"Starthilfe für Menschen geben, die nicht untätig sein wollen"
„Hier wächst viel mehr als nur Gemüse“, sagt Delshad Bazari und schaut lächelnd auf die Beete in Sichtweite des Traiskirchner Flüchtlingslagers. „Und das hier war auch mein Startpunkt, eine Neugeburt.“ Im Oktober 2014 kam der Syrer nach Österreich, 2015 wurde er in der „Flüchtlingskrise“ selbst zum Helfer, als Übersetzer am Wiener Hauptbahnhof und dann als Koch im Flüchtlingslager. „500 Portionen Essen haben wir da täglich zubereitet“, erinnert er sich.
Und dann gab es da den eben entstehenden Garten der Begegnung. Das wurde für Bazari zum ganz persönlichen „Wir schaffen das“-Erlebnis. „Ein Weingarten, nicht gerade ideal für Gemüseanbau“, meint er rückblickend. Mit viel Engagement und gutem Willen brachte man den Garten und damit ein einzigartiges Projekt zum Blühen. Nun feierte es den fünften Geburtstag.
"Manche warten zehn Jahre auf ihren Asylbscheid"
Einige Freiwillige hoben das „öko-soziale Integrationsprojekt“ mithilfe von Stadtchef Andreas Babler 2016 aus der Taufe (siehe unten). Oberflächlich gesehen wird hier Obst und Gemüse angebaut, verarbeitet und verkauft. Doch das Garteln ist für die hier beschäftigten Menschen aus aller Welt viel mehr. „Manche warten zehn Jahre auf ihren Asylbescheid, dieses Warten ohne Beschäftigung – das hält kein Mensch aus“, sagt Nikolai Ritter, Obmann des Garten-Vereins. Und so will man hier „eine Starthilfe für Menschen geben, die nicht untätig sein wollen“.
Kontaktpunkt
Wie der Name schon sagt, geht es neben dem Garten um die Begegnung. Und zwar um die zwischen Fremden und Einheimischen. Jeder ist eingeladen. „Der Garten ist im Stundenplan der Kindergärten und Schulklassen der Stadt fix verankert und auch die Bewohner aus dem Pflegezentrum sind hier immer wieder auf Besuch“, sagt Bürgermeister Babler.
Eine schmackhafte Gelegenheit zu Treffen bietet das allwöchentliche orientalische Frühstück. Um das sich Rouken Asulimman, die Frau von Delshad Bazari, federführend kümmert. „Wenn man im Laden nur Gemüse abholt, bleibt nicht viel Zeit zum Quatschen, beim Frühstück aber bleiben die Leute stundenlang“, sagt er. Seit 2018 ist Bazari Unternehmer, beschäftigt als Tischler drei Angestellte, aber vom Garten möchte die Familie nicht lassen. „Ich freue mich, wenn ich die Solidarität und Hilfsbereitschaft, die ich erfahren habe, an andere weitergeben kann. Das ist ein schönes Gefühl“, sagt er.
Einer, der es noch nicht geschafft hat, ist Gholam. Seit fünf Jahren ist der 23-jährige Afghane in Österreich, davor lebte er schon 13 Jahre als Flüchtling im Iran. „Ich habe von diesem Projekt gehört, seit drei Jahren bin ich nun jede Woche hier. Ich finde es toll, dass man hierher kommen und miteinander reden kann.“ Er hat einen negativen Asylbescheid bekommen, hofft jetzt auf eine positive Antwort in zweiter Instanz.
Während er darauf wartet, geben ihm die drei Tage wöchentlich, die er im Garten mitarbeitet, Halt, Ruhe und eine Beschäftigung. Wie schon vielen anderen, die hier versuchen, Wurzeln zu schlagen. „Wenn der Garten nicht wäre, hätte ich mich schon aufgegeben“, sagt ein anderer junger Afghane.
Infos unter www.gartenderbegegnung.com
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