Schärferes Waffengesetz hätte Alois Huber nicht aufgehalten
250 Langwaffen hatte der Vierfachmörder Alois Huber in seinem unterirdischen Bunker in Großpriel gehortet. In Österreichs Haushalten liegen vermutlich noch mehr als eine Million weiterer funktionsfähiger Gewehre und Karabiner. Mit einem zentralen Melderegister will das Innenministerium jetzt erfahren, wer die Waffenbesitzer sind. Das soll bei Polizeieinsätzen mehr Sicherheit bringen, die Anmeldungen laufen aber sehr schleppend.
Vorweg: Experten sind sich einig, dass mit einer Verschärfungen des Waffengesetzes oder der Registrierungspflicht die Tragödie von Annaberg nicht hätte verhindert werden können. Die überwiegende Zahl der Waffen Hubers stammt aus Einbrüchen. Niemand kannte das illegale Depot. Bei diesen Gewehren handelt es sich zwar um frei erwerbbare Jagdwaffen, für die man keine behördliche Genehmigung benötigt. Aber selbst für den Fall, dass Huber diese Waffen legal erworben hätte, wäre er mit dem Gesetz in Konflikt gekommen. Denn ab einer Zahl von 20 Langwaffen gilt das als „Ansammlung von Kampfmitteln“. So hat ein Burgenländer für die Ansammlung von 43 Gewehren und 12.000 Gewehrpatronen ein halbes Jahr Freiheitsstrafe ausgefasst.
Millionen Gewehre
Die Zahl der Waffen in Österreich ist enorm. Das Innenministerium schätzt den Bestand auf eine Million. Georg Zakrajsek, Generalsekretär der Waffenlobby IWÖ, spricht von fünf Millionen. Wie viele Waffenbesitzer es tatsächlich gibt, ist aber unbekannt.
Nach einer Initiative der EU muss seit dem 1. Oktober 2012 nun auch der Kauf einer Langwaffe der Behörde gemeldet werden. Für die Meldung der Altbestände haben die Waffenbesitzer bis zum 30. Juni 2014 Zeit. Alle Waffen sollen elektronisch in einem zentralen Waffenregister gespeichert werden.
Zurückhaltung
Die Meldefreudigkeit hält sich derzeit mehr als in Grenzen. Seit Inkrafttreten des Gesetzes wurden aus den Altbeständen nur 30.000 Exemplare deklariert. Die Gründe für die Zurückhaltung sind mannigfaltig. So befürchtet die IWÖ, dass die Registrierung nur die Vorbereitung für eine Waffensteuer sei. Karl-Heinz Grundböck vom Innenministerium hält dem entgegen, dass hier sehr wohl der Sicherheitsaspekt im Vordergrund stehe.
Denn bei Einsätzen wissen die Beamten schon vorher, ob und welche Waffen sich in der Wohnung oder im Haus befinden. Grundböck: „Dieses Wissen erleichtert es, die entsprechende Einsatztaktik zu wählen, und ist damit ein wichtiger Beitrag für die Sicherheit der Beamten.“
Im Polizeicomputer finden sich natürlich nur die legalen Waffen. Wer aber jetzt seine Gewehre nicht meldet, riskiert schwere Konsequenzen. Die angedrohte Strafe bei Verstößen von 360 Euro ist zwar für die meisten noch zu verschmerzen. Aber die Behörde kann bei extremeren Verstößen auch ein Waffenverbot verhängen und sogar die Führerscheintauglichkeit untersuchen lassen.
Mit Tränen in den Augen trauerten sie um ihre Kollegen und Freunde. Vertreter des Roten Kreuzes, Polizei und der Cobra hatten sich am Freitag in und vor der Pfarrkirche in Annaberg, NÖ, versammelt, um der Opfer des Amoklaufs zu gedenken. Noch immer sitzt der Schock über die unfassbaren Ereignisse tief.
„Der Trauergottesdienst hat alle sehr berührt“, berichtete Annabergs Bürgermeister Petra Zeh. Landespolizeidirektor Franz Prucher zeigte sich „beeindruckt über den Zusammenhalt in den Einsatzorganisationen“.
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Landeshauptmann Erwin Pröll waren ebenfalls in die 500-Seelen-Gemeinde gekommen, um den Betroffenen ihr Mitgefühl auszudrücken. Nach der Messe trafen sich die Mitglieder der Einsatzorganisationen in einem Zelt und tranken Tee, der gegen den Eiswind helfen sollte. Gesprochen wurde dabei nicht viel. Den meisten fällt es noch immer schwer, Worte für diese Tat zu finden.
