten Versorgungseinheiten exklusive Zahnmedizin und technischer Fächer) je 100.000 Einwohner.
Laut Land Oberösterreich zeige die Bundesländergegenüberstellung im Vergleich zur intramuralen ärztlichen Versorgungsdichte ein gegensätzliches Bild im Burgenland, das mit rund 91,8 Ärzten je 100.000 Einwohner die höchste Dichte aufweist.
Die geringste Versorgungsdichte im Bereich Vertragsärztinnen und -ärzte fand sich 2021 mit 68,1 in Oberösterreich, das gleichzeitig die höchste Krankenhaushäufigkeit aufweist.
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