Ein Blick auf die Homepage der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) könnte vor allem bei Bewohnern des südlichen Wiener Beckens Unbehagen auslösen. Seit 14. Jänner registrieren die Seismologen in acht bis zehn Kilometer Tiefe unter der Region Wiener Neustadt einen sogenannten „Bebenschwarm“. Seither haben sich auf der Achse zwischen Ebreichsdorf, Wiener Neustadt, Neunkirchen und Gloggnitz mehr als 320 Erdbeben ereignet. „Sieben davon waren stark genug, um von der Bevölkerung an der Oberfläche bemerkt zu werden. An der Auswertung der gesamten Bebentätigkeit wird aktuell gearbeitet“, erklärt Wolfgang Lenhardt, Leiter der Abteilung für Geophysik an der ZAMG, zu der auch der Österreichische Erdbebendienst gehört.
Nachbeben
In der Öffentlichkeit sei das Phänomen der Bebenschwärme weitestgehend unbekannt, meint Lenhardt. Für gewöhnlich gebe es ein spürbares, starkes Beben und danach eine Serie kleiner Nachbeben, erklärt der Seismologe. Beim Bebenschwarm komme es hingegen zu einer Vielzahl kleinerer tektonischer Verschiebungen, manche davon so stark, dass sie auch als Erdstoß wahrgenommen werden.
Aber sind Bebenschwärme die Vorboten für ein starkes Beben? „Ausschließen kann man das freilich nicht. Aber wie wir wissen, kann man Beben nicht prognostizieren“, sagt Lenhardt. Statistisch komme es in der Störungszone im Wiener Becken alle paar Jahrzehnte zu einem markanten Bebenereignis. Die Region südlich von Wien gilt als erdbebenanfällig. Das liegt an einer horizontalen Verschiebung der Erdschichten in der Mur-Mürztal-Furche. Der östliche Erdkrustenteil wird dort weiter nach Osten gedrängt. Durch diese Bewegung entstand der Graben des Wiener Beckens, das von einer Tiefenstörung durchquert wird. Diese erstreckt sich von Seebenstein über Wiener Neustadt, Ebreichsdorf und Schwadorf bis nach Marchegg.
„Wir haben Tausende von solchen Störungen und Brüchen in den Alpen. Der Großteil der Aktivität findet aber südlich von Österreich statt, wie die verheerenden Erdbeben-Ereignisse von Zagreb oder im Friaul zeigen“, erklärt der Experte der ZAMG.
Jahrhundertbeben
Aber auch im Wiener Becken richteten Beben bereits enorme Schäden an. Am 16. April jährt sich eines der schlimmsten Bebenereignisse Österreichs zum 50. Mal. Das Epizentrum lag zwischen Seebenstein und Pitten im Bezirk Neunkirchen, die Erdstöße waren aber fünf Sekunden lang auch in Wien so stark spürbar, dass die Menschen in Panik auf die Straße liefen. Häuser und Rauchfänge stürzten ein, im Wiener Neustädter Dom stürzten während des Gottesdienstes Mauerteile herab. Fast 1.000 Feuerwehreinsätze wurden registriert.
48 spürbare Beben
Am 30. März des Vorjahres bebte die Erde im Raum Neunkirchen mit einer Stärke von 4,6 auf der Richterskala. Die Erdstöße waren auch bis ins Burgenland, Wien und St. Pölten spürbar. Das jüngste Beben Montag früh im Raum Wiener Neustadt hatte laut Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik eine Magnitude von 1,6. Die Erschütterungen um 2.53 Uhr sind vereinzelt wahrgenommen worden, Schäden an Gebäuden sind bei dieser Stärke aber nicht zu erwarten.
Laut ZAMG werden in Österreich von der Bevölkerung durchschnittlich 48 Erdbeben pro Jahr wahrgenommen – dies entspricht im Mittel etwa vier Erdbeben pro Monat. Alle zwei bis drei Jahre muss mit leichten Gebäudeschäden bei Erdstößen gerechnet werden, schwere Schäden treten etwa alle 75 Jahre auf.
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