Was im Bund oder auf Landesebene undenkbar wäre, ist in Wiener Neustadt aktuell eine heiß gehandelte Aktie, wissen gut informierte Insider. Angefeuert werden die Spekulationen durch Treffen von SPÖ-Chef und Landtagsabgeordneten Rainer Spenger mit Vertretern der Freiheitlichen.
Münzt man das Wahlergebnis vom 29. September in der 50.000-Einwohner-Stadt ungefähr auf die kommende Gemeinderatswahl am 26. Jänner um, wäre theoretisch erstmals in der Geschichte ein FPÖ-Bürgermeister möglich – und das mit Unterstützung der SPÖ. Die FPÖ kam bei der Nationalratswahl in der Stadt mit einem Plus von 10,35 Prozent auf 30,80 Prozent, die SPÖ rangiert mit einem winzigen Minus und 24,84 Prozent knapp vor der ÖVP mit 22,14 Prozent (minus 9,57).
Bei der Gemeinderatswahl 2020 hatte die ÖVP mit 45,01 % die klare Mehrheit vor der SPÖ (26,15 %) und der FPÖ (14,10 %).
ÖVP-Bürgermeister Klaus Schneeberger (74) wird bei der Wahl im Jänner noch einmal als Bürgermeister-Kandidat für die Volkspartei ins Rennen gehen. Nachdem die SPÖ in Wiener Neustadt 70 Jahre lang den Bürgermeister gestellt hatte, setzte Schneeberger dieser Ära im Jahr 2015 ein Ende, nachdem erstmals die SPÖ-Absolute durchbrochen wurde.
FPÖ stellt Bürgermeister-Anspruch
Am 26. Jänner 2025 könnte sich Spenger für diese Schmach revanchieren, mutmaßen Beobachter. Nämlich dann, wenn er für die Rolle des Vizebürgermeisters eventuell zum Königsmacher für die FPÖ und Generalsekretär Michael Schnedlitz wird. "Wenn wir bei der Gemeinderatswahl die stärkste Kraft sind, werden wir sicherlich den Bürgermeister-Anspruch stellen. Alles andere wäre ja absurd“, meint Schnedlitz, der allerdings die Erwartungen deutlich bremst.
"Im bürgerlichen Milieu gefischt
Man müsse realistisch bleiben, so Schnedlitz. Die Nationalratswahl könne nicht mit einer Gemeinderatswahl verglichen werden. Auch wenn man bei der Bundeswahl im "bürgerlichen Milieu“ deutlich im Becken der ÖVP gefischt und dazu gewonnen habe, weiß Schnedlitz um den "Schneeberger"-Effekt in Wiener Neustadt.
Seine regionale Stärke dürfe nie unterschätzt werden, so die FPÖ. Außerdem erzielte die ÖVP 2020 mit 45 Prozent einen beachtlichen Erdrutschsieg.
"Tausche mich mit allen Fraktionen aus"
Angesprochen auf Treffen mit der FPÖ und eine mögliche Koalition mit den Blauen, reagiert Rainer Spenger so: "Ich tausche mich in der Stadt permanent mit allen Fraktionen aus, auch mit der FPÖ. Mir ist das Miteinander wichtig.“
Ein Kaffeetratsch solle nicht gleich zu Koalitionsgesprächen "hochstilisiert“ werden, meint der SPÖ-Chef. "Wir wollen und werden bei der Wahl stärker werden. Danach wird es – wie immer – Parteiengespräche zur Bildung einer Stadtregierung geben“. Gerüchten wolle Spenger nicht zu viel Bedeutung beimessen.
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