Bagger gegen Erdhörnchen: Ziesel haben bei Ostumfahrung Vorrang

Eine Kolonie Ziesel wird in Wiener Neustadt für den Bau der Ostumfahrung vergrämt
Sie sind gerade einmal 20 Zentimeter lang, nicht einmal ein halbes Kilogramm schwer und leben am liebsten in kleinen Kolonien unter der Erde. Für Architekten, Bauplaner, Straßenbauer und Behörden sind sie dennoch ein Schreckgespenst mit enormer Macht.
"Spermophilus citellus“ ist der lateinische Name für eine Gattung putziger Nagetiere, besser als Ziesel bekannt. Doch so süß und verspielt die possierlichen Erdhörnchen auch wirken, sind sie mitunter eine Plage, was wichtige infrastrukturelle Projekte anbelangt. Derzeit wird dies beim Bau der Ostumfahrung und des Ringschlusses um Wiener Neustadt deutlich.

Bagger graben die oberste Humusschicht ab, um die Ziesel zu vergrämen
Artenschutz
Dort wird seit Tagen eine Kolonie Ziesel unter Aufsicht "sanft vergrämt“. Die Tiere gelten als streng geschützt, die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie hält EU-weit die Hand über die Populationen. In Niederösterreich kommt das Ziesel von Horn bis Krems und Mautern an der Donau, im Weinviertel, in Teilen des südlichen Tullnerfelds und des Marchfelds sowie im südlichen Wiener Becken rund um Wiener Neustadt vor.
Dort, wo die Tiere ihren Lebensraum haben, wird jedes noch so wichtige Bauprojekt ausgebremst. Aktuell ist dies beim Ringschluss von Wiener Neustadt der Fall. Eine laut Land Niederösterreich "zahlenmäßig geringe Ziesel-Population“ im Bereich des Kreisverkehrs auf der B60 bei Lichtenwörth hat den Natur- und Artenschutz auf den Plan gerufen.

Seltene und streng geschützte Tierarten können in Österreich wichtige Projekte zu Fall bringen – oder zumindest um Jahre verzögern. Prominentestes Beispiel ist die Marchfeld-Schnellstraße S8 und der streng geschützte Triel. Von dem seltenen Vogel sollen zwei der letzten Brutpaare Österreichs im Marchfeld leben. Der nachtaktive Steppenvogel ist sogar so schützenswert, dass das Bundesverwaltungsgericht ihn als Hauptargument in einer seiner jüngsten Entscheidungen anführte. Im Dezember wurde dem Bau der S8 nach einem jahrelangen Gerichtsverfahren eine Absage erteilt. Zu sehr wäre der Lebensraum des Vogels durch den Bau der Umfahrungsstraße beeinflusst worden, urteilten die Experten.
Eine Ziesel-Kolonie hat den Zeitplan für ein 700-Millionen-Euro teures Krankenhaus gehörig durcheinander geworfen. Im Stadtteil Civitas Nova in Wiener Neustadt soll eine der modernsten Kliniken Europas mit 14 Abteilungen auf einer Fläche von 55.000 m² auf die grüne Wiese gestellt werden. Eine Wiese, auf der aber Hunderte geschützte Erdhörnchen ihr Zuhause haben. Im Zuge eines aufwendigen Naturschutzverfahrens müssen die Tiere nun abgesiedelt werden, bevor der Spatenstich für das neue Uniklinikum fallen kann.
Donaubrücke Mauthausen
Ein Gerichtsentscheid hat kürzlich zu weiteren Verzögerungen beim wichtigen Infrastrukturprojekt Donaubrücke Mauthausen geführt. Zur Erhebung der Flugrouten von Fledermäusen und zur Untersuchung der Lebensräume des Mittelspechts, setzte es eine herbe Schlappe für die beiden Bundesländer Nieder- und Oberösterreich bei dem geplanten Bau der Brücke.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) hat das Verfahren unterbrochen, bis die Naturschutzbelange geprüft sind. Die Länder als Brückenbauherren verlieren damit wertvolle Zeit. Spätestens 2027 muss die alte Mauthausner Brücke aus statischen Gründen gesperrt werden, in der Region droht ein Verkehrsfiasko.
Strenge Auflagen erteilt
Es gab im Zuge des Genehmigungsverfahrens und der Umweltverträglichkeitsprüfung für die Ostumfahrung strenge Auflagen. Bevor der Ringschluss gebaut werden darf, müssen die Ziesel auf Ersatzflächen umgesiedelt werden. Dazu sind ganz gezielte Vergrämungsmaßnahmen nötig. Durch das Abtragen der obersten Humusschicht mit einem Bagger wird den Erdhörnchen das Leben auf dem Areal ungemütlich gemacht. "Damit bewirkt man, dass sie ihre Erdbauten verlassen und absiedeln. Geeignete Ersatzflächen gibt es auf den Trockenrasenflächen in der Umgebung genug“, heißt es vonseiten des Landes NÖ.
Winterschlaf zu Ende
Das Zeitfenster für die Aktion ist sehr kurz. Laut Naturschutzbescheid muss die Absiedelung unmittelbar nach dem Ende des Winterschlafs der Tiere erfolgen. Vergangene Woche haben die Bagger mit der Vergrämung begonnen, schon diese Woche soll die Aktion abgeschlossen sein. Aber nicht nur vor dem Bau, sondern auch während der Arbeiten und nach der Fertigstellung der 4,8 Kilometer langen Ostumfahrung gibt es strenge behördliche Auflagen, was die Erdhörnchen anbelangt.
"Es wird Leiteinrichtungen und Querungshilfen für die Ziesel geben. Vier Kleintierdurchlässe entlang der Trasse gewährleisten die Lebensraumvernetzung“, so die Straßenplaner des Landes.
Brutzeit
Die Ziesel sind nicht die einzigen Tiere, auf die Rücksicht genommen wird. Noch vor Baubeginn wurden als Ausgleich für bestimmte Vogelarten wie die Feldlerche 4,6 Hektar Brachflächen und Blühstreifen angelegt. Die nötigen Rodungen erfolgten außerhalb der Brutzeit der Vögel zwischen Oktober und 28. Februar.
Kommentare