Mikl-Leitner sieht die brutale und schwer fassbare Tat des Vierfachmörders Alois Huber als „schwärzesten Tag in der bisherigen Geschichte der Blaulichtorganisationen.“ In diesen schweren Stunden seien ihre Gedanken bei den Hinterbliebenen aller Opfer. „Wir müssen innehalten und den Familien beistehen“, sagte Mikl-Leitner. Gleichzeitig zollte sie allen Einsatzkräften Respekt und wies Kritik an der Polizeiarbeit zurück. „Die selbst ernannten Experten, die versuchen, der Polizei die Schuld an allem zu geben, sind unerträglich und pietätlos“, konterte Mikl-Leitner. Die Polizisten hätten professionell gearbeitet. „Der Täter ging mit höchster Brutalität vor. Das Drama wäre nicht zu verhindern gewesen“, erklärte die Innenministerin. Jetzt sei es notwendig, die Ermittlungsarbeiten mit Qualität anstatt mit Tempo zu erledigen.
Um den Hinterbliebenen nach dieser Wahnsinnstat zu helfen, haben der KURIER und das Kuratorium Sicheres Österreich (KSÖ) eine Spendenaktion gestartet. Die Aktion hat bereits breites Echo hervorgerufen, viele Menschen haben ihr Unterstützung zugesagt.
Die Spendengelder werden unter notarieller Kontrolle verwaltet und in enger Abstimmung mit dem KSÖ und Rotem Kreuz vergeben. Einen ersten Beitrag wollen die Polizeigewerkschafter Hannes Luef und Martin Noschiel bereits Montag übergeben. Sie haben nämlich die Erfahrung gemacht, dass Banken bei Todesfällen die Konten sperren und die Angehörigen vorübergehend ohne Geld dastehen. Sie haben unter Kollegen eine Überbrückungshilfe für die nächsten Tage gesammelt.
Die Nacht auf den 17. September 2013 wird Michael Hirsch vermutlich sein Leben lang nicht vergessen. Kurz vor ein Uhr Früh wurden Hirsch und seine Kollegen wegen einer „Schussverletzung in Annaberg“ alarmiert. Was der 32-Jährige noch nicht wusste: Zu diesem Zeitpunkt kämpfte ein Cobra-Beamter um sein Leben, ein Sanitäter war bereits tot. „Erst bei der Hinfahrt haben wir erfahren, dass auch ein Kollege involviert ist“, berichtet Hirsch.
Angst habe er in dieser Situation aber nicht verspürt, erzählt der Retter im Gespräch mit dem KURIER. Der Einsatz selbst habe insgesamt nur drei Minuten gedauert. „Wir haben den Polizisten unter ständiger Reanimation ins Spital gebracht“, erzählt. Doch für den Beamten kam jede Hilfe zu spät.
Hirsch, der seit 13 Jahren bei der Rettung ist, wurde das ganze Ausmaß dieses Einsatzes erst so richtig in den vergangenen Tagen bewusst. „Ich bin froh, dass ich heil nach Hause gekommen bin“, sagt der Notarztwagenfahrer. Und auch er trauert um Kollegen Johann Dorfwirth, der von dem Wilderer erschossen wurde. „Er war ein echtes Urgestein.“
Obwohl die Staatsanwaltschaft St. Pölten kein Verfahren mehr einleiten kann, weil sich der Wilderer umgebracht hat, wird in der Causa des Vierfachmörders Alois Huber akribisch ermittelt. Der Fall hat Kriminalgeschichte geschrieben und wird auch so behandelt. Priorität hat die Aufarbeitung des Tatablaufs sowie die Klärung weiterer möglicher Straftaten des 55-Jährigen, beispielsweise Einbruchsdiebstähle und Brandstiftungen.
Neue Erkenntnisse haben die am Donnerstag stattgefundenen Obduktionen der vier Mordopfer gebracht. Der 38-jährige Cobra-Beamte Roman B. wurde im Zuge des ersten Schusswechsels durch einen Treffer in die Brust getötet. Der erfahrene Beamte, der intern als Vorzeige-Mann der Spezialeinheit galt, hatte beim Einsatz keine Schutzweste an. Wieso das passieren konnte, ist nun Gegenstand von internen Untersuchungen.
