Unterricht für autistische Kinder: Elsas K(r)ampf mit der Schule

Unterricht für autistische Kinder: Elsas K(r)ampf mit der Schule
Seit der Einschulung ihrer zehnjährigen Tochter im Herbst 2018 ringen die Eltern mit der Schulbehörde um ein passendes Bildungsangebot

Elsa ist gerade einmal zehn Jahre alt. Doch ihre Schullaufbahn ist mit Stolpersteinen gepflastert. Aufgeben will sie aber nicht. Auch ihre Eltern kämpfen weiter um das Recht auf eine adäquate Ausbildung ihrer Tochter. Aber der Reihe nach.

Elsa wird in der Volksschule Föhrenwald in Wiener Neustadt eingeschult, im Herbst 2018. Erst passt alles, aber von Woche zu Woche entstehen Probleme, die für das Mädchen größer und größer werden. Elsa verweigert den Schulbesuch, hat psychosomatische Probleme. Diagnose: Selektiver Mutismus (Unfähigkeit, in spezifischen Situationen mit bestimmten Personen außerhalb der Familie zu reden).

Frühjahr 2019: Elsa wechselt an eine Montessori-Schule. Ohne Erfolg. Sie findet keinen Zugang zu den Lehrerinnen, es ist ihr zu laut, zu viel, zu unbekannt.

Im Oktober kehrt sie an die VS Föhrenwald zurück. Zu einer Lehrerin, der sie vertraut, die beste Freundin ist in der Klasse, es gibt Rückzugsmöglichkeiten. Die Eltern sind tagtäglich in der Schule, das gibt Sicherheit.

Im Dezember heißt es plötzlich: Elsa muss es alleine in die Schule schaffen, ohne Eltern. Und das sofort nach den Ferien. Um ihrer Tochter diesen Stress zu ersparen, melden die Eltern das Mädchen ab 2020 zum häuslichen Unterricht an. Gleichzeitig der Verdacht: Autismus. Später, im September, die Diagnose: Asperger-Autismus. Empfehlung: Beschulung in Kleingruppen mit geschulten Pädagoginnen. Diese Info geht an die Schulbehörde, trotzdem passiert bis Mai – nichts.

Nach langem Ringen um die Externistenprüfung, unpassenden Schulvorschlägen der Bildungsdirektion, ewigem Zuwarten und abgelehnten Terminen endlich am vorletzten Schultag im Juni 2021 die Zusage: Ab Herbst Aufnahme in die Rudolf Wehrl Volksschule – in eine Klasse mit einer Stützkraft für Elsa.

Neustart

Neustart im Herbst 2021: Die Mutter hat sich karenzieren lassen, um Elsas Wiedereinstieg in die Schule bestmöglich begleiten zu können. Es funktioniert, Elsa geht zur Schule.

Bis die Bildungsdirektion der Mutter verbietet, die Schule zu betreten. Vorschlag der Behörde: Elsa solle vor (!) der Schule Vertrauen zur Lehrerin aufbauen, um es dann alleine in die Schule zu schaffen. Nach ein paar Tagen merken die Eltern: „Diese absurde Situation verschlimmert alles. Unserer Tochter ging es von Tag zu Tag schlechter, sie hatte jeden Tag vor der Schule einen Anfall.“

Auf ein Schreiben der Eltern reagiert die Diversitätsmanagerin im Fachbereich für Inklusion, Diversität und Sonderpädagogik: „Das Verweilen schulfremder Personen ist in der Schule verboten und es kann keiner Ausnahmeregelung stattgegeben werden.“ Vielmehr müsse der Abnabelungsprozess geübt werden, der Familie wird eine Therapie empfohlen, die Hilfe der Eltern „auch außerschulisch“ wird eingefordert.

Erst Wochen später gibt es einen Termin. Dann dürfen die Eltern mit Elsa in die Schule – zu spät, sagt die Mutter: „Elsa hatte all ihr Vertrauen verloren, konnte sich nicht mehr auf diese Schule einlassen.“ Seither wird Elsa zu Hause unterrichtet, die Eltern kämpfen – wieder – um ein passendes Bildungsangebot ab Herbst. „Kleingruppe und entsprechend geschulte Pädagogen werden von den Expertinnen empfohlen, aber für unsere Tochter gibt es das in Niederösterreich nicht. Dabei bestätigen uns Schulpsychologie und Autisten-Hilfe, dass es einen immer größer werdenden Bedarf gibt.“

Auch in der Waldschule – aus Sicht der Eltern eine ideale Variante – scheint kein Platz für Elsa zu sein. Dort dürfen nur Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf und Körperbehinderung hin, sagt die Bildungsdirektion und schreibt weiter: „Der wachsende Bedarf im Bereich Autismus-Spektrum wird von den zuständigen Abteilungsleitungen in Zusammenarbeit mit Schulqualitätsmanagern und Diversitätsmanagern geplant und es werden gezielte Angebote geschaffen.“ Außerdem habe die Familie erst kürzlich den „Fahrplan“ für den Schulbesuch der Tochter ab September 2022 besprochen.

Tatsächlich fehlt den Eltern dieser Plan, wie es im Herbst weiter geht, wenn Elsas Mutter wieder zur Arbeit muss: „Die einzige Möglichkeit scheint derzeit die ASO Wiener Neustadt, wo es aber keine Möglichkeiten gibt, auf ihre autismusspezifischen Bedürfnisse einzugehen.“

Eine Diskriminierung

Anwalt Hansjörg Hofer hat sich den Fall Elsa angeschaut. Sein Eindruck: „Der Sachverhalt stellt eine mögliche Diskriminierung im Sinne des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes dar, da Zugang und Benützung von öffentlich angebotenen Dienstleistungen – wie sie eine Schulausbildung darstellt – offensichtlich aufgrund der Behinderung des Kindes eingeschränkt wird.“ Hofer hat Bildungsminister Martin Polaschek ersucht, Elsa „endlich eine adäquate Bildungsmöglichkeit, im Rahmen ihrer Bedürfnisse und Fähigkeiten, zu ermöglichen“.

Kommentare