Seit 60 Jahren an vorderster Front: Eliteeinheit Jagdkommando
Acht Kilometer Eilmarsch in einer Stunde – mit 20 Kilogramm Gepäck. Insgesamt 170 Kilometer in vier Tagen. 300 Meter schwimmen – bekleidet. 30 Meter Seilklettern. Das sind nur einige der Grundvoraussetzungen, die ein Soldat mitbringen muss, um überhaupt daran denken zu können, Mitglied des Jagdkommandos zu werden. Im Trainingsleitfaden für Anwärter wird empfohlen, mehr als 400 Liegestütze pro Woche zu absolvieren.
Denn aufgenommen wird nur, wer „überdurchschnittliche körperliche und geistige Belastbarkeit“ aufweist, wie es Kommandant Philipp Ségur-Cabanac formuliert. Nur durchschnittlich 15 Prozent der Bewerber schaffen die zwei Jahre dauernde Ausbildung und erhalten am Ende das begehrte Abzeichen.
Ob im Kosovo, in Libyen, im Tschad oder in Afghanistan. Immer dann, wenn höchste militärische Leistungsfähigkeit gefragt war, kamen sie zum Einsatz: Die Elitesoldaten des Jagdkommandos, das heuer sein 60-jähriges Bestehen feiert. Sie sind die Speerspitze des Österreichischen Bundesheeres.
Psychische Belastung
Die Kandidaten müssen sich nicht nur einem beinharten Aufnahmetest unterziehen, der alleine drei Wochen dauert und sie an ihre körperlichen Grenzen führt. Die verschiedenen Spezialausbildungen bereiten sie auch auf extreme psychische Belastungen im Einsatz vor: Geiselbefreiungen, Einsätze in internationalen Krisenherden.
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Jagdkommando-Soldaten sorgen aber auch für hochsensible und geheime Aufklärungsmissionen hinter feindlichen Linien und bilden Einheiten befreundeter Armeen aus. Sie springen mit Fallschirmen in bis zu 10.000 Metern Höhe aus Flugzeugen, setzen ihre Mission unter Wasser im Taucheranzug fort, um schließlich an Land zum Einsatzort zu gelangen – und im Idealfall unerkannt nach erfolgreicher Mission wieder abzuziehen.
Das Jagdkommando ist heute der einsatzerfahrenste Verband des Bundesheeres. Die Ausrüstung der Elitekämpfer hat sich seit 1963 stark verändert. Man verfügt über durchschlagskräftigste Waffen und Spezialfahrzeuge, aber auch über modernste Kommunikationstechnologie.
Gefährliche Einsätze
Enorm weiterentwickelt hat sich der medizinische Sektor. Hochqualifizierte Sanitätsspezialisten versorgen im Einsatz verletzte Teammitglieder und andere Verwundete, führen lebenserhaltende Sofortmaßnahmen weit entfernt von der Einsatzbasis durch. Auch Ärzte gehören zum aktiven Kader. Sie verfügen über hochmoderne Ausrüstung. So sind etwa sogar chirurgische Eingriffe unterstützt durch Videotelefonie möglich.
Jagdkommando-Soldaten kommen zum Einsatz, wenn es darum geht, Österreicher aus gefährlichen Gegenden der Welt zu evakuieren. Im Jahr 2011 etwa während des „Arabischen Frühlings“ aus Libyen und Ägypten, fünf Jahre später aus der Türkei, als dort nach einem Putschversuch die Lage eskalierte. Oder jüngst nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine, als die Belegschaft der österreichischen Botschaft in Kiew in Sicherheit gebracht wurde. Aber auch die Rückholung von Touristen am Beginn des ersten Corona-Lockdowns übernahmen die Elitekämpfer aus Wiener Neustadt.
Mit der personellen Ausstattung seiner Einheit ist Kommandant Ségur-Cabanac durchaus zufrieden. Auch in Sachen Ausrüstung sei man in vergangenen Jahren gut versorgt worden.
Sorgen um Nachwuchs
Neu orientieren müsse sich das Jagdkommando im Rahmen der strategischen Neuausrichtung des Bundesheeres. „In den letzten Jahrzehnten waren wir hauptsächlich im Ausland im Einsatz. Jetzt wird verstärkt auf die militärische Landesverteidigung im Inland Wert gelegt. Hier geht es auch um bestmögliche Zusammenarbeit mit zivilen Einheiten“, erklärt er. Auch neue Herausforderungen wie der Einsatz von Drohnen sowie deren Abwehr seien zu bewältigen – und erfordern entsprechende Ausstattung.
Sorgen bereitet Ségur-Cabanac ein sich abzeichnender Nachwuchsmangel. Weniger Bewegung und zunehmende Beschäftigung mit Handy und Computer haben zu geringerer körperlicher Leistungsfähigkeit vieler Jugendlicher geführt. „Aktuell haben wir auch geburtenschwächere Jahrgänge“, sagt er.
Deshalb wirbt man um Anwärter. Auch um weibliche. Denn: „Wenn das Jagdkommando auch eine Männerdomäne ist, sind wir immer auf der Suche nach motivierten Frauen, die unseren Verband verstärken.“
Aktuell gibt es keine Soldatin in der Truppe.
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