Wohin mit den Kleinen? Warum die Kinderbetreuung noch eine Baustelle ist
Der Zuzug ist enorm: Pro Jahr wächst die Stadt Wiener Neustadt in NÖ um 700 Personen. Darunter sind vor allem Familien und die wollen ihre Kinder gut betreut wissen. Bis 2025 werden daher 20 neue Kindergarten- und Kleinkindergruppen errichtet. 20 Millionen Euro gilt es dafür zu stemmen. Viele Gemeinden befinden sich in einer ähnlich schwierigen Lage.
Es liegt also nicht unbedingt nur an der Landtagswahl 2023, dass Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) das Thema Kinderbetreuung ganz oben angestellt hat. Für 750 Millionen Euro sollen Hunderte zusätzliche Kindergartengruppen kommen.
Für viele Mütter ein lange überfälliger Schritt. „Hinterwäldlerisch“, nur so könne man aktuell die Betreuungssituation bezeichnen, sagt etwa Daniela Z. aus Sierndorf im Weinviertel. „Ohne Unterstützung können Frauen nicht berufstätig sein. Ohne Oma, Opa oder durch den Arbeitgeber“, sagt sie. Z. weiß, wovon sie spricht. Ihr Sohn wechselt nun von der Kinderkrippe in den Kindergarten. Damit wird die Betreuung zwar billiger, dafür „haben wir nun das Problem. dass der Kindergarten alle Schulferien zu hat.“ Ein Drahtseilakt.
Wie Z. geht es derzeit allen Familien. Nach dem Karenzende mit spätestens zwei Jahren ist das Kind zu jung, um im – zumindest am Vormittag – kostenlosen Kindergarten zu beginnen. „Krippen sind aber fast nicht unter 400 Euro zu bekommen“, erzählt Z.
Bei zwei Kindern summiere sich das auf rund 1.000 Euro im Monat. Damit fressen die Betreuungskosten schon mal das Einkommen einer Teilzeitbeschäftigung auf. „Ich kenne Mütter, die sagen, arbeitslos kommt mir günstiger als zu arbeiten“, sagt Z. Selbst die kostenpflichtige Nachmittagsbetreuung nach 13 Uhr könnten sich manche nicht leisten – und würden die Betreuung daher anders organisieren.
Keine Betreuung
Tatsächlich zeigt auch eine Elternbefragung des Österreichischen Instituts für Familienforschung im Auftrag der AK NÖ unter 2.000 Eltern aus dem Jahr 2019, dass knapp die Hälfte Verwandte als private Unterstützung bei der Kinderbetreuung braucht. Ein Drittel konnte wegen mangelnden Angebots oder der hohen Kosten keine Kleinkindbetreuung nutzen.
Nun gibt es zumindest hierbei Bewegung. Künftig können Kinder bereits ab zwei Jahren in den Kindergarten gehen, 600 neue Gruppen werden eröffnet. Dazu kommen 250 für die Kleinkindbetreuung. Diese soll künftig am Vormittag ebenfalls kostenlos sein, die Nachmittagsbetreuung im Kindergarten soll mit 180 Euro gedeckelt sein. Und: Die Schließtage werden verkürzt. Im Sommer sollen die Kindergärten statt drei nur noch eine Woche zu haben.
Aktuell haben die nö. Kindergärten im Schnitt 25 Tage pro Jahr geschlossen. Zum Vergleich: In Wien sind es 9,5. Nur in den westlichen Bundesländern sind es mehr. Auch eine flächendeckende Nachmittagsbetreuung soll es geben.
Es ist aber auch ein gesellschaftlicher Wandel, der nun den Ausbau der Kinderbetreuung notwendig macht. Während es im städtischen Bereich bereits zahlreiche Kinderkrippen gibt und auch eine Nachmittagsbetreuung eher die Regel ist, sieht es am Land noch ganz anders aus. „Man wird als Mutter verteufelt, wenn man sein Kind länger als bis Mittag lässt“, sagt Daniela Z. In ihrer Reihenhaussiedlung sei sie die Einzige, die 30 Stunden arbeiten würde. Die Regel seien 18.
Doch langsam würde sich auch am Land etwas tun, meint Regina Gottwald-Knoll von der Arbeiterkammer NÖ, Die Interessensvertretung fordert einen massiven Ausbau der Nachmittagsbetreuung und zudem eine Betreuungsplatz-Garantie für jedes Kind, das einen braucht. „Die Coronapandemie hat gezeigt, dass Großeltern nicht immer verlässlich als Betreuungspersonen da sind“, sagt sie.
Zudem seien immer mehr selbst noch berufstätig. Außerdem gäbe es einen Zuzug aus dem städtischen Raum, der mehr berufstätig sein möchte und bessere Betreuung wünscht.
Dass in Niederösterreich gerade bei den ganz Kleinen und der Nachmittagsbetreuung Nachholbedarf besteht, zeigen auch die Zahlen. Zwar liegt die Betreuungsquote der Dreijährigen bei 96,3 Prozent – und damit österreichweit auf dem ersten Platz. Bei den Einjährigen sieht es aber ganz anders aus. Da liegt die Quote bei mageren 14,7 Prozent. Nur in Oberösterreich sind es weniger.
Dabei wählen immer mehr Mütter die einkommensabhängige Variante des Kindergeldes, die mit dem 1. Geburtstag endet. Und von den 48.471 Kindergartenkindern werden nur 31,4 % in Einrichtungen betreut, deren Öffnungszeiten (theoretisch) mit einer Vollzeitbeschäftigung der Eltern vereinbar sind. Gleichzeitig arbeiteten 2021 46 % der Niederösterreicherinnen in Teilzeit. Ganztägiger Kindergarten bedeutet aktuell nämlich nur eine Öffnungszeit von sechs Stunden.
Positive Effekte
Dass die Gesellschaft – und letztendlich die Wirtschaft – von einem guten und im besten Fall sogar kostenlosen Kinderbetreuungsangebot profitiert, zeigt eine Studie des Österreichischen Instituts für Familienforschung. Demnach würde bei Einführung eines Gratiskindergartens die sogenannte Erwerbspartizipation von Müttern von zuletzt 48 Prozent auf 75 Prozent steigen. Zwar vielfach aufgrund der geringeren Kinderbetreuungskosten in Teilzeit, doch die positiven Effekte würden überwiegen, „da viele Frauen früher, also vor Schuleintritt des Kindes, wieder in den Arbeitsmarkt einsteigen“, sagt Studienleiter Norbert Neuwirth.
Wirtschaftsleistung profitiert
Auch das wirtschaftsliberale Forschungsinstitut Eco Austria hat errechnet, dass der Staat bei einem Ausbau der Betreuung unter Dreijähriger mehr Geld einnimmt, als er dafür ausgibt. Auch Konsum und Wirtschaftsleistung würden profitieren – und mehr Frauen Kinder bekommen. Betont wird dabei, dass Kinderbetreuung auf Vollzeitbasis zur Verfügung stehen müsse, sonst bliebe den Frauen wieder nur Teilzeit.
Das sieht auch Daniela Z. so. Sie plädiert, die Kinderbetreuung in NÖ zumindest bis 15 Uhr kostenlos anzubieten.
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