Roman B. und ein Kollege hatten den Täter nach dem Durchbrechen der Straßensperre mit ihrem Fahrzeug verfolgt, als der Wilderer plötzlich stehen blieb und mehr als ein Dutzend Schüsse auf sie abgab. Dabei wurde der 38-Jährige von einem Projektil getroffen.
Der Todesschütze hatte sich danach verschanzt. Er gab aus dem Schutz der Dunkelheit immer wieder Schüsse in Richtung der Beamten ab. Die Projektile schlugen in den Einsatzfahrzeugen und den daneben liegenden Häusern ein. Aus seinem Versteck konnte der Wilderer das Eintreffen des Rot-Kreuz-Wagens mit Fahrer Johann Dorfwirth, 70, und zwei Polizeibeamten am Beifahrersitz beobachteten. Dorfwirth wurde – laut Obduktionsergebnis – durch einen Schuss in den Hals knapp unterhalb des Kopfes getötet. Der Treffer aus einem Jagdgewehr (vermutlich mit Nachtsicht-Optik) erfolgte gezielt durch die Windschutzscheibe des Einsatzfahrzeuges.
Anschließend flüchtete der Todesschütze zu Fuß durch den Wald, wo er bei Lassinghof auf den Streifenwagen von Johann Ecker, 51, und Manfred Daurer, 44, traf. Bisher ging man davon aus, dass Ecker sofort getötet und Daurer als Geisel genommen und erst später erschossen wurde. Diese Annahme war aber möglicherweise falsch. Spuren und Einschusslöcher am Streifenwagen deuten darauf hin, dass beide Uniformierten an Ort und Stelle erschossen wurden – laut Obduktion mit einem Kopfschuss. Das bedeutet, dass Daurer bereits tot war, als der Täter mit dem Funkstreifenwagen und dem Opfer in Richtung seines Wohnhauses nach Großpriel flüchtete.
Unterschiedlichste Patronenhülsen an den Tatorten zeigen, dass der Wilderer mehrere Waffen bei seiner Wahnsinnstat eingesetzt hat. Am Freitag wurden in der Garage des nö. Landeskriminalamtes in St. Pölten weiter die am Einsatz beteiligten Fahrzeuge untersucht. Die Spurensicherung der Tatort-Spezialisten soll dabei helfen, die Abfolge der Schüsse genau rekonstruieren zu können. „Wir stehen erst am Beginn langwieriger Ermittlungen“, sagt Polizeisprecher Johann Baumschlager.
Cobra-Chef Bernhard Treibenreif hat im ORF-Mittagsjournal hat am Samstag erneut die Kritik an dem Einsatz des Spezialkommandos bei der Ergreifung des Vierfachmörders Alois Huber am Dienstag in Niederösterreich zurückgewiesen. Alois H. habe ein völlig atypisches Verhalten an den Tag gelegt: "Normalerweise ist nach einem Schusswechsel mit der Polizei in 99,9 Prozent der Fälle schlichtweg ein Fluchtverhalten erkennbar, weg aus dem Gefährdungsraum. Offensichtlich hat aber dieser Täter aufgrund einiger Umstände, die man nur vermuten kann, mit sich abgeschlossen gehabt und es drauf ankommen lassen."
Prinzipiell sei der Einsatz in Niederösterreich planmäßig gewesen. In der Erstphase seien zwar "schreckliche Ereignisse vorgefallen", aber die weiteren Ereignisse, Fahndung, Festnahme, seien nicht aus dem Ruder gelaufen. Im Vorfeld sei ein Konzept erstellt worden, auch mit Eventualitäten - das Szenario, wie es passiert ist, sei aber nicht im Plan gewesen. Laut Treibenreif sei "auch ein gewisses Maß an Pech" dabei gewesen. Denn beim ersten Schusswechsel sei der Täter bereits getroffen worden.
Auf Diskussionen, ob bei dem Einsatz möglicherweise zu wenig Personal dabei war, wollte Treibenreif "Im Journal zu Gast" nicht eingehen. Der Einsatz sei nicht nur im Jahr 2013 gelaufen, sondern bereits seit Jahren. Die Cobra sei schon in den vergangenen Jahren zugezogen worden, der Fall sei unter unterschiedlichen Konzepten bearbeitet worden. Grundsätzlich verfüge die Cobra über genügend Personal für ihre Einsätze. Auch die Schutzwesten seien "state of the art".
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