Causa Gemeindewohnungen: Verkauf in Wiener Neustadt droht zu platzen

Ein Gemeindewohnhaus in Wiener Neustadt
80 Millionen Euro Schulden: ÖVP sucht nach Lösung für schwer defizitäre Wohnungen. SPÖ, FPÖ und die Grünen lehnen den Verkauf ab.

Das Thema könnte zur finanziellen Schicksalsfrage für die Stadt Wiener Neustadt werden - die mögliche Lösung zur Zerreißprobe für die "bunte Stadtregierung"

Mit insgesamt rund 80 Millionen Euro Schulden sind die rund 2.200 Gemeindewohnungen eine enorme Belastung für das Wiener Neustädter Stadtbudget. Hinzu kommt dringender Sanierungsbedarf. Die teils maroden Bauten sind zum Fass ohne Boden geworden. Vier Millionen Euro beträgt das jährliche Minus. Weshalb die Stadtregierung mit einer speziell eingesetzten Arbeitsgruppe seit Monaten an einer Lösung des Problems arbeitet.

Koalitionspartner sagt "Nein"

Diese sieht den Verkauf zumindest eines Teils der Wohnungen vor. Doch nicht nur Wiener Neustadts Grüne lehnen dies ab und haben bereits angekündigt, im Gemeinderat gegen ein solches Vorhaben stimmen zu wollen. Auch SPÖ-Vizebürgermeister Rainer Spenger und FPÖ-Chef Philipp Gerstenmayer bezogen am Montag klar gegen den Verkauf Stellung. "Die aktuelle Lage ist nicht berauschend, die Bausubstanz und damit die Wohnbedingungen sind teilweise sehr schlecht, der Leerstand ist mit über 500 extrem hoch. Anstehende Investitionskosten von bis zu 250 Millionen Euro können aus eigenem nicht gestemmt werden", räumte Spenger ein. 

"Keine gute Zeit für Verkauf"

Die SPÖ habe aber Maßnahmen entwickelt, die man als "zukunftsträchtig" einstufe. "Leider konnten wir uns in den Verhandlungen nicht durchsetzen", so Spenger. "Was schade, aber demokratiepolitisch zu akzeptieren ist. Aus diesem Grund – und weil wir glauben, dass derzeit keine gute Zeit ist, Immobilien zu veräußern – werden wir morgen gegen einen großflächigen Verkauf stimmen.“ Sowohl in der Immobilien-Tochterfirma der Stadt, IFP, als auch im Gemeinderat.

Als Alternative haben die Sozialdemokraten - mithilfe von Experten - einen "5-Punkte-Plan" erstellt. Dieser umfasst die "Optimierung des Portfolios durch Verkauf einzelner, kleiner, leerstehender und defacto unsanierbarer Häuser" und die Vergabe der restlichen Objekte im Baurecht an gemeinnützige Bauträger. "Dadurch bleiben die Wohnungen auch in Zukunft im Besitz der Stadt", betont Spenger.

"Kredit umschulden oder strecken"

Man fordere die "sofortige Aufnahme von Verhandlungen mit den Banken mit dem Ziel, den für die Gemeindewohnungen endfälligen Kredit - es geht um 53 Millionen Euro im Jahr 2034 - umzuschulden bzw. zu strecken".

Mann vor einem SPÖ-Transparent

Wiener Neustadts SPÖ-Vizebürgermeister Rainer Spenger.

Außerdem soll die PlusCard der Stadt evaluiert werden, um bei den gestiegenen Wohnkosten zu helfen. Etwa durch eine Erhöhung des Heizkostenzuschusses.

Und die SPÖ will eine Verdoppelung jener acht Wohnungen, die für Notfälle an Sozialbedürftige vergeben und vom Sozialservice der Stadt bezahlt werden.

Auch die FPÖ kündigte am Montag an, gegen den Antrag im Gemeinderat zu stimmen. "Bei dem Verkauf, wie er am Tisch liegt, stimmen wir sicher nicht mit", so Gerstenmayer. Er sieht es ähnlich wie die SPÖ und will Lösungen finden, bei der nur einzelne Objekte mit hohen Leerstandsraten veräußert werden.

Finanz-Stadtrat Philipp Gruber (ÖVP) stellt klar: "Die Frage der Zukunft des sozialen, kommunalen Wohnbaus ist für die Stadt Wiener Neustadt eine ganz essenzielle." Die ÖVP bekenne sich "klar und deutlich zu unserer sozialen Verantwortung und damit verbunden zu einer sicheren Zukunft des kommunalen Wohnbaus", diese sei allerdings nur gewährleistet, wenn jetzt "die richtigen Schritte im Sinne der gesamten Stadt gesetzt werden."

"Intensive Gespräche in der Koalition"

Das im letzten Jahr mit externen Experten erarbeitete Konzept liege nun am Tisch und sei eine Möglichkeit, "die Sozialwohnungen in der Stadt nachhaltig abzusichern und die Möglichkeit zu schaffen, in unsere Wohnungen zu investieren", so Gruber. "Wir laden alle verantwortungsbewussten Kräfte der anderen Fraktionen ein, diesen Weg im Sinne der Bürgerinnen und Bürger mit uns zu gehen." Das lehnen SPÖ, FPÖ und Grüne allerdings ab. Der Beschluss am Dienstag droht damit zu scheitern. 

Dazu, ob eine Ablehnung des Vorhabens durch die SPÖ und die FPÖ die Koalition gefährde, wollte sich Gruber auf KURIER-Nachfrage nicht äußern. Bürgermeister Klaus Schneeberger (ÖVP) werde bis zur Gemeinderatssitzung morgen, Dienstag, weitere, intensive Gespräche in der bunten Stadtregierung führen, betonte er. "Es geht um viel - vor allem aber um eine nachhaltige, sichere Zukunft des leistbaren Wohnraums für die Menschen in unserer Stadt."

"Sozialwohnungen gesichert"

Und Gruber stellt klar: "Zu keinem Zeitpunkt war und ist ein Totalverkauf des kommunalen Wohnungsbestandes angedacht." Und auch die Punkte "Sozialwohnungen" und "Evaluierung von Unterstützungen im Rahmen der PlusCard", wie von der SPÖ gefordert, stünden ebenfalls außer Streit: "Hier gibt es ganz klare Zusagen, dass diese Punkte Teil einer gesicherten, sozialen Zukunft des kommunalen Wohnens in der Stadt sein werden."

Für Gerstenmayer und die FPÖ ist ein "Nein" zum Verkauf der Gemeindewohnungen kein Koalitionsbruch. Es wird sich am Dienstag zeigen, wie die ÖVP das sieht.

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