"Zahlen werden durch die Decke gehen": Wr. Neustadt will Massenimpfung
Der Handel ist bereits zum Erliegen gekommen, Innenstadt und Einkaufszentren sind menschenleer. Jeder der kann, meidet Wiener Neustadt. Was die bisherigen Lockdowns wirtschaftlich noch nicht ruiniert haben, wird durch die neue Hochinzidenzverordnung zu einer Existenzfrage.
Die seit Mittwoch geltenden Ausreisebeschränkungen für die 50.000-Einwohner-Stadt stellen Wiener Neustadt vor die bisher größte Herausforderung in der Pandemie. Jeder, der aus der Stadt will, muss bei einer Kontrolle einen negativen Coronatest vorweisen können. Den entsprechenden Erlass des Gesundheitsministeriums hat man im Rathaus nicht nur mit einem gewissen Widerwillen angenommen. ÖVP-Bürgermeister Klaus Schneeberger ist auch der Meinung, dass die Maßnahme die Stadt kurzfristig nicht aus dem Schlamassel ziehen wird. Im Gegenteil: Wiener Neustadt ist seit Donnerstag der Region in Österreich mit der höchsten 7-Tages-Inzidenz von 541 (die Restriktionen gelten ab einem Wert von 400). Und laut dem Ministerium erlöschen die Ausreisebeschränkungen erst, wenn man zehn Tage in Folge unter einer Inzidenz von 200 liegt. Das hatte Wiener Neustadt aber zuletzt vor Monaten und die Zahlen werden weiter steigen, sagt Schneeberger. „Wir haben die Kapazitäten auf 15.000 Tests pro Tag ausgebaut. Die Zahlen werden durch das viele Testen durch die Decke gehen“, sagt der Stadtchef. Er wolle sich gar nicht erst ausmalen, wie lange diese Situation die Stadt in Geiselhaft nehmen könnte.
Wiener Neustadt setzt Maßnahmen zähneknirschend um
Einziger Gamechanger
Deshalb gibt es für die Verantwortlichen im Rathaus nur eine Lösung. „Wir brauchen die rasche Durchimpfung der Bevölkerung. Das ist der einzige Gamechanger“. Er insistiert beim Gesundheitsministerium auf eine bevorzugte Behandlung, in deren Genuss auch Schwaz in Tirol gekommen ist. In dem Bezirk hat am Donnerstag die Massenimpfaktion der Bevölkerung begonnen. Und das bei einer aktuellen 7-Tages-Inzidenz von vergleichsweise harmlosen 94. 48.500 von 64.000 infrage kommende Menschen haben sich in Schwaz für eine Impfung mit Biontech/Pfizer angemeldet (76 Prozent). 100.000 Impfdosen stehen sogar zur Verfügung.
Britische Mutation im Abwasser
Während im Tiroler Bezirk zunächst eine weite Verbreitung der südafrikanischen Corona-Mutation die Grundlage für die Massenimpfung war, so hat Wiener Neustadt aktuell mit der britischen Variante zu kämpfen. Diese wurde in erhöhter Konzentration im Abwasser gemessen. Ein Grund mehr, warum Schneeberger auf eine rasche Durchimpfung drängt. „Es stehen alle infrastrukturellen Maßnahmen dafür bereit. Kommende Woche startet das Land in Wiener Neustadt mit einer Impfstraße“, sagt der Stadtchef.
Wie die Polizei vorgehen wird
Damit ab Samstag Ausreisebeschränkungen überhaupt von der Polizei kontrolliert werden können, musste zuvor noch eine „Mammutaufgabe“ gestemmt werden. Und zwar der Ausbau der Kapazitäten von 16 auf 40 Teststraßen. Dafür griff die Stadt auf die Hilfe von Bundesheer, Rotem Kreuz und der Fakultät für Gesundheit der Fachhochschule zurück, die diese Teststationen managen. Aktuell stellt das Bundesheer 218 Soldaten, 80 Kräfte habe man in Reserve. „Wir tragen keine Waffen und kontrollieren auch keine Autos“, sagt Oberst Horst Karas.
Diese Angelegenheit obliegt alleine der Polizei. Die Leute, sagt Stadtpolizeikommandant Manfred Fries, müssen sich ab Samstag darauf einstellen, dass sie auf allen Stadtausfahrten und am Bahnhof der Polizei begegnen werden. „Wir haben ein System, ähnlich eines Planquadrates“. Die Kollegen hätten eine klare Botschaft mitbekommen. „Es ist dort niemand der Kollegen, um irgend jemanden zu sekkieren. Alles soll mit Augenmaß passieren.“ Nur wer es darauf ankommen lässt, werde beim Magistrat angezeigt. Organmandate sind nicht vorgesehen.
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