Festspielhaus St. Pölten als sicherer Hafen in turbulenten Zeiten
Zwar befindet sich das Festspielhaus St. Pölten aktuell noch in der Sommerpause. Im Eingangsbereich sowie an der Bühnenmaschinerie wird aber schon fleißig gearbeitet. Für Bettina Masuch ist es noch die „Ruhe vor dem Sturm“. „Wir bringen das Haus auf den neusten Stand“, erklärt sie. Damit sei man dann im Herbst bereit für die neue Saison, die Masuch erstmals als künstlerische Leiterin kuratiert hat.
Der Auftakt wird am 7. Oktober mit der Österreich-Premiere von „Vlaemsch (chez moi)“ gefeiert.
Im Stück setz sich der Choreograf Sidi Larbi Cherkaoui mit seinen flämischen Wurzeln auseinander und schlägt dabei laut der Künstlerischen Leiterin einen Bogen von der Polyfonie des Mittelalters bis hin zur Gegenwart. „Er ergründet darin seine kulturelle Identität, was heute ja oft als Kampfbegriff verstanden wird. Statt sich nur davon abgrenzen zu wollen, kann man aber auch die positiven Einflüsse sehen“, so Masuch.
An Traditionen anknüpfen
Den positiven Einfluss ihrer Vorgänger im Festspielhaus möchte die neue künstlerische Leiterin ebenfalls mit diesem Programmauftakt ehren: „Der flämische Choreograf war bisher schon ein gern gesehener Gast im Festspielhaus St. Pölten. Damit möchte ich an die Tradition des Hauses anknüpfen“, erklärt Masuch.
„Es wird vielleicht etwas mehr urbanen Tanz geben“, kündigt sie aber auch neue Programmschwerpunkte an. Generell möchte die 1964 im deutschen Solingen geborene Masuch aber weiter auf der inhaltlichen Linie, die ihre Vorgängerin Brigitte Fürle gelegt hat, aufbauen.
Zwar kannte Masuch das Festspielhaus St. Pölten schon von einigen Koproduktionen, die sie an ihren Stationen in Zürich, Utrecht, Berlin oder zuletzt als Intendantin des tanzhaus nrw in Düsseldorf, durchführte.
Ein Haus ohne Leben
Dennoch war das erste Kennenlernen – während eines Lockdowns – ein ganz besonderes für sie: „Ich habe zwar die besonders schöne Architektur des Festspielhauses gesehen, aber ganz ohne das Leben darin“, erzählt Masuch. Auch St. Pölten selbst sei damals „praktisch leer gewesen“.
„Ich habe mir damals vorgestellt, wie wohl das Publikum so sein mag. Meine Fantasie war letztlich schon relativ nahe an der Realität dran“, erzählt sie. „Viele Menschen verbinden eine lange Geschichte mit dem Haus und sie kommen sehr regelmäßig“, spricht Masuch von einem klassischen Liebhaber-Publikum. „Diese Bindung nehme ich viel stärker wahr als in anderen Häusern. Ich hoffe, dass sich das genauso fortsetzt“.
Im Dialog mit dem Publikum möchte Masuch herausfinden, was gefällt und was nicht. Dennoch will sie nicht davor zurückscheuen, das Publikum mit Neuem zu konfrontieren. So kündigte sie bereits bei der Vorstellung der neuen Spielzeit ein „markantes, kontroverses, originelles, spartenübergreifendes und gelegentlich gewagtes Programm“ an, das „ein vielfältiges und breites Publikum“ anspreche.
Turbulente Zeiten
Dabei steht die neue künstlerische Leiterin in ihrer ersten Saison vor wichtigen Fragen: „Wenn im Alltag alles teurer, anstrengender, komplizierter geworden ist, welche Rolle spielt der Vorstellungsbesuch?“. Denn Kunst und Publikum durchleben laut Masuch gerade eine besondere Zeit. Im Festspielhaus St. Pölten möchte sie ihren Besuchern deshalb „gute, vergnügte Abende“ bieten, die ohne schlechtes Gewissen genossen werden können.
Und auch, dass Kulturgenuss ein Gemeinschaftserlebnis ist, möchte Masuch vermitteln: „Es macht einen Unterschied, ob ich eine Vorstellung genieße oder zu Hause einen Film schaue“, ist sie überzeugt. Deshalb wählte sie als zentrales Motiv der Spielzeit 22/23 die Umarmung: „Wir müssen wieder zusammenkommen, nach einer Zeit, wo wir trainiert haben, auf Abstand zu gehen“, betont sie.
Mit 7. Oktober startet die erste Saison für Bettina Masuch als neue künstlerische Leiterin im Festspielhaus St. Pölten.
15 zeitgenössische Tanzabende stehen 22/23 auf dem Programm, zusätzlich zu zwölf symphonischen Produktionen. Musikalisch wird ein Bogen von Fado und Blech bis zu Pop und Klassik gespannt
Doch als komplett überwunden möchte die Künstlerische Leiterin die Pandemie noch nicht sehen: „Wir blicken zwar schon ein Stück weit entspannter in die Zukunft. Dennoch haben wir vorsichtig geplant“.
So habe man sich zwar bemüht, das Programm sehr international zu halten, alle Künstler kämen aber aus Europa. So könne man Schwierigkeit bei der Reise vorbeugen.
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