Da geschieht eines der schwersten Zugunglücke der vergangenen Jahre und die ÖBB sprechen einen Tag lang lapidar davon, dass "einige Waggons eines Güterzuges aus den Schienen gesprungen sind". Nach dem Unfall, der die wichtigste Nord-Süd-Bahnverbindung des Landes drei Wochen lang lahmlegt, haben sich die Bundesbahnen nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert. Obwohl man bereits kurz nach dem Zwischenfall wusste, dass es in einem Tunnel zu einer verheerenden Kollision zwischen einem Güterzug und einer Lokomotive gekommen ist, hat man die Öffentlichkeit nicht informiert.
Fotos aus dem 337 Meter langen Polleroswand-Tunnel beim berühmten Viadukt über die Kalte Rinne zeigen ein Bild der Zerstörung. Waggons eines Güterzuges liegen wie Spielzeug kreuz und quer verkeilt bis unter die Tunneldecke. Auch die Oberleitung, Signale sowie Teile der Tunnelwand sind zerstört.
Nach dem Unglück Dienstagfrüh hatte die Polizei nicht von den ÖBB sondern aus den Medien von dem Zwischenfall erfahren. Daraufhin wurde eine Streife zur Unfallaufnahme nach Breitenstein geschickt.
Nach den bisherigen Erkenntnissen lösten sich aus noch unbekannten Gründen von einem bergwärts fahrenden Güterzug einige Waggons am Zugende. Die Waggons wurden vom automatischen Sicherheitssystem eingebremst und blieben stehen. Der nachkommende Güterzug "43601" musste daraufhin anhalten. "Dieser Zug sollte mit einer E-Lok in den Bahnhofsbereich von Breitenstein zurückgezogen werden", erklärt am Mittwoch ÖBB-Sprecher Christopher Seif.
Ins Rollen geraten
Während diese Lok bergwärts fuhr, machte sich der "43601" selbstständig und rollte 1,1 Kilometer die Semmering-Strecke hinunter – mit bis zu 60 km/h. Ob der Lokführer den Zug manövrierte oder es ein technisches Gebrechen gab, ist noch unklar. "Der Mann ist geschockt und konnte noch nicht einvernommen werden", so die Polizei. Im Polleroswand-Tunnel kam es zum Zusammenstoß mit der E-Lok. Der Fahrer hatte riesiges Glück und wurde nur leicht verletzt. Auf die Frage, wieso die ÖBB den Fall am Dienstag herunterspielten, meint Seif: "Es macht nur Sinn, über Fakten zu sprechen. Und die waren noch nicht bekannt."
Schienenersatzverkehr
Für Reisende auf der Südbahn bedeutet das Unglück drei Wochen lang Schienenersatzverkehr zwischen Gloggnitz und Mürzzuschlag. Die Fahrt auf der Straße dauert ein paar Minuten länger.
Das notwendige Umsteigen auf den Bus nahmen die Fahrgäste Mittwochmorgen auf dem Bahnhof Gloggnitz aber gelassen. Tenor: Man kann’s eh nicht ändern. "Im Zug wurde es mehrmals durchgesagt", lobt etwa Alois Prohaska auf seinem Weg zu einem Termin nach Graz. ÖBB-Mitarbeiter wiesen den Fahrgästen den Weg zu den Bussen – nur als ein paar Passagiere des Railjet 553 kurz vor 8 Uhr auf einen Bus warten mussten, verfinsterten sich einige Mienen.
57.000 Fahrgäste sind pro Woche in beiden Richtungen über den Semmering unterwegs. Täglich verkehren 57 Fernzüge und acht im Nahverkehr. Dazu kommen täglich rund 100 Güterzüge.
Kommentare