Wo seit 100 Jahren Emaille-Geschirr produziert wird
Die ikonischen Töpfe und Pfannen mit floralem Muster oder Geschirr ganz schlicht in Weiß mit blauem Rand: Sie sind in Österreich nicht mehr wegzudenken. Zumindest aus Omas Küche kennt jeder das Emaille-Geschirr von „Riess“. Kein Wunder, denn das Unternehmen emailliert seine Produkte seit genau 100 Jahren.
Das Unternehmen "Riess"
Zu Beginn wurde der Brennofen mit Steinkohle betrieben. Ab 1926 wurde der gesamte Prozess durch ein eigenes Wasserkraftwerk auf elektrische Energie umgestellt
Noch immer betreibt das Unternehmen ein eigenes Wasserkraftwerk
Die Unternehmensgeschichte setzt aber weit früher an. Bereits 1550 wurden in Ybbsitz (Bezirk Amstetten) Pfannen geschmiedet. Der Grundstein dafür, was das Unternehmen bis heute auszeichnet, also das Emaillieren von Geschirr, wurde aber erst 1922 gelegt. „Damals waren die Leute stolz darauf, aus Blei- oder Zinnbechern zu trinken. Als man aber erfuhr, dass diese Produkte gesundheitsschädliche Stoffe freisetzen, hat man die Alternative in der Emaille gefunden“, erzählt Friedrich Riess, einer der drei Geschäftsführer des Unternehmens. Mit der Herstellung begonnen habe damals das Unternehmen „Austria Email“ aus Wien-Ottakring. Wenig später sei das Verfahren, bei dem Glas auf Eisen aufgeschmolzen wird, aber von zahlreichen Firmen übernommen worden. „Mit dem sogenannten ,Gesundheitsgeschirr’ hat man ein großes Geschäft machen können. Jeder Bereich, der mit dem Kochen in Verbindung stand, wurde dazu verpflichtet, Emaille-Geschirr zu verwenden.“ Die vergangenen 100 Jahre seien aber nicht alle so erfolgreich verlaufen. Das zeigt sich daran, dass von den 29 Emaille-Produzenten im deutschsprachigen Raum nur mehr „Riess“ übrig ist.
Die Rohstoffe Eisen, Quarz, Ton, Feldspat, Soda & Pottasche werden in Schmelzöfen geschmolzen. Die flüssige Masse wird erstarrt, es entstehen Flocken oder Fritten, die vermahlen werden und mit Farbkörpern und Wasser vermischt werden. Dieser sogenannte Emailleschlicker kann in beinahe allen Farbtönen erzeugt werden.
Die erste Emailleschicht nennt man Grundemaille, alle weiteren Deckemaille.
40 Arbeitsschritte stecken hinter jedem Produkt von „Riess“. Je nach Farbe und Muster wird das Produkt drei bis vier Mal emailliert. 145 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten bei „Riess“
Die Schmelzöfen heizen auf 1.000 bis 1.200 Grad. Bei 850 Grad wird der Emailleschlicker auf die „Eisen-Rohlinge“ aufgeschmolzen
Das Siegel wird händisch angebracht
Danach werden die Töpfe und Pfannen zum Trocknen aufgehängt
Im Zweiten Weltkrieg zum Beispiel seien viele Familienmitglieder eingerückt. Ein Onkel sei sogar aus dem Unternehmen ausgetreten, da sein Nachfolger im Krieg gefallen war. Nach dem Krieg sei es „Riess“ hingegen besser ergangen als anderen Produzenten. „Wir waren in der russischen Zone und durften, da wir während des Krieges keine Gefangenen beschäftigt hatten, weiter unseren Geschäften nachgehen.“
Ein Comeback
Schwieriger war es hingegen, als ein neuer Werkstoff den Markt eroberte: Plastik. Viele andere Emaille-Hersteller verlegten ihre Produktion in Billiglohnländer und verkleinerten das Sortiment. „Das wurde auch uns empfohlen. Wir haben aber das genaue Gegenteil gemacht.“ Mit Werbung und zahlreichen Mitarbeitern im Verkauf, habe man aber auch diese Zeit überstanden. „Und in den letzten zehn bis zwölf Jahren hat uns das wirklich Glück gebracht.“ Es gebe immer mehr Menschen, vor allem junge, die nicht mehr nur billig einkaufen wollen. Auf Herkunft und Langlebigkeit werde immer öfter geachtet. Wirtschaftlich gesehen sei es aber nicht immer einfach, ein Produkt herzustellen, das so selten ersetzt werden muss. „Statt sprichwörtlich immer Porzellan zu zerschlagen, würde es mich freuen, wenn die Leute das einmal mit Emaille versuchen würden“, scherzt der Unternehmer.
Wie weitere 100 Jahre für „Riess“ aussehen könnten, traut sich Friedrich Riess nicht vorauszusagen. Man wolle an bewährten Strategien festhalten und neue Produkte etablieren, große Entscheidungen wolle man aber nur langfristig denken. Genaueres müsse die zehnte Generation der Familie entscheiden. „Die steht nämlich schon vor der Tür“, so Riess.
Kommentare