Vom Unternehmer zum Häftling

Vom Balkon seiner ehemaligen Villa aus zeigt Stieger, wo seiner Meinung nach eine Zufahrt verlaufen sein soll: „Einen anderen Zugang gab es beim Bau noch gar nicht“.
Ehemaliger Höchstrichter sieht im Fall eines Behördenschrecks Fehlleistungen der Justiz.

Hat sich Franz Stieger verrannt und sein Schicksal alleine verursacht? Oder ist er tatsächlich Opfer einer fortgesetzten Intrige, wie der 56-Jährige seit Jahren vergeblich zu beweisen versucht? Derzeit sitzt der ehemals vermögende Geschäftsmann im Gefängnis, steht wirtschaftlich vor dem Nichts, nachdem er sich über viele Jahre offensiv – und oft untergriffig – mit Politik, Verwaltung und Justiz angelegt hat.

Viele wundert nicht, dass er nun "ruhiggestellt" wird. Andere meinen, dass der eigentliche Auslöser für dieses mittlerweile verkorkste Leben in einer Fehlleistung der Justiz liegt. Zu ihnen gehört niemand Geringerer als Johann Rzeszud, ehemaliger Präsident des Obersten Gerichtshofes (OGH).

Hoffen auf Klage

"Niemand klagt mich wegen meiner Beschuldigungen, damit ich nicht die Gelegenheit bekomme, sie zu beweisen. Sie wollen mich fertig machen. Ich bekomme noch im Gefängnis Dutzende Verwaltungsstrafen. Gleichzeitig hat man die Zeit genutzt, um meine Möbel aus dem Haus zu schaffen", klagt Stieger, der auch auf YouTube um sich schlägt und sich in immer neuen Konflikten als Opfer sieht.

Der jüngste betrifft eine Jahrhundertwende-Villa in der Wachau in Toplage: Nach deren Kauf versuchte er, die angeblich erst wenige Jahre davor "verschwundene" Zufahrt zu erstreiten und scheiterte. "Mir ist nur noch ein Zugang geblieben, der an der schmalsten Stelle kaum 50 Zentimeter misst." Nachdem die Villa gerichtlich versteigert wurde, sollte er die Möbel entfernen. "Die passen ja überhaupt nicht durch den Zugang. Wie hätte ich das machen sollen?", fragt Stieger.

Kürzlich habe trotzdem jemand geräumt: "Lastwagen sind dazu auf genau dem Weg zugefahren, den man mir verweigert hat", beklagt Stieger.

Blick zurück: Vor gut 15 Jahren gab ein "Ur-Konflikt" Stiegers Leben eine Wende. Damals hatte er ein Grundstück gekauft. Bei dem stellte sich erst im Nachhinein heraus, dass ein Teil davon an die Gemeinde abgetreten worden sei. Was zum Kaufzeitpunkt nicht im Grundbuch ersichtlich war. So erhielt er weniger Fläche, als er bezahlt hatte. Einen Prozess verlor Stieger. Auch, weil mehrere Aktenordner im Gemeindeamt fehlten.

Stalking

Darauf startete Stieger eine Plakatkampagne, beschuldigte Bürgermeister und Richter des Betruges. Dass er diese Vorwürfe nahe dem Arbeitsplatz und dem Wohnort der Betreffenden ohne Genehmigung plakatierte, brachte ihm einerseits die aktuelle Haftstrafe wegen Stalkings und andererseits Hunderte Verwaltungsstrafen ein.

Spitzenjurist Rzeszud hat die Aktenlage zum Grundkauf studiert und kommt zum Schluss, dass Behörden in dem Verfahren auf wichtige Aspekte und plausible Argumente Stiegers überhaupt nicht eingegangen seien. Rzeszud: "Weder seine entsprechenden Beweggründe noch seine – erfolglose – Geltendmachung von Befangenheitsgründen oder die ins Treffen geführten strafrechtlich relevanten Verdachtsgründe entbehrten einer überprüfungswürdigen Plausibilität." Die Dienstaufsichtsbehörde sei dem in keiner Weise gerecht geworden. So, meint der ehemalige OGH-Richter, könne die "serienweise Nichtbeachtung seiner Tatsachenargumente" Stieger dazu gebracht haben, die vernunftgeleitete Selbstkontrolle zu verlieren. Was ihn hinter Gitter brachte.

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