Zu krank für den Job: Viele bleiben auf der Strecke

Kritik an der PVA kommt vom Verein "ChronischKrank"
Die PVA lehnt bereits mehr als 65 Prozent aller Anträge auf Invaliditätspension ab.

Conny Stöger weiß, was es heißt, nicht arbeiten gehen zu können. Die Zahnarztassistentin leidet seit Jahren an einer schweren Form von Morbus Crohn – einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung. „Jeder Arbeitgeber hat nach ein paar Monaten die Geduld verloren und mich wieder auf die Straße gesetzt. Diese Krankheit schränkt einen zu sehr ein“, erzählt die Niederösterreicherin. Um solche krankheitsbedingten Härtefälle aufzufangen, hat der Gesetzgeber die Berufsunfähigkeits- oder Invaliditätspension geschaffen. Seit eineinhalb Jahren kämpft die 40-Jährige vor Gericht darum – bisher vergeblich.+

Zu krank für den Job: Viele bleiben auf der Strecke
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„Leider ist sie dabei kein Einzelfall. Bei uns häufen sich die Beschwerden verzweifelter Menschen, denen es ähnlich geht. Die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) geht sehr restriktiv mit den Invaliditätspensionen um“, schildert Jürgen E. Holzinger, Obmann des Vereins „ChronischKrank Österreich“. Der gemeinnützige Verein ist eine Anlaufstelle für kranke Menschen in Notsituationen. „Arbeit haben wir genug“, so Holzinger.

65,8 Prozent Ablehnung

Warum, das zeigt ein Blick in die ausgewiesenen Statistiken der PVA. Im Vorjahr erreichte man dort einen fragwürdigen Rekord, was die Ablehnung von Anträgen auf Invaliditätspensionen betrifft. 65,8 Prozent aller 50.655 Anträge wurden abgelehnt. 2005 lag diese Quote noch bei 52,2 Prozent. Laut Holzinger ist eine deutlich schärfere Gangart seit der Pensionsreform 2014 erkennbar. Ziel der Reform sind natürlich weniger Pensionen und eine raschere Rückkehr in die Arbeitswelt durch Rehabilitation oder Umschulung. Leider gibt es dabei auch viele Verlierer. „Wir haben alleine im vergangenen Jahr 250 Patienten bei Klagen auf Invaliditätspension gegen die PVA vor Gericht unterstützt“, sagt Holzinger. Dass die Pensionsversicherung kategorische Ablehnungen vornimmt, zeige laut dem Verein die Tatsache, dass die Hälfte aller Verfahren für die Antragsteller gewonnen werden.

Dem widerspricht die PVA. „Der Grund dafür, dass Fälle vom Gericht zuerkannt werden, obwohl sie davor von der PVA abgelehnt wurden, liegt oftmals darin, dass sich die zugrunde liegende Krankheit zunehmend verschlechtert“, sagt PVA-Sprecherin, Christina Ochsner.

Quälende Ungewissheit

Conny Stöger kann dieser Erklärung nichts abgewinnen. Zwei Facharzt-Gutachten bescheinigen ihr von Anfang an, dass sie aufgrund ihrer Erkrankung arbeitsunfähig ist. Die PVA lehnte den Antrag dennoch ab. Stattdessen musste die Mutter eines schwer herzkranken Sohnes auf eigene Kosten den Prozess zu einer möglichen Umschulung durchlaufen – mit dem Ergebnis, dass ihre Krankheit auch keinen anderen Beruf zulässt.

Am schlimmsten sei die Ungewissheit seit fast eineinhalb Jahren. Seit Anfang des Jahres bekommt Stöger weder Arbeitslosen- noch Krankengeld. „Das ist existenzgefährdend. Ich lebe von meinem Mann.“ Mittlerweile hat ihr der Verein „ChronischKrank“ den Wiener „Anwalt der Arbeitslosen“, Herbert Pochieser, vermittelt (Artikel unten). „Ihr Fall ist besonders schlimm. Sie war jahrzehntelang als Zahnarztassistentin tätig und hat entsprechende Dienstzeugnisse. Jetzt verlangt man von ihr einen Berufsqualifikationstest. Das ist eine Ungeheuerlichkeit“, sagt der Jurist.

Herbert Pochieser ist Spezialist für Arbeitsrecht.

KURIER: Wieso werden bei der PVA so viele Anträge abgelehnt?
Pochieser:Der Staat muss das Pensionsalter anheben. Die Sachverständigen sind angehalten, die Leute streng zu beurteilen. Es ist ein Gutachter-Unwesen.

Was ist darunter zu verstehen?
Es werden Gutachten nach Schema „F“ erstellt. Der Allgemeinmediziner der PVA setzt sich über Facharzt-Gutachten hinweg und das Gericht toleriert das. Ich kenne einen Fall, bei dem ein Gutachter Autismus verleugnet hat.

Wie kann man dem entgegenwirken?
Wir gehen zu den Untersuchungen mit, das wird aber nicht gerne gesehen. Ein Kfz-Schaden wird in Österreich genauer untersucht als die Gesundheit eines Menschen.

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